Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 496 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Noviziat 1597–1625

Beschreibung

Tafelbild mit dem Porträt des hl. Bernhard von Clairvaux. Öl auf Leinwand, gerahmt. In den oberen zwei Dritteln der hochrechteckigen Malfläche das Brustbild des Heiligen in heller Kukulle. Rechts neben seinem Haupt ein von einem Krummstab hinterlegter Wappenschild. Knapp über Bernhards linker Schulter die nur schwach erkennbaren Namensinitialen (A). Im unteren Bildbereich zwischen vorgezeichneten Zeilenlinien der in Schwarz aufgemalte Lobpreis (B). Die Leinwand ist etwa in der Mittelachse gebrochen und ausgebessert; die Buchstaben wurden hier nachträglich ergänzt. Das Kloster besitzt zwei jüngere Kopien dieses Bildes, von denen eine mit dem Wappen der Äbtissin Margareta Loys (reg. 1658–86) im Krankenhaus aufbewahrt wird.1

Maße: H. 47,5, B. 34,5,2 Bu. 0,3 (A), 0,6–0,7 cm (B).

Schriftart(en): Humanistische Minuskel (A), Kapitalis (B).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Baden-Baden [1/3]

  1. A

    A(bbatissa) St(vltzerin)a)

  2. B

    VERSIBVSb) HAVD POSSVNT D[ESCRI]BIc) GAVDIA QVAMd) IAMMONACHO INSIGNOe) SVM[MA GLO]RIAf) TVLITCVIVS SI CVPIS BERNARDIg) [NOSCER]Ec) VVLTVMASPICEh) HANC QVAESO [MIRAM]i) EFFIGIEMVIR GRAVIS ET CONSTANS [VITAQ]VAEk) INSIGNIS HONESTAET FIDEI VERAE SVM[MVS AM]ATORc) ERAl)BIS SENIS LVSTRIS TERN[OS ADIE]CERATc) ANNOSHEVm) MEDIOS RVMPVN[T INV]IDAc) FATA DIESSEDIBVS AETHEREIS ANI[MAM DE]VSc) IPSE RECEPITMEMBRA IACENT [PVTRI CO]NTVMVLATAc) S[OLO]n)

Übersetzung:

Mit Versen können die Freuden nicht beschrieben werden, die der höchste Ruhm schon erbracht hat, der auf dem außergewöhnlichen Mönch beruht.3 Wenn du dessen, nämlich Bernhards, Antlitz kennzulernen wünschst, betrachte bitte dieses wunderbare Ebenbild. Er war ein würdevoller und standhafter Mann, stach durch ein ehrenhaftes Leben hervor und war dem wahren Glauben der größte Freund. Zweimal sechs Lustren (60 Jahre) hatte er drei Jahre hinzugefügt, o weh, da zerbricht ein mißgünstiges Geschick die Lebensmitte4. Gott selbst nahm die Seele in die himmlischen Plätze auf, die Glieder liegen bestattet in verwester Erde.

Versmaß: Elegische Distichen.5

Wappen:
Äbtissin Margareta Stülzer.6

Kommentar

Die Verse setzen stets mit einem größer ausgeführten Versal ein, der die Zeilenhöhe um etwa 0,5 cm überragt. Die Buchstaben zeigen deutliche Linksschrägen- und Bogenverstärkungen. Das E besitzt drei unterschiedlich lange Balken, das I meist einen unscheinbaren i-Punkt. Die teilweise gerade, teilweise geschwungen ausgeführte Cauda des R ist ausgestellt und mitunter weit unter die Grundlinie gezogen. Die Sporen sind überwiegend rechtwinklig, jedoch nicht immer symmetrisch angesetzt.

Der Typus des Brustbildes entspricht der „vera effigies“ des Heiligen, die vor allem seit dem 16. Jahrhundert zahlreichen Bernhard-Porträts zur Vorlage diente.7 Das Lichtenthaler Gemälde wurde unter der Äbtissin Margareta Stülzer in Auftrag gegeben, die dem Kloster von 1597 bis 1625 vorstand.8

Textkritischer Apparat

  1. A(bbatissa) St(vltzerin)] Auflösung der Abkürzung nach nr. 491. Die Versalien ineinander verschlungen.
  2. Der nach links weit verlängerte Sporn am linken Schrägschaft des V endet in einer umgebogenen Haarlinie.
  3. Die Buchstaben in den eckigen Klammern durch die Bruchstelle zerstört und nachträglich ergänzt.
  4. Lies: QVAE.
  5. Lies: INSIGNI.
  6. SVM[MA GLO]RIA] Lies aus metrischen Gründen: GLORIA SVMMA.
  7. Das B um 0,5 cm größer ausgeführt.
  8. Die zweite Silbe hier offenbar lang. Der Sporn des linken A-Schrägschafts weit nach links verlängert.
  9. Die Buchstaben durch die Bruchstelle zerstört und nachträglich ergänzt. Lies aus metrischen Gründen vermutlich [MIRIFICAM].
  10. Lies: VITAQVE. Die Buchstaben zwischen den eckigen Klammern zerstört und nachträglich ergänzt.
  11. Lies: ERAT.
  12. Der nach links stark verlängerte Balken des H durchschneidet den linken Schaft und ist bis zur Grundlinie gebogen.
  13. Die Buchstaben in eckigen Klammern zerstört und nachträglich ergänzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. 750 Jahre Lichtenthal (wie unten); KA Lichtenthal o. Sig., Krupp (wie unten); KA Lichtenthal o. Sig., Bauer (wie unten) 39r.
  2. Die Maßangaben beziehen sich auf das Bild mitsamt dem etwa 1,5 cm breiten Rahmen.
  3. Wörtl.: „die der höchste Ruhm aufgrund des außerordentlichen Mönchs schon erbracht hat“. Das Satzglied MONACHO INSIGNI wurde hier offenbar als kausativer Ablativ verstanden, falls keine Verschreibung für MONACHI INSIGNIS vorliegt. Eine Interpretation als Dativus commodi setzte indessen voraus, daß mit GAVDIA die himmlischen Freuden Bernhards gemeint wären.
  4. Wörtl.: die mittleren Tage.
  5. Metrisch teilweise nicht einwandfrei, vgl. Anm. f, i.
  6. Gespalten: vorn Zisterzienserorden (in Schwarz ein in zwei Reihen rot-weiß geschachter Schrägbalken), hinten Stülzer (halbgespalten und geteilt: 1. ein schwarzer Hammer in Gold, 2. ein goldener Hammer in Schwarz, 3. zwei schwarze Sparren in Gold).
  7. Vgl. LCI, Bd. 5, Sp. 375. S. a. Pierre Quarré, L’iconographie de St. Bernard à Clairvaux et les origines de la Vera effigies, o. O. 1954, passim.
  8. Vgl. zu Margareta Stülzer nr. 491.

Nachweise

  1. Kdm. Baden-Baden 473 nr. 20 (erw.).
  2. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 7: Gemälde, fol. 38r–39r (Abb.).
  3. Abtei Lichtenthal, Baden-Baden. Kloster der Cistercienserinnen, gegr. 1245, hg. v. d. Abtei Lichtenthal, Baden-Baden 1976, 7 (Abb.).
  4. 750 Jahre Lichtenthal 314 nr. 165 (Abb. 165).
  5. KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Konventbau: 8, 2. Stock, Maria Maggiore, Krankenhaus, Noviziat, Ob. Abtei (Gästezimmer), o. S. (Abb.).
  6. Pia Maria Schindele, Die Zisterzienser: Ein Orden und seine Verbreitung, in: Schlösser Baden Württemberg 2 (1997) 9–11, hier 9 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 496 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0049607.