Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 492 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Museum/Konventgebäude 1625

Beschreibung

Drei Tafelbilder mit Äbtissinnenporträts. Die Bildnisse der Äbtissinnen Margareta von Baden (I) und Barbara Veus (II) im Klostermuseum, das Margareta Stülzers (III) im Konventgebäude, hier im ersten Obergeschoß des Westflügels an der Wand südlich vom Treppenaufgang. Öl auf Leinwand. Hochrechteckige, gerahmte Gemälde mit halbfigurigen Porträts im Halbprofil. Die Äbtissinnen sind jeweils im Ordenshabit wiedergegeben und werden durch die zeilenweise beigesetzten biographischen Nachrichten (A–C) identifiziert.

I. Porträt der Äbtissin Margareta von Baden.1 Sie hat die Hände vor dem Leib ineinandergelegt. Am kleinen Finger ihrer linken Hand ein Ring mit einem Totenkopf. Links neben ihrem Haupt ein von einem Krummstab hinterlegter Wappenschild, darunter die in heller Farbe aufgemalte Inschrift (A). In der linken unteren Ecke des Bildes die später nachgetragene Inventarnummer 10., die in jüngerer Zeit in der Mitte knapp über der Rahmenleiste nochmals ausgeführt worden ist.

Maße: H. 64, B. 53,5,2 Bu. 0,7 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Baden-Baden [1/9]

  1. A

    Fraw Margareth des durchleuch(tigsten)a) / Fürste(n)b) Caroli Marggraffen zue / Baden v(nd)a) Catharina Ertzhertzugin / zu Österreiich Auch des Römischen / Keisers Friderici des dritten leiblicher / Schwester dochter: Wiert erWehlt / Anno 1477c) · Jst Gewesen ein / Frewlein an Jahr Zwar Jung / leüchtet aber sonderbarlich mit / Vnschuldt Jhres lebens · Hat / Regiert 19 Jahr ist mit / Grossem bedauoren aler / der Jhrigen abgelebt / A(nn)o 1496: den 14 / Januarij.d)

Wappen:
Baden-Sponheim.3

II. Porträt der Äbtissin Barbara Veus.4 Sie hält mit beiden Händen ein geöffnetes Buch vor sich. Links neben ihrem Haupt die in heller Farbe aufgemalte Inschrift (B), rechts der von einem Krummstab hinterlegte Wappenschild. In der unteren linken Ecke die nachträglich hinzugesetzte Inventarnummer 11.

Maße: H. 59, B. 54,5,2 Bu. 0,6 cm.

Schriftart(en): Fraktur und Humanistische Minuskel.

  1. B

    Fraw Barbara Veisin so wohl An / Tugenten Leichtendt:e) Als Von Geschlecht / Edel Herr Hieronimif) Veisijf) Beider Rechte / Doctorenf) deng) durchleichtigsten Fÿersten / Zu Margraffenh) Baden Cantzleren / dochter Wiert durch Einhellige vnd / bestendtig ·i) seink) des Gantz(en) Jungfreilich(en) / Closters Zu einer Abbtissin Erwehlt / A(nn)o 1551 · Vnder Jhren Wahren / der professen5) 43 · ist abgelebt / den 16 Feberivatil) 1597.

 
Wappen:
Veus.6

III. Portrait der Äbtissin Margareta Stülzer.7 Sie hat die Hände vor dem Leib ineinandergelegt. An ihren kleinen Fingern stecken mehrere Ringe. Das Haupt flankieren zwei Wappenschilde, von denen der heraldisch rechte mit einem Krummstab hinterlegt ist. Darunter die in heller Farbe aufgemalte Inschrift (C). Am unteren Bildrand in der Mitte die nachträglich hinzugesetzte Inventarnummer 12.

Maße: H. 69, B. 58,2 Bu. 0,6 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

  1. C

    Auf Fraw Barbara Veisin · ist / Erfolgt Frauw Margaretha Stülzerin / Von Ettlingen8), ein Frauw eines H(eiligen)a) Vnd / Gottseeligen lebens Verstenndtigm) vnd / Vber die Massen Klueg, hat Regiert, / Von A(nn)on) 1 · 5 · 97 · bis A(nn)on) 1625 Vnder / ihrer Regierung Haben in Closter / Gelebt · 50 Closter Jung Frau(en) / Hat Regiert 28 Jahr ist Gestorben / A(nn)on) 25 den 22 Aug(usti)a) Jhres / alters Jn 63 Jahr, 1 · 6 · 25 ·

 
Wappen:
Stülzer9, Abtei Lichtenthal10.

Kommentar

Komposition und Stil, aber auch die Buchstabenformen lassen darauf schließen, daß alle drei Bilder von demselben Maler stammen. Ein besonderes Indiz dafür ist der senkrecht das H durchschneidende und in der Mitte teilweise mit einem kurzen, nach unten durchgebogenen Balken versehene Zierstrich. Daneben deuten auch der Verlauf und die Form der Zierlinien am Bogen des C sowie an den Schäften von E und F auf dieselbe Hand. Unter den Gemeinen fallen besonders die Oberlängen auf, deren Enden in der Regel nach rechts umbrechen und in spitze, dornartige Fortsätze münden. Als Trennzeichen dienen Quadrangel bzw. Punkte auf halber Zeilenhöhe.

Die drei Bildnisse gehören zu einem Zyklus älterer Äbtissinnenporträts, von denen insgesamt noch elf im Kloster existieren.11 Diese zeigen allesamt in etwa die gleiche Bildkomposition, stammen aber aus unterschiedlichen Zeiten und von verschiedenen Malern. Die hier vorgestellten Gemälde bilden die älteste Gruppe, die einer Hand zugewiesen und aufgrund von Inschrift (C) in das Jahr 1625 datiert werden kann. In Anbetracht der aufgemalten Inventarnummern ist zu vermuten, daß ursprünglich noch neun weitere Porträts älterer Äbtissinnen vorhanden waren.

Aus den merkwürdigen, sinnentstellenden Verschreibungen in Inschrift (B) geht hervor, daß der Maler die Bildbeischriften aus einer Vorlage übertrug, die er offensichtlich nicht einwandfrei entziffern konnte. Dabei handelt es sich zweifellos um jene Texte, die in den drei alten, ebenfalls 1625 begonnenen Äbtissinnenchroniken des Klosters Lichtenthal überliefert sind und die mit den Inschriften fast wortwörtlich übereinstimmen.12 Aus der Datierung der Gemälde läßt sich ableiten, daß sie sicher noch zu Lebzeiten der Margareta Stülzer (reg. 1597–1625) in Auftrag gegeben wurden. Diese hatte bereits zuvor zahlreiche Bau- und Verschönerungsmaßnahmen13 in die Wege geleitet, die in der Periode der Oberbadischen Okkupation14 die Ehrwürdigkeit und Integrität des Klosters sowie seine enge Verflechtung mit der markgräflich badischen Familie stärker vor Augen führen sollten. Dazu zählt insbesondere der Wandzyklus im Kreuzgang, der sämtliche Äbtissinnen bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts abbildete und deren Tugenden in lateinischen Distichen rühmte.15 Die verbliebenen drei Porträts aus einem offenbar zusätzlichen Gemäldezyklus bezeugen indes, daß Margareta Stülzers traditionsbewußtes und kunstsinniges Engagement für die Abtei auch nach dem Ende der baden-durlachschen Landesbesetzung nicht nachließ.

Textkritischer Apparat

  1. Abkürzung durch Doppelpunkt.
  2. Kein Kürzungszeichen erkennbar.
  3. Die erste 7 offensichtlich nachgezogen.
  4. Das Wort in die Mitte der Zeile gesetzt.
  5. Der Doppelpunkt offenbar ohne Funktion.
  6. In Humanistischer Minuskel ausgeführt.
  7. Lies: des.
  8. Zu Margraffen] Lies vermutlich: Vn(d) Marggraffen Zu.
  9. Quadrangel in der unteren Zeilenhälfte.
  10. Sic! Lies vermutlich: stim(m), vgl. Anm. 12.
  11. Lies: Februarij.
  12. Zwischen den Silben Ver und stenndtig ein Spatium.
  13. Nach dem hochgestellten und doppelt unterstrichenen o ein Doppelpunkt.

Anmerkungen

  1. Vgl. die biographischen Angaben in nr. 126.
  2. Die Angaben beziehen sich auf die Maße des Bildes mitsamt dem ca. 5,5 cm breiten Rahmen.
  3. Tingierung des 3. Feldes historisch nicht korrekt: statt rot-weiß geschacht (Hintere Grafschaft Sponheim) hier blau-weiß geschacht. Offenbar sollte die Vordere Grafschaft Sponheim (blau-gold geschacht) heraldisch bezeichnet werden, die aber erst unter Markgraf Philipp II. von Baden-Baden in den badischen Wappenschild integriert wurde, vgl. Das Wappen des Grossherzoglichen Hauses Baden 29.
  4. Vgl. die biographischen Angaben in nr. 404.
  5. Gemeint ist offenbar die Zahl der Konventualinnen, nicht derjenigen, die unter Barbara Veus’ Regierung die Profeß ablegten, vgl. Grimm/Grimm, Dt. Wörterbuch, Bd. 13, Sp. 2159. S. a. Inschrift (C) und Bauer, Frauenkloster Lichtenthal 77 Anm. 3.
  6. In Gold ein aus einem schwarzen Dreiberg hervorwachsender und von einem silbernen Pfeil durchbohrter, roter Hirschrumpf.
  7. Vgl. die biographischen Angaben in nr. 491.
  8. Lkr. Karlsruhe.
  9. Halbgespalten und geteilt: 1. ein schwarzer Hammer in Rot, 2. ein roter Hammer in Schwarz, 3. sechsmal schwarz-rot gesparrt.
  10. Linksgewendet. Hier statt eines goldenen Doppelhakens in Blau ein silberner Doppelhaken in Schwarz, vgl. Siebmacher Klö 119 (Taf. 150).
  11. Vgl. die Aufzählung der übrigen Porträts in Kdm. Baden-Baden 474 nrr. 2–8, 475 nrr. 21–23. Siehe hierzu auch 750 Jahre Lichtenthal 321f. nr. 173f. (Äbt. Euphrosina Lorenz, 1713; Euphrosina Wunsch, nach 1731).
  12. Vgl. KA Lichtenthal o. Sig., Äbtissinnenchroniken, Bd. 1–3, o. S. Hier heißt es zu Margareta von Baden: „Fraw Margaretha, des durchleuchtigsten Fürsten Caroli Marggrafe Zu Baaden, und Catharina Ertz-Herzogin Zu Österreich, auch des Römischen Keisers Friderici des driten Leiblichen schwester dochter, wurdt erwehlt noch beÿ Leb Zeiten der fraw Anna Strawlerin, vmb das Jahr 1477 ist geweszen Ein freÿlein Zwar Jung an Jahren, Leichtet aber sonderlich mit Vnschuld Jhres lebens Regiret von Anno. 1477 bisz anno 1496. Vndt ist den 14. Janvar mit grösztem bedauern aller der Jhrigen gestorben.“; zu Barbara Veus: „Fraw Barbara, sowohl in tugendten leichtendt allsz von geschlecht Edel, Herrn Hieronymi Veisen Beeder Rechten Doctoren, des durchleichtigsten Fürsten Zu Baaden gewesten Cantzleren würdige dochter, wurdt durch ein helliger stim des ganzen Convents Zu Einer Abbtissin erwehlt im Jahr Christi 1551. Ein fraw eines frommen vndt gottseeligen Lebens, auch ein sonderbahre ordens Eÿferin, Vnder Jhrer Regierung wahren der Professen 43. Regiret von Anno. 1551. biß anno 1597. stirbt den 16. Februar. ligt im Capitel begraben.“; zu Margareta Stülzer: „Auf Fraw Barbara Vehusin in [sic!] eruolget fraw Margaretha Stiltzerin von Ettlingen ein fraw eines Heiligen vnd gottseeligen lebens, verstendig vnd vber maßen Klueg, hat regiret von Anno 1597. bisz anno 25. vnder Jhrer Regirung haben Closterfrawen gelebt 50. Hat regiret 28 iahr ist gestorben anno 25. den 22. august Jhres alters im 63igsten iahr.“ S. a. KA Lichtenthal nr. 45, Kloster Lichtenthals Abtissinnen von der Fundation an Anno 1245, 24, 28f.; Bauer, Frauenkloster Lichtenthal 221f., 224, 226.
  13. Vgl. nrr. 402, 414, 436, 460, 469, 470, 471, 485, 487, 495, 496.
  14. Vgl. zur Oberbadischen Okkupation Einl. Kap. 2, XVIIIf.
  15. Vgl. nr. 471.

Nachweise

  1. KA Lichtenthal 38 Fach 23, Glyckher, Inventar, fol. 11v (A–C erw.).
  2. Ausstellung Baden-Baden (1902) 132 nr. 42 (I erw.).
  3. Kdm. Baden-Baden 419 (B; Abb. 321), 474f. nr. 1 (C), nr. 21 (A), nr. 22 (B).
  4. Bernhard von Baden 68 (A).
  5. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 7: Gemälde, fol. 82r (A–C; Abb.).
  6. Schindele, Leben 649 (Abb. zu C).
  7. Die Zisterzienser 617 nr. H 7 (B; Abb.).
  8. KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Bd.: Museum, Fürstenzimmer 3, Wand 1, Großer Schrank, Intarsienschränkchen, o. S. (B; Abb.).
  9. Kloster Lichtenthal – 750 Jahre 52 (B; Abb.).
  10. 750 Jahre Lichtenthal 293 nr. 136 (A; Abb. 136), 307f. nr. 156 (B; Abb. 156), 313f. nr. 164 (C; Abb. 164).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 492 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0049205.