Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 491 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Kreuzgang 1625

Beschreibung

Grabplatte für die Äbtissin Margareta Stülzer. Ehemals im Kapitelsaal.1 Hier zu unbestimmer Zeit mit hölzernen Bodendielen überdeckt, weshalb die ursprünglichen, offenbar stark erhabenen Verzierungen abgeschlagen wurden.2 1928 gehoben und im östlichen Flügel des Kreuzgangs in der Nähe des Kapitelsaals aufrecht an die Wand gestellt.2 Rötlicher Sandstein. Im eingetieften Binnenfeld der hochrechteckigen und sich nach unten etwas verjüngenden Platte ein senkrecht gestellter Krummstab mit Sudarium, umgeben von vier Engelsköpfchen. Im Zentrum der Krümme, die offensichtlich nach dem Vorbild des unter Margareta Stülzer umgearbeiteten und in der Abtei noch existierenden Äbtissinnenstabes wiedergegeben wurde, eine kleine Kreuzigungsgruppe.3 An den vertikal ausgerichteten Schwingen der beiden den Stab flankierenden Engel hängt unten je ein Wappenschild an einem Band. Abgesehen von der Schaftspitze wurden sämtliche Reliefs 1936 nach stärkerer Eintiefung des Binnenfeldes durch den Bildhauer Charles Dietrich (Karlsruhe) erneuert.2 Der auf dem Plattenrand zwischen zwei rahmenden Ritzlinien umlaufend eingemeißelte Sterbevermerk ist hingegen noch original. Ebenso die sich anschließende Fürbitte, die im unteren Fünftel des Binnenfeldes zeilenweise ausgeführt ist. Die Außenkanten der Platte sind vielfach bestoßen.

Maße: H. 220, B. 96, Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Baden-Baden [1/1]

  1. ANNOa) · D(OMI)NIb) · 1 · 625 · 22 · AV=/GVSTI · O(BIIT)c) VENERABILIS · D(OMI)NA · MARGARETHA · STVLTZ/ERIN · ETTLINGENSIS · / ABBATISSA · HVIVS · MONASTERII · AETAT(IS)c) 63 · REG(IMINIS)d) 28e) · //f) CVIVS //g) ANIMA / DEO //g) VIVAT / A//MENg)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1625, am 22. August, verstarb die ehrwürdige Frau Margareta Stülzer aus Ettlingen, Äbtissin dieses Klosters, ihres Alters 63 und nach 28 (Jahren) ihrer Regierung. Ihre Seele möge bei Gott leben, amen.

Wappen:
Abtei Lichtenthal4, Stülzer5.

Kommentar

Die Kerben der Buchstaben und Ziffern sind gleichbleibend schmal geschlagen, wobei der Schrägschaft des N stets nur als Haarlinie ausgeführt wurde. Das A hat lediglich in ANNO, ABBATISSA und AMEN einen beiderseits überstehenden Deck- und einen gebrochenen Mittelbalken. Der mittlere Balken des E ist stark verkürzt. Der Mittelteil des geraden M bleibt auf die obere Zeilenhälfte begrenzt. Das R besitzt eine geschwungene Cauda und das Z einen kurzen, linksschräg gestellten Zierbalken. Der anstrichlose Schaft der 1 ist unten gespalten und links nach oben umgebogen. Die 6 ist weit offen; die 2 und die 3 sind bis auf eine Ausnahme spitz. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Margareta Stülzer stammte aus Ettlingen (Lkr. Karlsruhe) und war die Tochter des Glasers Philipp Stülzer.6 Über ihre Urgroßmutter Walburga, eine uneheliche Tochter Erzbischof Jakobs von Trier, war sie mit dem markgräflich badischen Haus verwandt.7 Dies mag keine geringe Rolle gespielt haben, als der Lichtenthaler Konvent sie im Jahre am 15. Juni 1597 zur Äbtissin wählte.8 Denn während der Zeit der Oberbadischen Okkupation kam es der Abtei zweifellos darauf an, die schwierigen Verhandlungen mit dem calvinistisch gesinnten Landesherrn Ernst Friedrich bzw. mit seinem evangelischen Nachfolger Georg Friedrich durch bestehende Familienbeziehungen etwas aufzulockern.9 Diese Strategie scheint insofern geglückt zu sein, als Margareta Stülzer zu Beginn des 17. Jahrhunderts trotz der politischen Widrigkeiten die Zahl der Konventualinnen auf 50 erhöhen,10 umfangreiche Baumaßnahmen11 in die Wege leiten und den Besitz des Klosters erweitern12 konnte. Unter ihr gelangte die Abtei Lichtenthal zu einer neuen geistlichen und kulturellen Blüte, wie zahlreiche liturgische Geräte, Andachtsbilder und Abschriften im Archiv bezeugen.13 Ihr inschriftlich überliefertes Todesdatum wird durch einen entsprechenden Eintrag im Nekrolog bestätigt.14

Textkritischer Apparat

  1. Das A etwas größer als die übrigen Buchstaben.
  2. Abkürzung durch einen oben offenen, halbkreisförmigen Bogen über dem N. Über dem I ein Punkt.
  3. Abkürzung durch einen üblichen rechtsschrägen Kürzungsstrich und zusätzlich durch einen nachgesetzten kurzen rechtsschrägen Doppelstrich.
  4. Abkürzung durch einen nachgesetzten, kurzen, linksschrägen Doppelstrich.
  5. Die runde 2 mit leicht gekrümmtem, linksschräg gestelltem Balken.
  6. Ab hier setzt sich die Inschrift zeilenweise im unteren Bereich des Binnenfeldes fort.
  7. Unterbrechung der Inschrift durch den unteren Abschnitt des Krummstabes.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kdm. (wie unten). S. a. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr (wie unten); GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 40 mit Anl. O.
  2. Vgl. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer (wie unten).
  3. Vgl. nr. 495.
  4. Doppelhaken. Wappen erneuert.
  5. Geteilt: oben zwei Hämmer, unten statt eines Zwillingssparrens achtmal gesparrt, vgl. nr. 485. Wappen erneuert.
  6. Vgl. Rüdiger Stenzel, Ettlingen vom 14.–17. Jahrhundert, 2. Halbbd. (Geschichte der Stadt Ettlingen und ihrer Menschen IIb), Ettlingen 1985, 179. Siehe zu ihrer Biographie auch Schindele, Leben 647–658; Schindele, Abtei Lichtenthal (1985) 110–128; Bauer, Frauenkloster Lichtenthal 226; Gutgesell, Kloster Lichtenthal 91.
  7. Vgl. Stenzel (wie Anm. 6).
  8. Vgl. Schindele, Abtei Lichtenthal (1985) 110.
  9. Vgl. zur Oberbadischen Okkupation Einl. Kap. 2, XVIIIf.; zu Markgraf Ernst Friedrich von Baden-Durlach vgl. nr. 402 Anm. 6; zu Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach DI 57 (Pforzheim) nr. 243. Die Betonung der familiären Beziehungen zwischen der Abtei Lichtenthal und dem markgräflich badischen Haus war offenbar auch ein Motiv für den um 1615 ausgeführten Äbtissinnenzyklus im Kreuzgang, vgl. nr. 471.
  10. Vgl. nr. 492. Siehe hierzu auch Schindele, Abtei Lichtenthal (1985) 113, 116f.; GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr (wie unten).
  11. Vgl. nrr. 436, 460, 469, 470, 471, 485.
  12. Vgl. Bauer, Frauenkloster Lichtenthal 226.
  13. Vgl. nrr. 402, 414, 487, 495, 496. Unter der Regierung Margareta Stülzers wurden von Klosterschaffner Theodor Schilling sämtliche Dokumente des Klosters in vier Kopialbüchern (KA Lichtenthal o. Sig., Kopialbücher Bd. 1–4) zusammengestellt, vgl. Schindele, Abtei Lichtenthal (1985) 126.
  14. Vgl. GLA Karlsruhe 64/47, Nekrolog Lichtenthal III, fol. 16r: „xi kalendas [Septembris] Octava · Sanctae · Marie · Obyt in christo Reuerenda domina margaretha Stültzerin Abbatissa in lucida ualle cuius Anima uiuat in christo Anno 1625.“ S. a. Necrologium 169.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Begräbnisse Lichtenthal, fol. 23v.
  2. Kdm. Baden-Baden 518 nr. 9.
  3. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar Bd. 4: Konventgebäude, Höfe, Abtei, fol. 42r (Abb.).
  4. KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Bd.: Konventbau 1, Erdgeschoß, Gänge, o. S. (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 491 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0049107.