Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 462 Baden-Baden, altkath. Pfarrkirche St. Maria u. Vierzehn Nothelfer (ehem. Spitalkirche) 1611

Beschreibung

Grabplatte für Anna Agatha von Baden. Im Jahre 1801 von Franz Josef Herr im Chor vor dem Hochaltar bezeugt.1 Im Zuge der Kirchenrenovierung von 1865 im westlichen Langhausjoch als zweites Grabmal von Westen aufrecht an die Nordwand gestellt.2 Nach der Verkürzung des Kirchenschiffes von 1963 an die Südseite des mittleren Joches versetzt.3 Seither hier das erste Grabmal neben dem östlichen Strebepfeiler. Sandstein. Im oberen, stark eingetieften Drittel der hochrechteckigen Platte ein plastisch ausgehauenes Vollwappen vor reliefiertem Beschlagwerkmuster. In der Mitte der oberen Rahmenleiste das Stz. nr. 59. Das untere Feld nur flach eingetieft; darin das zeilenweise eingemeißelte Bibelzitat (A), an das sich ohne Absatz der Sterbevermerk mit Grabbezeugung und einem weiteren Trostspruch (B) anschließt. Die Rahmenleisten sind jeweils in der Mitte mit beschlagwerkartigen Verzierungen versehen, die in das Schriftfeld hineinragen und den Text unterbrechen. Das untere Fünftel der Plattenoberfläche sandelt durch aufsteigende Feuchtigkeit ab, dadurch fünf Zeilen stark beschädigt oder zerstört. Die Außenkanten der Platte sind stellenweise bestoßen.

Ergänzungen nach BLB Karlsruhe K 218, Herr.

Maße: H. 148,5, B. 73, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A

    CHRISTVS //a) IST · MEIN / LEBEN · VND · S//TERBENa) · MEIN / GEWIN4) · PHILIPP · 1b) ·

  2. B

    AN(N)O · 16 · 11 / DEN · 20 · APRILIS · IST · IN · DEM / HERN · SELIGLICH · ENDSCHLA/FENc) · DIE · EDEL · VND · TVGENDSA/ME · IVNGFRAW ANNA · AGATHA / VON · BADEN · DES · GEST=/RENGEN · EDLEN · VND / VESTEN · BERNHARDS · VON / BADEN · EHLICH · DOCHTER · I/[M 9tend) JAR I]HRES · ALTERS · W[EL]C[H/ER LEI]CH[N]AM · AL[HI]E · S[EIN R]V=/[HEBETTLEIN HAT VND ERWARTED / DER FROELICHEN STIMM CHRISTI, IHR TODEN STEHET AVFF]5)

Wappen:
Baden.6

Kommentar

Die Kerben der eng beieinanderstehenden Buchstaben wurden gleichbleibend schmal geschlagen. Sporen sind nur selten ausgeführt, die oberen und unteren Balken von E und F deutlich verlängert. Der Mittelteil des konischen M endet im oberen Zeilendrittel. Das O ist annähernd kreisrund. Über I und V sitzt stets ein Punkt. Die geschwungene Cauda des R ist weit ausgestellt. Als Worttrenner dienen kleine Punkte auf halber Zeilenhöhe.

Aufgrund des Stz. und der typischen Schriftformen läßt sich die Grabplatte eindeutig dem Bildhauer und Steinmetzen Thomas König zuweisen, der auch die Kanzel in der Lichtenthaler Klosterkirche sowie einige weitere Grabmäler auf dem Bühler Friedhof schuf.7

Bernhard von Baden ist im inschriftlich bezeichneten Jahr als baden-durlachischer Amtmann bezeugt.8 Auf seine Vermittlung hatte man damals in Beinheim (dép. Bas-Rhin) einen protestantischen Pfarrer angenommen. Der Name und das Wappen, das bis auf den Bastardbalken9 mit dem markgräflichen übereinstimmt, deuten darauf hin, daß er mit dem badischen Fürstenhaus verwandt und vermutlich einer unehelichen Verbindung entsprossen war. Ernst Friedrich von Baden-Durlach schenkte ihm während der Oberbadischen Okkupation ein Haus mit Garten unterhalb der Kanzlei und nahe der Herberge „Zum Bock“, das der Empfänger später im Tauschhandel an den Burgvogt Hans David weitergab.10 Der engere Familienkreis Bernhards ist unbekannt.11 Als resoluter Protestant hatte er mit einigen anderen Bürgern der Stadt Baden am 19. April 1607 ohne herrschaftliche Erlaubnis die Spitalkirche eingenommen, um sie künftig der stark angewachsenen evangelischen Gemeinde zur Verfügung zu stellen, der bisher nur die kleine Schloßkapelle zugewiesen worden war.12 Für dieses eigenmächtige Vorgehen mußte er sich jedoch bereits am 2. Mai desselben Jahres vor Markgraf Georg Friedrich verantworten.

Textkritischer Apparat

  1. Unterbrechung durch hineinragendes Beschlagwerk des Rahmens.
  2. Der anstrichlose Schaft stark verkürzt.
  3. Das A unter Verkürzung des linken Schrägschaftes zur Hälfte in das L hineingerückt.
  4. Die Buchstaben im Ms. kleiner ausgeführt und nach oben gesetzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr (wie unten).
  2. Vgl. Kdm. Baden-Baden 216 nr. 2; zu den Renovierungsmaßnahmen von 1865 s. a. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/281, Spitalkirche, passim.
  3. Vgl. Stadtkreis Baden-Baden 139.
  4. Phl 1,21.
  5. Paraphrase nach Hier. (?) regula monachorum 30: „Surgite, mortui, et venite ad iudicium“, vgl. Regula monachorum [altera editio], in: Sancti Eusebii Hieronymi Stridonensis Presbyteri opera omnia, ed. J.-P. Migne (PL 30), Parisiis 1865, Sp. 391–426, hier 417. Siehe dazu: Saint Alfonso Maria de’ Liguori, Apparecchio alla morte, ovvero Considerazioni sulle verità eterne. Utili a tutti per meditare e ai sacerdoti per predicare, ed. Paolo Arrigo Orlandi, Milano 1995, 237f. Anm. 2.
  6. Schragen. Helmzier: über gekröntem Helm zwei Bockshörner.
  7. Vgl. nrr. 436, 441, 443, 450, 461; s. a. Einl. Kap. 5.4, LXXXVIII.
  8. Vgl. auch zu den folgenden Angaben Bartmann, Kirchenpolitik (1535–1622) 256f.
  9. Vgl. zum Bastardbalken Oswald, Lexikon der Heraldik 56.
  10. Vgl. Ruf, Beiträge 7; zur Oberbadischen Okkupation vgl. Einl. Kap. 2, XVIIIf.
  11. Zu den übrigen Geschlechtern von Baden vgl. Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 1, 27–32.
  12. Vgl. auch zu den folgenden Angaben Bartmann, Kirchenpolitik (1535–1622) 236f. mit Anm. 55.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 428 nr. 24.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 54v nr. XXIV.
  3. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 122v.
  4. Kdm. Baden-Baden 216 nr. 2.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 462 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0046202.