Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 427 Bühl-Kappelwindeck, Städtischer Friedhof 1605

Beschreibung

Kruzifix. Ehemals an unbestimmter Stelle des Friedhofsgeländes. Im Jahre 1856 durch ein Duplikat ersetzt.1 Damals wurde das Original am Feldweg von Bühl nach Affental aufgestellt, an „der vierten Station, wo bei der am Christi Himmelfahrtsfeste üblichen Bannprozession nach altem Herkommen gehalten wird.“1 1907 von dort wieder zurückversetzt.2 Seither im westlichen Friedhofsbereich nördlich der Alban-Stolz-Kapelle. Bei der Aufstellung hat man den unteren Abschnitt des Kreuzstammes ersetzt, verlängert und in einem quaderförmigen Postament verankert.3 Sandstein. Auf der Ostseite des Kreuzes die vollplastisch ausgehauene Figur des Gekreuzigten. Über dem Haupt ein vertikal entrolltes Schriftband mit dem eingemeißelten Kreuztitulus (A). Auf dem unteren, sich etwas verbreiternden Kreuzstammabschnitt ein reliefiertes Rundmedaillon, das einen Wappenschild umschließt. Auf dem Reif der links einsetzende und im Uhrzeigersinn eingemeißelte Name des Wappenführers (B). Darunter befanden sich ehemals noch zwei Initialen (C),4 die mit der Erneuerung des unteren Stammabschnitts abhanden kamen. Auf der Westseite über dem Kreuzungsfeld das Stz. nr. 50, überhöht von der kaum noch erkennbaren Jahreszahl (D). Von einem angeblich hier ebenfalls ausgeführten „bretzelförmigen Zeichen“ ist heute nichts mehr wahrnehmbar.4 Vermutlich ist es identisch mit den stark verwitterten Namensinitialen (E), die das Stz. auf etwas erniedrigter Grundlinie flankieren. Auf dem Kreuzbalken der zeilenweise eingemeißelte Weihevermerk (F).

Inschrift (C) nach Reinfried, Bühler Friedhof II.

Maße: H. 269,5 B. ca. 90, Bu. ca. 5 (A), ca. 4 (B), 2 cm (D, E).

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. A

    INRI6)

  2. B

    IOHANES · LANṆGa) · ṢC̣[HV]LTHEIS ·

  3. C†

    C I

  4. D

    1̣6̣0̣5̣

  5. E

    Ḷ // Gb)

  6. F

    · ANNO · DOMINI · 1 · 5c) · 7 · 2 · / DEN · 17 · DAG · APRILLISd) IST / DISER GOTTSACKERe) · GEWEICHTf) / WORDENg)

Wappen:
Lang.7

Kommentar

Die Buchstaben der noch deutlich erkennbaren Inschriften (A), (B) und (F) zeigen annähernd dieselben Gestaltungsmerkmale. Ihre Kerben sind gleichbleibend schmal geschlagen. Der obere Bogenabschnitt des G endet rechts oberhalb der Cauda. Der Mittelteil des konischen M reicht etwa bis zur Zeilenmitte. Die verschieden geformte Cauda des R ist in der Regel weit ausgestellt und trifft unabhängig vom Bogen auf den Schaft. Als Worttrenner dienen Punkte oder paragraphzeichenförmige Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Die Schriftmerkmale und das Steinmetzzeichen bezeugen, daß das Kreuz von demselben unbekannten Steinmetzen gefertigt wurde, der auch die Grabmäler für Georg Kentner (gest. 1602?), Johann Schlude (gest. 1606), Friedrich Kraft von Dellmensingen (gest. 1606) und für einen Unbekannten (A. 17. Jh.) schuf.8 Hingegen weist die Grabplatte für die Lichtenthaler Äbtissin Barbara Veus (gest. 1597) zwar auch das gleiche Steinmetzzeichen auf,9 doch scheint deren Inschrift von anderer Hand geschlagen, der auch die Grabschriften für Anna Alexandra von Fleckenstein und Bernhardt Hauser zuzuordnen sind.10

Das Kreuz erinnert an die Einweihung des neuen Bühler Gottesackers im Jahre 1572, der auf der Gemarkung von Kappelwindeck liegt und seither beiden Gemeinden als Begräbnisplatz dient.11 Damals war der ältere Friedhof an der Bühler Pfarrkirche zu klein geworden. Das Kruzifix selbst und sämtliche darauf befindlichen Inschriften stammen offenbar erst aus dem Jahre 1605, wie aus der Jahreszahl (D), dem Stz. nr. 50 und dem Stifternamen hervorgeht. Johannes Lang läßt sich erst ab 1596 nachweisen.12 Er versah seinen Dienst als Bühler Schultheiß offenbar bis 1631, wobei allerdings nicht sicher ist, ob in den Quellen ab einer gewissen Zeit auch ein gleichnamiger Sohn gemeint sein könnte. Lang war offenbar Schlosser von Beruf und hatte sein Haus an der Hauptstraße von Bühl. Für das Jahr 1601 ist er außerdem als markgräflich badischer Amtsverweser bezeugt. Zusätzlich stand er als Schaffner in den Diensten der Freiherren von Stein zu Neuweier. Nach einem Eintrag im Anniversar des Klosters Allerheiligen (Stadt Oppenau, Ortenaukreis), wo sein Sohn Friedrich 1644 die Profeß ablegte, starb Johannes Lang an einem 16. April.13 Sein Wappen zu Füßen des Gekreuzigten läßt keinen Zweifel daran, daß er hier nicht nur als Amtsträger, sondern vor allem als Stifter des Friedhofskreuzes genannt wird.

Textkritischer Apparat

  1. Danach ein nicht mehr identifizierbares Zeichen, möglicherweise ein florales Zierelement.
  2. L // G] Die Lesung des L äußerst unsicher. Unterbrechung durch das von oben hineinragende Stz. Vielleicht ergeben die Kerben (Beschädigungen?) zwischen den Buchstaben den Namen: LANG, wobei A und N etwas kleiner ausgeführt wären.
  3. Die 5 rechtsgewendet.
  4. Das zweite L etwas kleiner ausgeführt und über den Balken des ersten gestellt.
  5. Das zweite T kleiner ausgeführt und unter den rechten Balkenabschnitt des voranstehenden T gestellt.
  6. Das C etwas kleiner unter einem offenbar verschlagenen oberen Bogenabschnitt.
  7. Das Wort bereits im Bereich des Kreuzstammes.

Anmerkungen

  1. Vgl. Reinfried, Stadtpfarrkirche Bühl 8 Anm. 2.
  2. Auf der Ostseite des Postaments ist in einem Bogenfeld eingemeißelt: + / Jm / Kreuz ist Heil. Auf dem Sockel darunter: Errichtet im Jahre 1572 zur Erinnerung / an die Einweihung des Gottesackers. / Renoviert im Jahre 1907.
  3. Die Bruchstelle zwischen dem oberen, originalen Kreuzstammabschnitt und dem unteren Ersatzstück ist deutlich erkennbar.
  4. Vgl. Reinfried, Bühler Friedhof II, o. S.
  5. Länge des Kreuzstammes einschließlich des neu angesetzten Abschnitts bis zum Postament.
  6. Io 19,19.
  7. Ein vierblättriges, gestieltes Kleeblatt, überdeckt von einem schräglinks gestellten Schlüssel.
  8. Vgl. nrr. 417, 422, 434, 435.
  9. Vgl. nr. 404.
  10. Vgl. nrr. 390, 458; s. a. Einl. Kap. 5.4, LXXXVIIf.
  11. Vgl. Regesten von Windeck 224 nr. 831; Reinfried, Bühler Friedhof I, o. S., hier unter Berufung auf das Bühler Amtslagerbuch von 1598, in dem die Einrichtung des neuen Gottesackers „ungefährlich vor zwanzig Jaren“ bezeugt wird. S. a. Schleh, Geschichte 5.
  12. 12 Vgl. auch zu den folgenden Angaben Gartner, Gemarkung 26; Reinfried, Geschichte Bühl 83, 86f.; Reinfried, Bühler Friedhof II, o. S. S. a. Gartner, Bühl 58; Gerke, Personalchronik 143.
  13. Vgl. Reinfried, Bühler Friedhof II, o. S.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe N Mone 111, Mone, Aufzeichnungen Büllot, fol. 108r (nur B, aufgezeichnet von Karl Reinfried).
  2. Reinfried, Stadt- u. Pfarrgemeinde Bühl 104 (nur B, D, F).
  3. Reinfried, Stadtpfarrkirche Bühl 8 (nur B, D, F).
  4. Reinfried, Geschichte Bühl 40 (nur B, D, F).
  5. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/56b, Fragebögen (1882), Antwortschreiben des Pfarramtes Bühl (Verf. Pfarrverweser Ferdinand Hundt), Beilage, o. S. (nur F).
  6. Reinfried, Bühler Friedhof II, o. S. (nur B–D, F).
  7. Fischer, Pfarrchronik 15 (nur B, D, F).
  8. Reinfried, Kondominat 106 (nur F).
  9. Otto Gerke, Geschichte von Bühl in Baden. II. Teil: Die Stadt Bühl, in: Geschichte der Stadt Bühl in Baden, hg. v. Otto Gerke, Offenburg 1936, 25–60, hier 44 (F unvollst.).
  10. Stadtgesch. Inst. Bühl So 53, Schleh, Geschichte Bühl 86f. (Abb.).
  11. Scholl, Zeugen der Zeit 69 (Abb. 41).
  12. Gartner/Hall, Kappelwindeck 141 (Abb. 54).
  13. Stadtgesch. Inst. Bühl Sg 100, Falk, Grab- u. Gedenksteine, fol. 10r Sig. 15.b.3.17 (nur B, D, E).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 427 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0042703.