Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 389 Moos (Stadt Bühl), kath. Pfarrkirche St. Dionys 1591

Beschreibung

Abendmahlskelch. Ursprünglich wohl aus dem Kloster Schwarzach.1 Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Kirche zu Moos bezeugt,2 um 1966 zeitweilig im Kloster Lichtenthal.3 Silber, gegossen, getrieben, graviert, vergoldet. Der relativ flache Fuß ist in sechs Pässe gegliedert, deren Konturen von einfachen Gravurlinien umrandet sind. Drei Pässe tragen je ein graviertes Medaillon. Im mittleren ein Weihekreuz, dessen Arme rautenförmig enden; in den Medaillons links und rechts davon zwei Vollwappen. Die Zarge ist mit einem getriebenen Scheibenfries verziert. Auf der Oberseite des Stehrandes sind vor dem Weihekreuz das Speyerer Beschau-4 und ein unkenntliches Meisterzeichen, auf dem Abschnitt des gegenüberliegenden Passes eine kleine 8 eingepunzt. Die Unterseite des Stehrandes ist mit der umlaufenden Stifterinschrift (A) versehen. Davon sind zahlreiche Buchstaben durch Abrieb verloren; die übrigen offenbar von zweiter Hand nachgezogen. Auf der Innenseite der Zarge die offenbar erst nachträglich eingeritzte Gewichtsangabe W(icht) 1274. Auf der Unterseite eines Fußpasses in der Mitte die kaum sichtbaren Initialen RVI5. Der Anlauf steigt erst in der Mitte des Fußes steil an. Der sechskantige Schaft hält einen flachen Knauf, der oben und unten durch sechs getriebene Zungen untergliedert ist. Deren Binnenfelder sind mit gravierten Mustern aus übereinandergelegten Sparren bzw. Sturzsparren verziert. Am Rand sitzen sechs rautenförmige Rotuln, die je einen Buchstaben der Inschrift (B) tragen. Am äußeren Lippenrand der becherförmigen Kuppa eine querrechteckige Punze mit einem Halbmond und der Angabe des Silbergehaltes 800. Sämtliche Inschriften eingraviert.

Maße: H. 20, Dm. 14, Bu. 0,5 (A), 0,4 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

  1. A

    ANNO · / DVṂ[INI]a) 1591 ·b) / BEATVS MOSES · / I(VRIS) · V(TRIVSQVE) · Ḍ(OCTOR) [SE]XPṚ[AEB]END(ARIVS)c) · / IN · S[PIRITVA]Ḷ[I]ḄVSd) · / VICARIV[S SP]IREN(SIS)e) · / G(E)N(ER)A[LIS]f)

  2. B

    I//H//E//S//V//S

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1591 Beatus Moses, Doktor beider Rechte, Sechspfründner und Generalvikar in geistlichen Angelegenheiten zu Speier.

Wappen:
Moses6, unbekannt7.

Kommentar

Die Buchstabenbestandteile sind gleichbleibend schmal eingraviert. Nur wenige Schäfte, z. B. in I, R und V, wurden doppelt gezogen und die Bogenabschnitte des S teilweise in Halbkontur wiedergegeben. Der Mittelteil des leicht konischen M bleibt auf die obere Zeilenhälfte begrenzt. Die Cauda des R ist gewölbt und weit ausgestellt. Die Schrägschäfte des V sind überwiegend nach innen eingebogen. Der rechtsschräg gestellte Balken der 5 setzt am oberen Bogenende an, die 9 ist offen. Die Schäfte werden von waagerechten, die Balken überwiegend von senkrechten und die Bögen von rechtwinklig anliegenden Sporen begrenzt. Als Worttrenner dienen kleine Kreise auf halber Zeilenhöhe.

Beatus Moses war an der Universität Freiburg8 zum Doktor beider Rechte promoviert worden, bevor er als Sexpräbendar des Speyerer Doms am 21. Dezember 1571 unter Bischof Marquard von Hattstein zum Generalvikar berufen wurde.9 Der Nachfolger Bischof Eberhard von Dienheim erneuerte Moses’ Bestallung, in der er noch bis 1602 nachweisbar ist.10 Danach war er zumindest bis 1625 Prokurator am Reichskammergericht.11 Im Jahre 1627 vertrat er die Abtei Schwarzach in einer Streitsache gegen Straßburg.12 Da das Hochstift Speyer bis zum Ende des Alten Reiches die Lehnshoheit über die Abtei innehatte,13 könnte es durchaus sein, daß Moses bereits zuvor persönliche Beziehungen zum Kloster unterhielt und 1591 zu dessen Ausstattung beitrug.14 Nachdem der Abtei Schwarzach in den achziger Jahren des 16. Jahrhunderts in den Auseinandersetzungen mit Markgraf Philipp II. von Baden-Baden die Auflösung gedroht hatte, nahm sie unter dem 1590 gewählten Abt Georg Dölzer einen neuen Aufschwung.15

Textkritischer Apparat

  1. So für DOM[INI]. Vom M nur noch ein senkrechter Schaft zu erkennen. Statt des D zunächst ein L geschrieben.
  2. Vierblättriges Blütenornament.
  3. I(VRIS) · V(TRIVSQVE) · D(OCTOR) [SE]XPR[AEB]END(ARIVS)] Das P durchkreuzen zwei schräggekreuzte Striche, die offenbar nachträglich eingefügt wurden, um in Unkenntnis des tatsächlichen Wortlauts ein Christusmonogramm auszuführen. Der Schrägschaft des N ist mit einem kleinen Nodus versehen. Ergänzung nach Befund und Tatbestand, vgl. Kommentar. Ohne Kürzungszeichen. IVDEX Reinfried, Zur Geschichte.
  4. Ergänzung nach Reinfried, Zur Geschichte. Vom B nur noch der untere Bogen sichtbar.
  5. Vom I nur noch das untere Schaftende erkennbar. Abkürzung durch Doppelpunkt.
  6. Nach dem Wortende wäre noch Platz für etwa drei weitere Buchstaben. Es sind jedoch keine Schriftreste erkennbar.

Anmerkungen

  1. Vgl. Hirth (wie unten); Reinfried, Zur Geschichte (wie unten) 129 Anm. 2. Harbrecht berichtet ohne genauen Quellennachweis, der Speyerer Domkapitular Beatus Moses habe den Kelch dem Schwarzacher Abt Georg Dölzer zu dessen Abtsweihe geschenkt, vgl. Harbrecht, Reichsabtei Schwarzach (1952) 22.
  2. Erstmals durch Fridegar Mone bezeugt, vgl. GLA Karlsruhe N Mone 111, Mone (wie unten).
  3. Vgl. M. Mafalda Baur, Schwarzacher Kunstwerke im Kloster Lichtenthal, in: Die Ortenau 46 (1966) 188–195, hier 195.
  4. Vgl. Rosenberg, Merkzeichen, Bd. 3, 313 nr. 4557.
  5. Das V klein unter die Cauda des R gestellt. Derzeit nicht auflösbar.
  6. Ein aus einem Dreiberg hervorwachsender Moses, der in der Linken einen Stab hält. Helmzier: über Helmwulst die Wappenfigur.
  7. Ein sechsstrahliger Stern, unten begleitet von einem liegenden Halbmond, oben von einer liegenden Pfauenfeder. Helmzier: über Helmwulst ein liegender Halbmond, überhöht von einem Stern (undeutlich) und schräg flankiert von zwei Pfauenfedern.
  8. Er wurde im Juni 1556 immatrikuliert, vgl. Matrikel Freiburg, Bd. 1, 418 nr. 38.
  9. Vgl. Dienerbücher Speyer 127 nr. 1180; Remling, Geschichte, Bd. 2, 372, 377, 399, 406. Der Begriff Sexpräbendar bezeichnet einen Angehörigen der zweiten Pfründnerklasse am Speyerer Dom, die aus sechs bürgerlichen Mitgliedern bestand, vgl. Wetzer u. Welte’s Kirchenlexikon, Bd. 11, Sp. 792; Franz Josef Mone, Organisation der Stiftskirchen. Vom 12. bis 16. Jahrhundert, in: ZGO 21 (1868) 1–34, hier 13.
  10. Vgl. Remling, Geschichte, Bd. 2, 410. Siehe zum Bischof auch Ludwig Stamer, Kirchengeschichte der Pfalz, T. 3, H. 1: Das Zeitalter der Reformation (1556–1685), Speyer 1955, 89–107.
  11. Vgl. HStA Düsseldorf 5982–AA002 (1616), 6053–AA002 (1616), 6055–AA002 (1621), 6121–AA002 (1623), 6192–AA002 (1625), Reichskammergericht, Teil 9: U–Z.
  12. Vgl. Gerettete Wahrheit, Bd. 2, 346 nr. 311 zu § 357; Reinfried, Zur Geschichte (wie unten) 129 Anm. 2.
  13. Vgl. Landkreis Rastatt, Bd. 2, 447; Kurt Andermann, Das Lehnwesen des Klosters Schwarzach am Rhein, in: ZGO 147 (1999) 193–211, hier 196.
  14. Vgl. zur Annahme, der Kelch sei ein Geschenk an Abt Georg Dölzer gewesen, Harbrecht (wie Anm. 1).
  15. Vgl. zum Kloster Schwarzach Einl. Kap. 2.1, XXXI–XXXIII; Benediktinerklöster 574–588, hier 577f. Siehe hierzu auch Remling, Geschichte, Bd. 2, 415 Anm. 1263. Zu Abt Georg Dölzer vgl. nr. 483.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe N Mone 111, Mone, Aufzeichnungen Büllot, fol. 127r (nur A).
  2. Karl Reinfried, Zur Geschichte des Gebietes der ehemaligen Abtei Schwarzach am Rhein, in: FDA 22 (1892) 41–142, hier 129.
  3. Karl Reinfried, Geschichtlicher Überblick über das Landkapitel Ottersweier und dessen Pfarreien, in: Oberrheinisches Pastoralblatt 2 (1900) 9–84, hier 35 (erw.).
  4. Hirth, Heimatbuch Greffern, T. 3, 49 (Abb.), 50 (nur A, unvollst.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 389 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0038905.