Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 387 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Schulgebäude 1591

Beschreibung

Epitaph für Wolfgang Digel, Abt des Klosters Marienthal in Stürzelbronn (Lothringen, dép. Moselle). Ursprünglicher Standort unbekannt. Angeblich erst 1730 im südlichen Langhausbereich der Fürstenkapelle neben der Grabplatte für Markgraf Rudolf III. von Baden im Boden verlegt.1 Im Zuge der Restaurierung der Kapelle in den Jahren 1829/32 auf Anordnung Franz Josef Herrs gehoben und außerhalb des Gebäudes aufgestellt.2 Der derzeitige Standort außen an der Westwand der Schule erstmals 1936 bezeugt.3 Hier steht die Platte aufrecht auf einem Sockel und wird oben durch eine vorkragende Deckplatte geschützt. Sandstein. In der oberen Hälfte ein hochrechteckiges, eingetieftes und von einer Profilleiste gerahmtes Feld. Darin der reliefierte Wappenschild. Im unteren Bereich der zeilenweise eingemeißelte Sterbevermerk mit Grabbezeugung und Fürbitte. Auf der verbleibenden Fläche zwischen Text und Sockel die auf dem Kopf stehende Zahl 20. nach Herrs Numerierungssystem.4

Maße: H. 206, B. 75, Bu. 5,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Baden-Baden [1/1]

  1. ANNO DO[MINI 15]a) · 91 / DVODECIMA DIE ME=/NSIS IVNIJ OBIJT / REVERENDVS IN CH=/RISTO PATER DOMI=/NVS WOLFFGANVSb) / DIGEL VALLIS · S(ANCTAE)c) · / MARIAE IN STVRTZ=/ELBRVN5) ABBAS SE=/PVLTVS IN CIRCVITVd) / ANTE CAPITVLAMe) / CVIVS ANIMA REG=/VIESCATf) IN PACE

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1591, am zwölften Tag des Monats Juni starb der ehrwürdige Vater in Christus, Herr Wolfgang Digel, Abt von Marienthal6 in Stürzelbronn. Er ist im Wandelgang vor dem Kapitelsaal begraben. Dessen Seele möge in Frieden ruhen.

Wappen:
Digel.7

Kommentar

Die Schrift zeigt deutliche Linksschrägen- und leichte Bogenverstärkungen. Die Buchstaben sind überwiegend mit Sporen versehen. Das C ist halbkreisförmig, das O zum Teil spitzoval und das Z zweistöckig. Der Mittelteil des geraden M bleibt auf den oberen Zeilenbereich begrenzt. Die Cauda des R ist geschwungen, weit ausgestellt und unter die Grundlinie geführt. Als Worttrenner dienen einzelne, als Abtrennungszeichen zwei senkrecht übereinandergesetzte Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Wolfgang Digel wurde 1576 zum Abt des Zisterzienserklosters Stürzelbronn in Lothringen (dép. Moselle) gewählt und in dieser Funktion 1578 vom Generalkapitel approbiert.8 Zu dieser Zeit befand sich das Kloster im Brennpunkt der Erbstreitigkeiten zwischen Herzog Karl II. von Lothringen und Graf Philipp V. von Hanau-Lichtenberg, der als Schwiegersohn des 1570 verstorbenen Grafen Jakob von Zweibrücken-Bitsch die Einführung der Reformation durchzusetzen versuchte und zunächst auf seiner Anerkennung als Erbvogt der Abtei bestand.9 Im Zuge der längerfristigen Auseinandersetzungen wurde Digel aus unbekannten Gründen abgesetzt und vertrieben.10 Nachdem er sich zunächst nach Weißenburg (Elsaß, dép. Bas-Rhin) gewandt hatte,10 suchte er später in Lichtenthal Zuflucht, wo er 1591 verstarb.11 Wolfgang Digel wurde vor dem älteren Kapitelsaal begraben.12 Da die Inschrift den Bestattungsort genauer beschreibt, wird es sich bei dem Grabmal nicht um die Grabplatte, sondern um das ehemals etwas entfernt davon aufgestellte Epitaph handeln.

Textkritischer Apparat

  1. Hier die Oberfläche der Platte beschädigt. Ergänzung nach Herr.
  2. So für WOLFFGANGVS.
  3. Als Kürzungszeichen fungiert vermutlich das nachgesetzte Trennzeichen.
  4. Das zweite V etwas kleiner ausgeführt und unter den rechten Abschnitt des T-Balkens gestellt.
  5. So für CAPITVLVM.
  6. So für REQ=/VIESCAT.

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Lokalisierung GLA Karlsruhe G Lichtenthal nr. 2, Grundriß Fürstenkapelle nr. 20, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 515 (Abb. 421). Zum Zeitpunkt der Verlegung im Boden der Fürstenkapelle vgl. Kaiser (wie unten) 149.
  2. Vgl. Krimm, Fürstenkapelle 155 mit Anm. 23.
  3. Vgl. Kaiser (wie unten) 149.
  4. Zu F. J. Herrs Numerierung der Lichtenthaler Grabmäler 1803/04 vgl. GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 5.
  5. Kloster Marienthal in Stürzelbronn, heute Sturzelbronn (Lothringen, dép. Moselle).
  6. Wörtl.: Abt des Tales der heiligen Maria.
  7. Ein beschlagenes und bebandetes Jagdhorn, schräg hinterlegt von einem Abtsstab, das Ganze in der Mitte überdeckt von einer Quaste.
  8. Vgl. Kaiser (wie unten) 149. Zur Abtei Stürzelbronn s. a. Felix Schneider, Die Schreckenstage der Cistercienser-Abtei Stürzelbronn, in: ders., Beiträge zur Chronik von Reichshofen (…) (Monographien Elsässischer Ortschaften 2), Straßburg [1938], 113–122.
  9. Vgl. Kaiser (wie unten) 107–114, 119.
  10. Vgl. Bernhart Hertzog, Chronicon Alsatiae. Edelsasser Cronick vnnd außfürliche beschreibung des vntern Elsasses am Rheinstrom (…), Straßburg 1592, Bd. 3, 51: „Wolffgangus Digel, diser Abt ist ohn vorwissen seins Conuents in Lotringen abgesetzt, vnd ein newer Welscher Abt an sein statt in das Closter gesetz worden. Dieweil aber hiedurch dem Convent wider jre Keyserlichen Freyheiten, ihre Wahlen abgestrickt, haben sie sich darwider gesetzt, der Abt sich gehn Weissenburg vnn die Conventuales gehn Hagenaw in die Höff gethon.“
  11. Im Nekrolog ist als Sterbetag der 13. Mai angegeben, vgl. GLA Karlsruhe 64/47, Nekrolog Lichtenthal III, fol. 9v.
  12. Seit der Versetzung des Konventgebäudes, das zwischen 1728 und 1731 von Peter Thumb etwa 4 m (ein Joch) weiter westlich errichtet wurde, befindet sich das Grab unter dem neuen Kapitelsaal, vgl. Kdm. Baden-Baden 430; KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar (wie unten). Zur Errichtung des neuen Konventgebäudes allg. vgl. Stober, Baugeschichte 100–107.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 36f. nr. 20.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Lichtenthal, fol. 22v nr. 20.
  3. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 195r.
  4. Jean B. Kaiser, Die Abtei Stürzelbronn (Schriften der Elsass-Lothringischen Wissenschaftlichen Gesellschaft, Reihe A, Alsatica und Lotharingica, Bd. 19), Heidelberg 1936, 16 (Abb.), 150.
  5. Kdm. Baden-Baden 518 nr. 5.
  6. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 1: Klosterkirche mit Ausstattung, Hochaltar, fol. 91r (Abb.).
  7. KA Lichtenthal, Krupp, Inventar, Bd.: Äußerer Bereich 11, Grabmäler, o. S.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 387 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0038704.