Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 374 Basel (CH), Historisches Museum Basel (Depot) 1580

Beschreibung

Flügelaltärchen.1 Im Kloster Lichtenthal letztmalig in einem undatierten, aber offenbar aus dem einsetzenden 19. Jahrhundert stammenden Katalog des Antiquitätenkabinetts bezeugt: „Ein Stubenaltärchen, der inneren Bilder beraubt, mit wohlerhaltener Malerei, die hl. Barbara und Margaretha darstellend vom Jahre 1580.“2 Der Zeitpunkt der späteren Veräußerung ist unbekannt. 1898 von Dr. August Rittmann dem Historischen Museum Basel geschenkt.3 1947 der Christkatholischen Kirche Basel-Stadt als Leihgabe übergeben und in der Predigerkirche aufgestellt.3 Von den vier damals im Schrein befindlichen Schnitzfiguren einer Epiphaniasszene wurden am 17. Juni 1960 die Muttergottes und am 30. Mai 1965 die Hl. Drei Könige entwendet, so daß das Retabel heute erneut keine Figuren mehr birgt.4 Am 6. Februar 1987 erfolgte zwecks Inventarisierung der Rücktransport in das Depot des Historischen Museums Basel, wo es sich seither befindet.5 Holz. Flügelaußenseiten und Predella in Wismutmalerei, Flügelinnenseiten und Schrein in Ölmalerei, die wesentlich jünger ist.6

Auf der Außenseite des linken Flügels die Darstellung des Martyriums der hl. Barbara. Über der Szene ein entrolltes Schriftband mit Bildtitel und Jahreszahl (A). Auf dem rechten Flügel die Darstellung der hl. Margareta mit dem gebändigten Drachen zu ihren Füßen. Über ihr ebenfalls ein entrolltes Schriftband mit Bildtitel und Jahreszahl (B). Der ehemals silbern schillernde Hintergrund beider Szenen ist mit Blüten übersät, zwischen denen auch einige Vögel erscheinen. Der geöffnete Schrein zeigt unter einem plastisch vorgesetzten und scheinbar gemauerten Flachbogen eine aus späterer Zeit (18. Jahrhundert?) stammende Stadtsilhouette (Bethlehem?). Im rechten Bildvordergrund ein gemalter Turm, an den eine das untere Blickfeld verdeckende Mauer anschließt. Davor waren die offenbar nicht originalen Schnitzfiguren der Heiligen Drei Könige und der Muttergottes aufgestellt. Die Flügelinnenseiten sind ähnlich wie der Schrein gestaltet: Zwei plastisch ausgeführte Rundbogennischen, in denen wohl ursprünglich Figuren standen. Im Hintergrund gemalte hügelige Landschaften, die unten durch ruinöse Mauern perspektivisch halb verdeckt sind. Auf der deutlich schmaleren und an den Seiten tief gekehlten Predella ein gemaltes Vollwappen vor damasziertem Hintergrund. Die Helmzier wird von zwei kleineren Schriftbändern mit der Stifterinschrift und der Jahreszahl (C) flankiert. Sämtliche Inschriften sind in Schwarz auf weißem Grund ausgeführt und offenbar überarbeitet. Auch die Malereien sind stellenweise stark retuschiert. Die Predella ist gegenwärtig nicht mit dem Schrein verbunden.

Maße: H. 66,5, B. 62, Bu. 1,5 (A), 1,3 (B), 0,5–0,7 (C), Zi. 0,5–1,5 (A), 0,2–0,3 (B), 0,3 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Historisches Museum Basel [1/11]

  1. A

    · SANT · BARBARA · 1580a)

  2. B

    · SANT · MARGRETAb) / . 1 . 5 . 80 .c)

  3. C

    · BARBARA · //d) · FEISIN · 1580e)

Wappen:
Veus.7

Kommentar

Die qualitativen Mängel der Inschriften verleiten dazu, ihre Originalität in Frage zu stellen. Scheinen doch die merkwürdige Verteilung von Text und Jahreszahlen auf den einzelnen Schriftbändern, die willkürlichen Größenunterschiede und die zahlreichen unsauber gezogenen Buchstaben- bzw. Ziffernränder auf eine nachträgliche, unprofessionelle Wiederherstellung hinzudeuten. Da die Grundfarbe innerhalb der Schriftbänder stärker abblättert als auf den übrigen Flächen, entsteht der Eindruck, als ob die Inschriften nach altem Vorbild vollständig erneuert wurden. Dem widerspricht allerdings die letzte technologische Untersuchung des Historischen Museums Basel, die aufgrund von gleichartigen Alterungserscheinungen sämtliche Inschriften für ursprünglich erklärt und in das Jahr 1580 datiert.8 Dieser Befund erstaunt vor allem aufgrund der kostenintensiven Wismutmalerei, die man kaum mit der mangelhaften Schriftqualität in einen zeitlichen Zusammenhang stellen möchte. Doch stehen keine stichhaltigen Einwände entgegen, zumal sich die Formen der Buchstaben und Ziffern mit dieser Zeitstellung durchaus vereinbaren lassen: Das A hat einen gebrochenen Mittel- und einen beiderseits überstehenden Deckbalken, der ebenso wie der T-Balken mit schräg angesetzten Sporen ausgestattet ist. Der Mittelteil des geraden M endet etwa auf halber Zeilenhöhe. Das N ist in (A) und (C) retrograd wiedergegeben, sein Schrägschaft stets als Haarlinie ausgeführt. Der Bogen des R ist relativ klein, die Cauda gewölbt. Der Schaft der 1 endet oben in einem Quadrangel. Er ist unten gespalten und beiderseits verschieden stark nach oben umgebogen. Die 5 ist schräggestellt, ihr Bogen eingerollt. Die kreisrunde 0 ist kleiner ausgeführt und in den oberen Zeilenbereich gerückt. Als Worttrenner dienen teilweise konturierte Quadrangel mit vier an den Ecken ansetzenden Zierstrichen.

Die Technik der Wismutmalerei wurde im südlichen Deutschland nur an wenigen Orten praktiziert.9 Eine der dem Kloster Lichtenthal am nächsten gelegenen Werkstätten befand sich in Wildbad (Lkr. Calw).9 Ihr wurde deshalb das Retabel bisher zugewiesen.9 Allerdings kommt wohl eher noch die Stadt Baden als Entstehungsort in Betracht, denn in einem Lehrbrief vom 24. August 1595 für den aus Wildbad stammenden Flach- und Ladenmaler Wolff Mezler sind zumindest zwei Meister dieses Handwerks bezeugt, die hier ansässig waren: Jakob Kettler (gest. 1575) und Erhart Weber (gest. nach 1595).10

Äbtissin Barbara Veus stand dem Kloster von 1551 bis 1597 vor.11 Von ihrem Kunstsinn zeugen neben dem Altärchen, das in Anbetracht seiner geringen Ausmaße sicher der privaten Andacht diente, noch einige von ihr selbst erstellte liturgische Handschriften sowie ein Bildstock.12

Textkritischer Apparat

  1. Die Farbe der letzten zwei Ziffern ist stärker verblaßt als die restliche Inschrift.
  2. Der letzte Buchstabe stärker beschädigt. Danach die weiße Grundfarbe vollständig abgeblättert.
  3. Die Jahreszahl klein in die Mitte des Schriftbandes gesetzt.
  4. Ab hier Fortsetzung der Inschrift auf dem rechten Schriftband.
  5. Die Jahreszahl klein auf halber Zeilenhöhe.

Anmerkungen

  1. Inv.-nr. 1898/284. Auf der Rückwand des Retabels die falsche Inv.-nr. 1913.520.
  2. KA Lichtenthal 38 Fach 23, Katalog zum Antiquitätenkabinett, o. S. nr. 30.
  3. Vgl. Historisches Museum Basel, Akte zu Inv.-nr. 1898/284, Inventarkarte.
  4. Vgl. ebd. Das damalige Figurenprogramm ist durch ein Photo dokumentiert, vgl. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, o. Neg.-nr. (Rubrik: Kloster Lichtenthal).
  5. Vgl. zur Datierung Historisches Museum Basel, Akte zu Inv.-nr. 1898/284, Brief des Pfarrers Fritz René Müller (Christkath. Kirche Basel-Stadt) an Dr. Ackermann (Direktion des Historischen Museums Basel) vom 13.5.1987; Brief des Konservators Dr. B. von Roda (Historisches Museum Basel) an den Pfarrer F. R. Müller (Christkath. Kirche Basel-Stadt) vom 15.8.1988.
  6. Vgl. Historisches Museum Basel, Akte zu Inv.-nr. 1898/284, Zustandprotokoll v. 1994/95, angefertigt v. Bernadette Petitpierre Widmer. Zur jüngeren Datierung der Flügelinnenseiten vgl. Historisches Museum Basel, Akte zu Inv.-nr. 1898/284, Technologischer (Teil-)Befund, angefertigt v. Anna Bartl, Januar 2006, o. S.
  7. Vgl. Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 1, 343. Hier in Gold ein aus einem roten Dreiberg hervorwachsender silberner (?), rotgezungter und von einem Pfeil schräg durchbohrter Hirschrumpf. Das Wappenbild auch als Helmzier, jedoch ohne den Dreiberg. Die Tinkturen offenbar nicht original.
  8. Vgl. Historisches Museum Basel, Akte zu Inv.-nr. 1898/284, Technologischer (Teil-)Befund, angefertigt v. Anna Bartl, Januar 2006, o. S.
  9. Vgl. 750 Jahre Lichtenthal (wie unten).
  10. Vgl. Horst Appuhn, Kleine Kästen mit Malerei auf Wismutgrund, in: Renaissance, Bd. 2, 791–794, hier 792f. (Abb. P 6).
  11. Vgl. zu Barbara Veus nr. 404.
  12. Vgl. nr. 406 und 750 Jahre Lichtenthal 310 nr. 160.

Nachweise

  1. KA Lichtenthal 38 Fach 23, Katalog zum Antiquitätenkabinett, o. S. nr. 30 (erw.).
  2. Historisches Museum Basel, Photoarchiv, Neg.-nr. 2836.
  3. Historisches Museum Basel, Akte zu Inv.-nr. 1898/284, Inventarkarte.
  4. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, o. Neg.-nr. (Gesamtaufnahmen mit Figuren).
  5. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 8: Plastik, fol. 46r–47r (Gesamtaufnahmen mit Figuren, 1939).
  6. Kdm. Baden-Baden 418 (erw.), 499 (nur C).
  7. 750 Jahre Lichtenthal 308f. nr. 157 (Abb. 157).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 374 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0037407.