Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 371† Baden-Baden, Neues Schloß, Palas 1577?–79, 1579–1588, 1588–1594,1579–1594, 1622 oder später

Beschreibung

Wand- und Deckenmalereien von Tobias und Abel Stimmer im Fürstensaal des Palas. Im zweiten Obergeschoß auf der Ostseite südlich des Treppenhauses.1 Öl (?) auf Leinwand.2 Die Ausmalung wurde 1689 im Zuge der Brandschatzung des Neuen Schlosses durch französische Truppen vollständig zerstört.3 Die Raumaufteilung im südlichen Bereich des zweiten Stockwerks erfuhr im 18. Jahrhundert und zuletzt unter Großherzog Leopold von Baden eine grundlegende Umgestaltung, so daß auch der Saal nicht mehr existiert.4 Im westlichen Abschnitt seiner Nordwand befand sich der Hauptzugang.5 Das kunstvoll aus Alabaster gearbeitete Gewände war mit Säulen und Emblemen geschmückt.6 Darüber die Personifikationen der Tapferkeit mit einer Lanze und des Ruhms mit Ring und Lorbeerkranz. Als Bekrönung der hl. Georg zu Pferd. Im Westen des Raumes zwei schmalere Türen nah beieinander. Die südliche und die östliche Außenwand waren offenbar mit je zwei Fenstern versehen.7 An der nordöstlichen Saalecke ein im Grundriß oktogonaler und im 3/8-Schluß aus dem aufgehenden Mauerwerk vorkragender Erker. Den zwischen den beiden östlichen Fenstern zu lokalisierenden Kamin flankierten zwei marmorne Riesenfiguren. An dessen Rahmen in Alabaster geschnitten der Gott Vulkan, wie er den Helm des Achill vor den Augen der Venus schmiedet.8 Die Decke des Saales untergliederte sich in ein großes, rechteckiges Mittelstück und vier trapezförmige, an den Wänden schräg ansetzende Randflächen.9 Sie zeigte in zwei weitgehend parallel komponierten Folgen aus 13 allegorischen Einzelbildern den tugendhaften und den lasterhaften Lebensweg (I.1–2). Im oberen Bereich der senkrechten, von einem Gesims begrenzten Wandflächen ein Fries aus ovalen Feldern mit Illustrationen zur heiligen Schrift und anderen Gleichnissen (I.3). Darunter die ganzfigurigen Bildnisse badischer Markgrafen sowie die Brustbilder der jeweils herrschenden Kaiser (II). Die übrigen Wandabschnitte, vor allem um die Fenster, waren mit Monatsbildern und Tierkreiszeichen ausgestaltet (III). Die vier fensterlosen Innenseiten des Erkers ergänzten den Markgrafenzyklus (IV. 1). Die in acht Segmente unterteilte Erkerdecke widmete sich der Herleitung der Monarchie (IV.2).

Anmerkungen

  1. Vgl. zur annähernden Lokalisierung des Saales den Erdgeschoßgrundriß des Neuen Schlosses in Kdm. Baden-Baden 236 Faltbl. II (Abb. 174).
  2. Vgl. Bucher (wie unten) 34.
  3. Vgl. Kdm. Baden-Baden 243, 246f. Zur Zerstörung der Stadt Baden vgl. Ortskernatlas Baden-Baden 24; Springer, Zerstörung 41–49; Trenkle, Zerstörung 84–102.
  4. Einen knappen Überblick zu den Baumaßnahmen nach 1689 bieten Kdm. Baden-Baden 246–248; Krieg v. Hochfelden, Schlösser 123–158. Die Maße des Saales betrugen L. 82, B. 42, H. 24 Fuß (ca. 24,60 x 12,60 x 7,20 m), vgl. Descr. Hochf. (wie unten) 166.
  5. Vgl. den Grundriß des Saales in Krieg v. Hochfelden, Schlösser, o. S. Taf. III (Fig. 3). Das Badische Landesmuseum Karlsruhe besitzt ein nach der Überlieferung angefertigtes Modell des Saales, vgl. Renaissance, Bd. 1, 135 nr. B 19.
  6. Sämtliche Nachrichten über die Saalausstattung nach Descr. Hochf. (wie unten) 176. Krieg von Hochfelden erwähnt ebd. 81, die von ihm publizierte Beschreibung finde sich sowohl in einem Ms. der Kaiserlichen Bibliothek in Wien (Titel: Serenissimorum principum Marchionum Badensium et Hochbergensium progenitores ab annis mille recensiti etc.) als auch in der Großherzoglichen Bibliothek zu Karlsruhe. Während die Hs. in der Österreichischen Nationalbibliothek (Cod. 9016) nach freundlicher Auskunft von Prof. Dr. Ernst Gamillscheg vom 17.9.2004 den Text gar nicht enthält, kann es sich bei Descr. K 27 (wie unten) aufgrund der hier fehlenden Inschrift II/D auch nicht um Kriegs Vorlage handeln. Gleiches trifft auf Descr. 65/10 (wie unten) zu, so daß diese Hs. entgegen der Angabe in Handschriften GLA nr. 65/10 ebenfalls ausscheidet.
  7. Vgl. Krieg v. Hochfelden, Schlösser, o. S. Taf. III (Fig. 3). Die hier für die Ostwand eingetragenen drei Fensterdurchbrüche können nicht stimmen, da mehrere unabhängige Zeichnungen aus dem 16. bzw. 17. Jahrhundert auf dieser Seite nur zwei Fenster zeigen, vgl. die Zeichnung eines Unbekannten vom Jahre 1581, abgedr. in Krieg v. Hochfelden, Schlösser, o. S. (Beilage), die Stadtansichten des Architekten J. J. Arhardt von ca. 1650, des J. H. von ca. 1685, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 245 (Abb. 180), 246 (Abb. 181), sowie den Stadtprospekt von 1657, abgedr. in Rott, Baden-Baden 48 (Abb.); s. a. Max Schefold, Alte Ansichten aus Baden, hg. v. d. Kommission f. geschichtl. Landeskunde in Baden-Württemberg, 2 Bde., Weißenhorn 1971, Bd. 1, Taf. 4f.
  8. Vgl. Descr. Hochf. (wie unten) 176. Die Lokalisierung des Kamins beruht auf dem stets im Dachbereich zwischen den beiden Fenstern eingezeichneten, hohen Schornstein, vgl. die in Anm. 7 aufgeführten Zeichnungen.
  9. Vgl. Descr. Hochf. (wie unten) 166. Die Konstruktion der Decke vermutlich von Caspar Weinhart, vgl. Renaissance, Bd. 1, 135 nr. B 19; Christian Klemm, Stimmers Malereien im grossen Saal des markgräflichen Schlosses zu Baden-Baden, in: Spätrenaissance am Oberrhein. Tobias Stimmer (wie unten) 118–126, hier 119.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 371† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0037106.