Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 356 Baden-Baden, kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau (ehem. Stiftskirche) um 1575

Beschreibung

Wandgrabmal für Markgraf Bernhard III. von Baden-Baden. Architektonisch aufgebautes Epitaph innen an der Nordwand des Chores, östlich der Grabnische für Markgraf Friedrich IV. von Baden.1 Sandstein, grau gefaßt. Der Verstorbene ist vollplastisch und ganzfigurig wiedergegeben. Er steht im Plattenharnisch auf einem runden Piedestal vor einer Nische mit Muschelbogen. Die Figur ist als Kontrapost gestellt. Die Rechte umfaßt den Kommandostab, die Linke ruht am Knauf des um die Hüfte gegürteten Schwerts. Um den Hals hängt ein ovales Medaillon mit einem reliefierten Brustbild im Profil. Der geöffnete und mit Straußenfedern besetzte Helm steht neben dem rechten Fuß auf dem Boden. Links und rechts der Nische zwei kannelierte Dreiviertelsäulen mit Lorbeerkränzen und Fruchtgehängen; auf halber Höhe waren hier ehemals zwei plastische Wappenschilde einer vierteiligen Ahnenprobe angebracht, von der heute nur noch die beiden unteren Wappen an den Vorderseiten der Säulenpostamente vorhanden sind.2 Über dem verkröpften Gebälk das etwas schmalere Obergeschoß, das von zwei nackten Figuren inmitten von Roll- und Beschlagwerk flankiert wird. In der hochrechteckigen, seitlich von Pilastern gerahmten Nische ein großes, teilweise plastisch ausgehauenes Vollwappen. Ein Rundmedaillon im Giebel, umgeben von vier Putten und weiterem Roll- und Beschlagwerk, zeigt in reliefierter Darstellung Moses mit den Gesetzestafeln. Sämtliche Bauglieder sind mit plastisch ausgearbeiteten Girlanden, Fruchtbündeln, Blüten, Masken oder Vasen verziert. In der Sockelzone zwischen früchtetragenden Figuren eine querrechteckige, rollwerkgerahmte Tafel; darin auf schwarzem Grund der eingemeißelte und golden nachgezogene Sterbevermerk mit Fürbitte.

Maße: H. ca. 500, B. 176, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. Als man Zalt, nach Christi Vnsers Erlösers / geburt, M. D. xxxvj. Jar, den viiija) Nouembr(is)b) / starb, der Durchleuchtig Hochgeborn Furst / vnd Herr, Herr Bernhart, Marggraue Zu / Baden, vnd Graue Zu Spanheim, (etcetera)c) der /d) selene), seÿ gott genedig, Amen,f)

Wappen:
Baden-Sponheim;
[Österreich]3[Nassau]3
Baden-SponheimKatzenelnbogen.

Kommentar

Die rechtwinkligen Kerben der Buchstaben sind nur äußerst flach eingegraben. Die reich verzierten Versalien setzen sich aus mehreren Schwellzügen zusammen, die mitunter von dünnen Zierlinien begleitet werden und deren verlängerte freie Enden häufig Kontra-Schleifen ausbilden. Letzteres gilt auch für das untere Ende des unteren g-Bogens. Die jeweils linken Abschnitte des oberen g- und des d-Bogens sowie des o sind leicht eingeschnürt. Das Schluß-s erscheint in Schleifenform. Über dem u befindet sich regelmäßig ein diakritischer Bogen. Die beschriebenen Schrift- und Zierformen sind in sehr ähnlicher Ausführung unter anderem an den von Johann von Trarbach geschaffenen Grabmälern für den Wild- und Rheingrafen Johann Christoph in der Kirche zu St. Johannisberg (Lkr. Bad Kreuznach),4 für die Pfalzgräfin Anna von Pfalz-Zweibrücken in Meisenheim (Lkr. Bad Kreuznach)5 sowie für das Ehepaar Graf Eberhard von Hohenlohe-Waldenburg und Gräfin Agatha von Tübingen in Öhringen (Hohenlohekreis) zu beobachten.6 Insofern läßt sich die Zuweisung an den Simmerner Bildhauer, die Rott bereits aufgrund stilistischer Analogien zum Grabmal Markgraf Albrechts d. J. von Baden-Durlach in der Stiftskirche zu Pforzheim vorgenommen hatte, auch anhand der Schriftmerkmale stützen.7 Alle zum Vergleich herangezogenen Werke entstanden 1573 oder später. Dieses Jahr ist als terminus a quo auch für das Grabmal Bernhards III. von Baden-Baden anzunehmen, da die Werkstatt Johanns von Trarbach erst im August 1573 das Epitaph für Philibert von Baden-Baden und dessen Gemahlin fertiggestellt hatte8 und in den seit 1568 gut dokumentierten Verhandlungsakten zwischen dem Meister und den Markgrafen von einem weiteren Auftrag nirgends die Rede ist.9 In Anbetracht der stilistischen Verwandtschaft mit der Pforzheimer Arbeit (1576–77) ist vielmehr davon auszugehen, daß das Werk etwa zur gleichen Zeit angefertigt wurde.10

Bernhard III. kam am 7. Oktober 1474 als zweiter Sohn Markgraf Christophs I. von Baden und Ottilies von Katzenelnbogen zur Welt.11 Seine Erziehung erhielt er am Hofe Kaiser Maximilians I.12 Als Christoph I. im Jahre 1515 die endgültige Aufteilung seines Landes vornahm, erhielt Bernhard die ihm bereits 1505 zugesicherten linksrheinischen Gebiete Rodemachern, Reichenberg, Hesperingen, Bolchen und Useldingen in Luxemburg.13 Außerdem wurden die trierische Pfandschaft Schönenberg und die Hälfte der Hinteren Grafschaft Sponheim seiner Herrschaft unterstellt. Bernhard weigerte sich jedoch bis zum Tode seines Vaters (gest. 1527), diese Erbteilung anzuerkennen, die ihn dazu zwang, weitab am Brüsseler Hof zu residieren und seinen jüngeren Brüdern Philipp und Ernst die badischen Kernlande zu überlassen.14 Als Markgraf Philipp I. von Baden am 17. September 1533 starb, forderte Bernhard dem Bruder Ernst gegenüber erneut die Alleinherrschaft über die Markgrafschaft und willigte nur solange in eine gemeinsame Verwaltung ein, bis die Rechtmäßigkeit seiner Ansprüche von unabhängiger Seite geprüft worden sei.14 Als die Entscheidung schließlich Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz oblag, riet dieser zur erneuten Landesteilung, in deren Folge die Markgrafschaft ab 1535 bis 1771 in die ernestinische und bernhardinische Linie gespalten wurde.15 An Bernhard fielen dabei die Stadt Baden mitsamt den nördlich daran angrenzenden Gebieten bis an die Alb und allen südlich davon gelegenen Besitzungen sowie die Herrschaft Beinheim.16 In der erst am 19. März 1533 geschlossenen Ehe mit Franziska von Luxemburg gelang es ihm, seine Stammfolge durch zwei Söhne abzusichern.17 Noch vor der Geburt des zweiten Kindes Christoph II. verstarb Bernhard III. von Baden-Baden am inschriftlich bezeichneten Tag und wurde in der Stiftskirche beigesetzt.18 Sein Leichnam ruht vermutlich vor seinem Epitaph in der nordöstlichen Ecke des Chores unter der Grabplatte nr. 9.19

Textkritischer Apparat

  1. Über allen i und dem j ein waagerechter Balken.
  2. Kürzung durch Doppelpunkt.
  3. Kürzungszeichen mit langer Zierschleife, die in die untere Zeile hineinragt; vgl. Anm. f.
  4. Die letzte Zeile zentriert.
  5. Vor dem Schaft-s eine lange Zierschleife, die am Bogenansatz endet.
  6. Danach die verschlungene, in sich geschlossene Zierschleife von (etcetera), vgl. Anm. c.

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Lokalisierung GLA Karlsruhe G Baden-Baden nr. 108, Grundriß Stiftskirche (1801), Grabmal E, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 136 (Abb. 107). Zum Grabmal Markgraf Friedrichs IV. von Baden vgl. nr. 213.
  2. Von den oberen beiden Wappenschilden fehlte bereits 1942 der heraldisch linke, vgl. Kdm. Baden-Baden 126. Zum ursprüngl. Zustand vgl. ebd. 125 (Abb. 101).
  3. Ergänzung nach Kdm. Baden-Baden 125 (Abb. 101).
  4. Vgl. DI 34 (Bad Kreuznach) nr. 367. Zu Johann von Trarbach vgl. nr. 344 Anm. 36.
  5. Vgl. DI 34 (Bad Kreuznach) nr. 341.
  6. Vgl. DI 73 (Hohenlohekreis) nr. 357; Barbara Ernst-Hofmann, Die Grabdenkmäler der Grafen von Hohenlohe von Johann von Trarbach in der ehemaligen Stiftskirche in Öhringen, 1995 (Magisterarbeit am kunsthistorischen Institut der Universität Heidelberg, teilw. veröff. in: Württembergisch-Franken 85 (2001) 67–141), Bd. 2 (Abbildungsband), o. S. (Abb. 60); s. a. das Grabmal für Ludwig Kasimir Graf von Hohenlohe und seine Gemahlin in DI 73 (Hohenlohekreis) nr. 345.
  7. Vgl. Rott, Kunst 38–40 (Abb. 13); s. a. Kdm. (wie unten); Weis (wie unten). Zum Grabmal Markgraf Albrechts d. J. von Baden-Durlach vgl. DI 57 (Pforzheim) nr. 183.
  8. Vgl. nr. 344.
  9. Vgl. GLA Karlsruhe 46/1884, Personalia etc., fol. 1r–21r.
  10. Vgl. Rott, Kunst 38–40; DI 57 (Pforzheim) nr. 183. In Kdm. (wie unten) und Weis (wie unten) wird ohne Argumentation oder Quellennachweis als Entstehungsjahr (um) 1570 angegeben.
  11. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 268. Zu den Eltern vgl. nrr. 229, 191. Zur Biographie und Politik Markgraf Bernhards III. von Baden-Baden vgl. Schwarzmaier, Baden (2005) 117–120; Schwarzmaier, Baden 212–218; Bartmann, Kirchenpolitik (1535–1622) 31, 39f.; Reinking, Vormundschaften 46f.; Friedrich von Weech, Bernhard III., Markgraf von Baden, in: ADB, Bd. 2, 41; Loeser, Geschichte 191; Weech, Badische Geschichte 139–149; Preuschen, Badische Geschichte 726–728; Viton de Saint-Allais, Histoire 224–229; Sachs, Einleitung, T. 3, 195–214; Schoepflinus, Historia, tom. 3, 3–18.
  12. Vgl. Weech, Bernhard III. (wie Anm. 11).
  13. Vgl. Bartmann, Kirchenpolitik (1535–1622) 31 Anm. 1.
  14. Vgl. Reinking, Vormundschaften 46. Zu Philipp I. vgl. nr. 245.
  15. Vgl. zur Teilung des Landes Krimm, Markgraf Christoph I. 199–215; Schwarzmaier, Baden 212–216; Schwarzmaier, „Von der fürsten tailung“ 175–178; Sütterlin, Geschichte 320–321; Wielandt, Markgraf Christoph I. 552–558.
  16. Vgl. Bartmann, Kirchenpolitik (1535–1622) 31.
  17. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 268.
  18. Vgl. die Zusammenstellung der entsprechenden Bestattungszeugnisse in Stoesser, Grabstätten 97 Anm. 78, vor allem den Eintrag im Fremersberger Totenbuch, abgedr. in Liber Mortuorum 63. Zu Franziska von Luxemburg vgl. nr. 253, zum Sohn und Erbprinzen Philibert vgl. nr. 344.
  19. Die Identifizierung der Grabplatte geschah 1755 nur aufgrund des unmittelbar dahinter errichteten Wandgrabmals, vgl. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Dürrfeld, Aufnahme, o. S. nr. 9: „aus der Conjecture wegen hart daran an der Wandt stehenden Epitaphio“. 1801 wurde in die Grabplatte nach Franz Josef Herrs Vorgaben eingemeißelt: BERNHARD(VS) III / M(ARCHIO) B(ADENSIS) / O(BIIT) / MDXXXVI. / 9., vgl. Kdm. Baden-Baden 135 nr. 9; s. a. GLA Karlsruhe 47/22, Herr, Bericht, o. S. nr. 9; GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 22r; Weis, Stiftskirche 39f. nr. 24. Zur Lage der Platte vgl. GLA Karlsruhe G Baden-Baden nr. 108, Grundriß Stiftskirche (1801) nr. 9, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 136 (Abb. 107).

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 324.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten 12r–v.
  3. GLA Karlsruhe 195/1453, Collectanea, o. S.
  4. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche 21v.
  5. Herr, Begräbnisse Pfarrkirche 6f. nr. 9 (erw.).
  6. Andlaw, Collegiatstiftskirche 8 (erw.).
  7. Deutsche Renaissance, Bd. 2, Abt. 23, H. 4, o. S. (Anm. zu Bl. 32–34).
  8. Schmitt, Peter- u. Pauls-Basilika 328 (erw.).
  9. Kath. Stiftskirche 8 nr. VI.
  10. Becke-Klüchtzner, Grabstätten 117 nr. 6.
  11. Loeser, Geschichte 191.
  12. Heffner, Führer 19 (erw.).
  13. Stoesser, Grabstätten 96, 94 (Abb.).
  14. Lübke, Renaissance, Bd. 1, 290.
  15. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nr. 143.
  16. Schnell, Stiftskirche 13 (Abb.) – Kdm. Baden-Baden 126 nr. VI, 125 (Abb. 101).
  17. Weis, Stiftskirche 40 nr. 25.
  18. 1000 Jahre Kirche 42 (erw.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 356 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0035609.