Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 349 Baden-Baden, Stadtmuseum (Depot Im Baldreit, Küferstraße 3) 1574

Beschreibung

Ofenplatte.1 Herkunft ungewiß.2 Gußeisen, schwarz gefaßt. Die hochrechteckige Platte wird von einem einfachen Steg umrahmt. Im Binnenfeld ein kleineres, ebenfalls hochrechteckig gerahmtes Relief mit der Darstellung des Gleichnisses vom reichen Mann und armen Lazarus3 unter einer Arkatur von vier Muschelbögen. Hinter einem perspektivisch ins Bild gesetzten, reich gedeckten Tisch speist ein bürgerlich gekleidetes Ehepaar, dem rechts ein Musikant aufspielt und ein Mundschenk die Becher nachfüllt. Im Hintergrund erscheint in einem Fenster das Antlitz Moses’ (?) mit zwei Hörnern. Im Vordergrund links sitzt Lazarus vor einer Mauer am Boden und wird von zwei Hunden beleckt. Er bittet mit einer leeren Schüssel um Speisereste, die ihm ein von rechts hinzutretender Scherge verwehrt, indem er die entgegengestreckte Schale mit einem Stab zurückstößt. Über der bildlichen Darstellung in der verbleibenden Fläche zwischen oberem Rahmensteg und den Muschelbögen die zentriert eingefügte Jahreszahl (A), flankiert von einer einzelnen römischen Ziffer (?) (B) in der oberen linken Ecke und der Marke nr. 44 rechts gegenüber. Auf dem unteren, schmalen Rand des Bildes der nur fragmentarisch wiedergegebene und teilweise vergossene Trostspruch (C). Sämtliche Buchstaben und Ziffern erhaben.

Maße: H. 81, B. 53, Bu. 2,1 cm (C), Zi. 3,5 (A, B).

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Stadtmuseum Baden-Baden [1/3]

  1. A

    ·a) 1574

  2. B

    I

  3. C

    ṂEN LAZARVS VERGAS BIS [E]Rb) DORT [IN DER]b)4)

Versmaß: Deutsche Reimverse (unvollständig). (C)

Kommentar

Die nur unscharf, gratig und unvollständig ausgegossenen Buchstaben stehen enggedrängt und sind noch nach frühhumanistischer Gewohnheit schmal proportioniert. Das A besitzt einen geraden, beiderseits überstehenden Deckbalken, das D ist offen, das G leicht eingerollt und das Z zweistöckig. Die Balken des E sind alle gleich lang.

Der Schnitt des dem Abguß zugrunde liegenden Models stammt von dem hessischen Bildhauer und Formschneider Philipp Soldan aus Frankenberg an der Eder (Lkr. Waldeck-Frankenberg).5 Dies geht aus einer anderen Ofenplatte im Schloß Eisenbach (Lkr. Limburg-Weilburg) hervor, auf der dieselbe Szene abgebildet und mit der Meistersignatur GESCHNEDEN VON // PHILIPVS SOLDAN versehen ist.6 Soldan hat das Lazarus-Thema in vier verschiedenen Fassungen bearbeitet.7 Während für einen späteren Schnitt, der durch eine 1542 gegossene Ofenplatte auf Burg Altena in Westfalen (Märkischer Kreis) überliefert ist,8 eindeutig ein Stich von Georg Pencz als Vorlage diente, läßt sich für das Model der Eisenbacher Platte bisher kein Vorbild angeben. Auf dieser ist das Relief indes von vier kleiner proportionierten Bildnissen umgeben, die weitere Episoden der Lazarus-Erzählung illustrieren. Das Model der baden-badischen Platte muß demnach eine Teilkopie des Soldanschen Originals gewesen sein, die lediglich die große, zentrale Darstellung übernahm. Dabei wurde die in gereimten Versen verfaßte und sich ursprünglich über die gesamte Breite der Ofenplatte erstreckende Beischrift4 beiderseits beschnitten, weshalb sie hier nur noch als sinnentstellter Torso erscheint. Doch auch das Bild selbst stimmt nicht vollständig mit dem Eisenbacher Abguß überein, denn das zwischen den Köpfen des reichen Ehepaares wiedergegebene Antlitz Moses’ ist dort nicht ausgeführt.9

Die deutlich wahrnehmbare Marke ließ sich bisher nur noch auf einer Ofenplatte vom Jahre 1577 mit einem Relief der Kreuzigungsszene nachweisen.10 Bildnis, Marke und Inschriften sind darauf in gleicher Weise angeordnet. Auch wenn sich daraus keine Aufschlüsse über die Identität des unbekannten Gießers gewinnen lassen, so ist in Analogie zu der Zahl 13 in der linken oberen Ecke zu schlußfolgern, daß es sich bei Inschrift (B) um eine Ziffer und nicht um einen Buchstaben handeln dürfte. Möglicherweise gibt sie die Anzahl der bereits mit diesem Motiv gegossenen Platten an oder fungiert als eine Art Versatzzeichen.

Textkritischer Apparat

  1. Kleiner senkrecht gestellter Strich in Zeilenmitte. Möglicherweise handelt es sich um eine technische Angabe, vgl. Driesch, Handbuch 104.
  2. Ergänzt nach dem Wortlaut auf dem vollständigen Model Philipp Soldans, vgl. Anm. 4.

Anmerkungen

  1. Zu Ofenplatten allg. vgl. Driesch, Handbuch, passim; Albrecht Kippenberger, Die Kunst der Ofenplatten, dargestellt an der Sammlung des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute in Düsseldorf, hg. v. Verein Deutscher Eisenhüttenleute, Düsseldorf 1973; RDK, Bd. 4, Sp. 1109–1138 (Lit.).
  2. Ohne Inv.-nr.
  3. Vgl. Lk 16,19–31.
  4. Der Wortlaut der in deutschen Reimversen verfaßten Inschrift auf dem vollständigen Model Philipp Soldans lautet: DER REICHE DES ARMEN LAZARVS VERGAS BIS ER DORT IN DER HEL IN SAS LVCE AM [16], vgl. Albrecht Kippenberger, Philipp Soldan zum Frankenberg, ein hessischer Bildhauer des 16ten Jahrhunderts, Meister der Ofenplatten, Wetzlar 1926, 125 nr. 15, o. S. (Taf. IV).
  5. Zu Leben und Werk Philipp Soldans vgl. Philipp Soldan von Frankenberg, ein hessischer Künstler des 16. Jahrhunderts, bearb. v. Heinz Brandt, hg. v. Kreisausschuß des Landkreises Waldeck-Frankenberg, Korbach 1984, passim; Hans Joachim von Brockhusen, Betrachtungen zu Philipp Soldan, in: Studien zum künstlerischen Eisenguß. Festschrift für Albrecht Kippenberger zum 19. Dezember 1970, hg. v. Gerhard Seib, Marburg 1970, Bd. 1, 15–25; Kippenberger (wie Anm. 4) passim; ThB, Bd. 31, 234f.; Ludwig Bickell, Die Eisenhütten des Klosters Haina und der dafür tätige Formschneider Philipp Soldan von Frankenberg, Marburg 1889, passim.
  6. Vgl. Kippenberger (wie Anm. 4).
  7. Vgl. Kippenberger (wie Anm. 4) 27–34.
  8. Vgl. Winfried Guthmann, Druckgraphik als Vorbild für Kunsthandwerk. Zur Vorlagenverwendung im Eisenguß des 16. Jahrhunderts, in: Studien zum künstlerischen Eisenguß (wie Anm. 5), Bd. 1, 26–74, hier 31, Bd. 2, o. S. (Abb. 14f.).
  9. Weitere, stärker veränderte Varianten zum Schnitt Soldans siehe in Driesch, Handbuch 432–438.
  10. Vgl. Arthur von Schneider, Katalog der eisernen Ofenplatten und Plattenöfen des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe, in: Oberrheinische Kunst 10 (1942) 105–118, hier 106 nr. 6, 108 (Abb. 3).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 349 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0034901.