Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 329(†) Schwarzach (Gde. Rheinmünster), Abteikirche St. Peter u. Paul / Klosterhof 6 1569

Beschreibung

I. Epitaph für den Abt Martin Schimpfer. Um 1667 durch Gallus Wagner am Eingang zum Chor der ehemaligen Abteikirche St. Peter und Paul bezeugt.1 Die Umstände des noch vor 1892 eingetretenen Verlustes sind unbekannt.2 Auf dem Grabmal das offenbar zeilen- und versweise angeordnete Totenlob mit Sterbevermerk (A).

Inschrift nach GLA Karlsruhe 65/606, Wagner.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A†

    D(eo) O(ptimo) M(aximo)Que(m) tegit hic tumul(us) prudentib(us) inclit(us) actisEt varia reru(m) cognitione fuitMartino nomen, Schimpfer cognomen, at ortumMarchiaci tribuit nota Badena soli.1504.Haec eade(m) pueru(m) studijs instruxit honestisTempore creverunt quae b(e)n(e) culta suo.Hinc Benedictinae iuvenis dat no(m)i(n)a vitae1520.Hic vbi de nigro no(m)i(n)e claustra iacentMagn(us) ibi tande(m) fact(us) cellari(us), istud1536.Ta(m) vigili mun(us) dexteritate subita),Lect(us) vt Abbati functo3) successerit Abbas1548.Totius assensu gratificante gregisQualiter imposit(um) cunctis accept(us) honore(m)Gesserit, indiciob) e(s)t posteritatis amorPostulat hunc et(iam) precib(us) sibi Schuttra4) patronu(m)1557.Reb(us) vt attritis adferat acer opemPraestitit, et p(er) se instauratu(m) sponte resignat1563.Schwarzachij repetens limina chara sui.Jamq(ue) senex, g(e)n(e)risq(ue) sui postrem(us) alumna1569.Quae vita(m) dederat clausit in vrbe die(m)Corpus at hoc successor humo, saxumq(ue) Michael5) Officio posuit funct(us), et obseq(ui)o. Obijt tertia Martij.

Übersetzung:

Gott, dem besten und größten, (geweiht). Wen dieses Grabmal bedeckt, der war durch kluge Taten und durch mannigfaltige Kenntnis der Dinge berühmt. Das bekannte Baden auf markgräflichem Boden verlieh Martin den Namen, den Nachnamen Schimpfer und die Herkunft (1504). Eben dasselbe unterrichtete den Knaben in ehrenhaften Studien, die zu seiner Zeit nach guter Pflege im Wachstum begriffen waren. Daher übergibt der Jüngling seine Bestimmung (wörtl. Namen) dem benediktinischen Leben (1520). Hier, wo das nach dem Wort „schwarz“ benannte Kloster liegt, da wurde er schließlich ein bedeutender Keller. Jenes Amt führte er mit so umsichtiger Rechtschaffenheit aus, daß er unter gefälliger Zustimmung des gesamten Konvents zum Abt gewählt wurde und dem verstorbenen Abt nachfolgte (1548). Wie er mit der erwiesenen Ehre umging, nachdem er von allen angenommen worden war, davon zeugt die Liebe der Nachwelt. Durch Bitten fordert ihn auch Schuttern für sich zum Schutzherrn (1557), damit er den zerrütteten Zuständen scharfsinnig Hilfe bringe. Er übernahm die Leitung, entsagt aber aus freien Stücken dem von ihm erneuerten Werk (1563) und sucht die geliebten Schwellen seines Schwarzach wieder auf. Und bereits als Greis beschloß er (1569) als Letzter seines Geschlechts seine Tage in der Heimatstadt, die ihm das Leben geschenkt hatte. Diesen Körper aber übergab der Nachfolger Michael der Erde und setzte, aus Pflichtgefühl und Gehorsam dazu berufen, den Stein. Er starb am dritten März.

Versmaß: Elegische Distichen.

II. Fragment mit der Darstellung des Abtes Martin Schimpfer in Anbetung des Kreuzes. Außen an der Ostseite der ehemaligen Klostermühle in etwa 1,20 m Höhe im Mauerwerk. Hier bereits 1905 durch Josef Sauer bezeugt.6 Herkunft unbekannt. Sandstein. Querrechteckige Platte, die seitlich von zwei Pilastern gerahmt ist und oben mit einem stärker vorkragenden Gesims abschließt. An dessen unterem Rand ein Fries aus Akanthusblättern. Im Binnenfeld eine reliefierte Anbetungsszene auf hügeligem Grund. In der Mitte ein Kruzifix mit kleeblattförmigen Balkenenden. Über dem Haupt Christi ein entrolltes Schriftband mit dem Kreuztitulus (B). Vor dem unteren Stammansatz zwei Knochen und ein Totenschädel. Zur Rechten des Erlösers die Figur des am Boden knienden und betenden Abtes mit Krummstab. Über seinem Kopf ein verschlungenes Schriftband mit dem Gebet (C). Auf der gegenüberliegenden Seite des Kruzifixus ein von einer Mitra bekrönter und von einem Krummstab hinterlegter Wappenschild. Sämtliche Inschriften eingemeißelt. Die obere linke Ecke des Gesimses abgeschlagen.

Maße: H. 40, B. 108, Bu. 1,7 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. B

    INRI7)

  2. C

    DOMI(N)Ec) VIATd) / VOLVNTAS TVAe)8)

Übersetzung:

Herr, dein Wille geschehe! (C)

 
Wappen:
Schimpfer.9

Die Buchstaben besitzen kräftige Sporen. Die Balken des E sind allesamt von gleicher Länge, die Schaftenden des I nach dem Vorbild der Gotischen Minuskel schräg umgebrochen. Der Mittelteil des leicht konischen M endet etwa in Zeilenmitte. Das N ist retrograd wiedergegeben, das O mandelförmig und die Cauda des R annähernd stachelförmig gestaltet.

Das Wappen der Spolie (II) ist durch eine von Gallus Wagner angefertigte Skizze eindeutig dem 1569 verstorbenen Abt Martin Schimpfer zuzuweisen.10 Unter ihm sind in der Abtei zahlreiche Baumaßnahmen durchgeführt worden. Dazu zählte die Einrichtung des Kirchengestühls um 1549 wie auch die Restaurierung eines den Kreuzgang begrenzenden Abteigebäudes gegenüber dem Dormitorium.11 Insofern ist nicht auszuschließen, daß die figürlich gestaltete Platte ehemals zu einer vom Abt gestifteten Steinmetzarbeit gehört haben könnte. Die ehemalige Existenz des Epitaphs läßt allerdings nur wenig Zweifel daran, daß die Spolie ursprünglich die Sockelzone dieses Grabmals bildete. Die überlieferten Verse stellen die umfangreichste Quelle zur Biographie des Abtes dar.12

Textkritischer Apparat

  1. Vom Schreiber aus sufit korrigiert.
  2. Auch die Lesung iudicio möglich.
  3. Ohne Kürzungszeichen.
  4. So statt FIAT. Über dem V ein nach unten durchgebogener Balken.
  5. Über dem V ein Balken.

Anmerkungen

  1. Vgl. GLA Karlsruhe 65/606, Wagner, Comportata, vol. 1, 521: „Testatur eius Epitaphium ad ingressum Chori (…).“
  2. Von Reinfried (wie unten) bereits als verloren bezeugt.
  3. Abt Johannes Gutbrot, vgl. nr. 265.
  4. Kloster Schuttern (Gde. Friesenheim, Ortenaukreis).
  5. Abt Michael Schwan, vgl. Gartner, Kloster Schwarzach 311–313.
  6. Vgl. Sauer (wie unten).
  7. Io 19,19.
  8. Teil des Paternoster, vgl. Mt 5,10.
  9. Balken, oben begleitet von zwei sechsstrahligen Sternen, unten von einem schrägliegenden, linksschräg von einem spitzen Haken durchkreuzten Stab (Meißel und Zirkel schräggekreuzt?). Zur Identifizierung vgl. nr. 328.
  10. Vgl. GLA Karlsruhe 65/606, Wagner, Comportata, vol. 1, 522.
  11. Vgl. ebd. 841: „(…) annum 1549, quando subsellia templi facta sunt sub Abbate Martino (…).“; ebd. vol. 2, 1580 (zum Jahr 1546): „Aedificata est domus Conventualis vbi sunt Priorum et fratrum Cellae supra domum capitularem. Testatur inscriptio in lignum querceum versus aream circumdatam peristylio, den Creuzgarten, ante modernum Musaeum. Ex altera parte vbi incisa insignia in lapidem, Abbas Martinus cuius sunt insignia, dicitur solum restaurator.“
  12. S. a. nr. 328.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe 65/606, Wagner, Comportata, vol. 1, 521 (nur A).
  2. Reinfried, Geschichte Schwarzach (1892) 61 (nur A erw.).
  3. Sauer, Abteikirche Schwarzach (1905) 357 (nur C).
  4. Stadtgesch. Inst. Bühl o. Sig., Smets, Geschichte 183 (nur A erw.), 242 (nur C).
  5. Stadtgesch. Inst. Bühl o. Sig., Smets, Grabinschriften 3 (nur A erw.), 5 (nur C).
  6. Stadtgesch. Inst. Bühl, Photoarchiv, o. Neg.-nr. (nur II; Aufn. Michael Rumpf, 1995).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 329(†) (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0032909.