Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 327† Baden-Baden, Stiftskirche Unserer Lieben Frau 1565?

Beschreibung

Grabplatte für Markgräfin Mechthild von Baden-Baden, geb. Herzogin von Bayern. Ehemals im Bodenbereich des zweiten Chorjoches von Westen nördlich der Chorachse.1 Im Zuge der Bodenarbeiten zur Wiederherstellung der markgräflichen Grablege 1754/55 aus dem Plattenverbund gehoben und zeitweilig in eine Chorecke gestellt.2 Während der zweiten Besichtigung der unterirdischen Bestattungskammern im Juni 1755 schloß man aus der Existenz des Grabmals auf die Identität neu aufgefundener Gebeine einer dritten Person in der unmittelbar daneben gelegenen Gruft für Markgraf Wilhelm I. von Baden-Baden (gest. 1677) und dessen Tochter Anna (gest. 1708).3 Die späteren Verlustumstände der originalen Platte sind unbekannt. Sie wird als „ein nicht gar viereckigter geringer Grabstein“3 beschrieben, der oben zwei Vollwappen aufwies.4 Darunter stand der zeilenweise angeordnete, bereits 1755 aber nicht mehr vollständig lesbare Sterbevermerk.3 Die beiden größeren, direkt über der Gruft liegenden Platten sollten nach 1755 neue Messingauflagen mit den Wappen und den Todesdaten aller drei Personen erhalten.5 Der Guß erfolgte zwischen 1765 und 1771 in Straßburg, mißlang jedoch und fand keine Verwendung.6 Erst 1801 meißelten dann Steinmetz Wagner und seine Söhne in die Oberfläche der Steinplatte nr. 16 zwei neue Sterbevermerke für Markgraf Wilhelm I. von Baden-Baden und Herzogin Mechthild von Bayern nach den Vorgaben von Franz Josef Herr ein.7

Inschrift nach GLA Karlsruhe 47/20, Notariatsinstrument (1755).

  1. MECHTILDISa) [MARGGR]EUINb) Z(VO)c) BA[DEN]d) / GEBORNE H[ERTZOGIN VON BE]URENe) OBIIT / II NOVEMB[RIS]b) AN(N)O DO(MIN)I 15 ·f) [65 – – –]g)

Wappen:
Baden, Bayern.

Kommentar

Mechthild war die Tochter Herzog Wilhelms IV. von Bayern und der Markgräfin Maria Jakobäa von Baden, einer Cousine ihres späteren Gemahls, Markgraf Philiberts von Baden-Baden,8 mit dem sie am 17. Januar 1557 in Regensburg verheiratet wurde.9 Aus ihrer Ehe gingen drei Töchter sowie der Sohn und baden-badische Erbprinz Philipp II. hervor.9 Während sich Philibert nach seinem Regierungsantritt 1556 in konfessionellen Fragen zurückhielt und den protestantischen Kräften im Land weitreichende Freiheiten einräumte,10 engagierte sich Mechthild seit ihrer Übersiedlung nach Baden stark für die Beibehaltung des katholischen Glaubens.11 So gewannen die Protestanten auch erst nach ihrem Tod und dem Weggang Philiberts größeren Einfluß.12 Als allerdings der Markgraf 1569 in der Schlacht von Montcontour fiel13 und die Vormundschaftsrechte für seinen Sohn Philipp II. unter Ausschluß der Baden-Durlacher Linie der Herzogin Jakobäa von Bayern, deren Sohn Albrecht und dem Grafen Karl von Hohenzollern übertragen wurden, erlitten die Reformationsbestrebungen im Lande einen schweren Rückschlag.14

Markgraf Philibert von Baden-Baden beauftragte am 23. Januar 1568 den Bildhauer Johann von Trarbach damit, für seine verstorbene Frau „ein Epitaphium und Grabstein zu machen“.15 Bisher läßt sich nicht entscheiden, ob mit dieser Formulierung lediglich das später als Doppelepitaph13 ausgeführte Wandgrabmal oder vielleicht auch diese Grabplatte gemeint war.

Textkritischer Apparat

  1. Mechthildis Herr.
  2. Ergänzung erschlossen; zur Schreibung vgl. nr. 356.
  3. Kürzungszeichen nicht überliefert. Der untere Balken im Ms. weit unter die Grundlinie und unter das folgende B gezogen. Zur Schreibung vgl. nr. 232. zu Herr.
  4. Emendiert und ergänzt aus BAI. Bad[– – –] Herr.
  5. H[ERTZOGIN VON BE]UREN] Ergänzung erschlossen. H[– – –]euren Herr.
  6. Der Zifferntrenner im Ms. als kleiner Kreis auf halber Zeilenhöhe wiedergegeben.
  7. Ergänzung aus den Lebensdaten der Verstorbenen erschlossen, vgl. nr. 344.

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Lokalisierung des ehemaligen Standortes der Grabplatte GLA Karlsruhe Hfk Pläne J nr. 7 (schwarz), Grundriß Stiftskirche (1755), im Umkreis von nr. 16; GLA Karlsruhe G Baden-Baden nr. 108, Grundriß Stiftskirche (1801), im Umkreis von nr. 16, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 136 (Abb. 107).
  2. Vgl. GLA Karlsruhe 47/20, Notariatsinstrument (1755), o. S. Danach wurde die Platte vorübergehend in die nordwestliche Chorecke zwischen dem Triumphbogen und dem Durchgang zum nördlichen Nebenchor (Salve-Chörlein) gestellt, vgl. dazu den Chorgrundriß in Kdm. Baden-Baden 75 (Abb. 58).
  3. Vgl. GLA Karlsruhe 47/20, Notariatsinstrument (1755), o. S.
  4. Die Oberwappen bezeugt in GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr (wie unten).
  5. Zu den baden-badischen Vorstellungen zur Wiederherstellung der markgräflichen Grablege vgl. Bartusch, Wiederherstellung 259–278 (im Druck). Den Entwurf zu den hier betreffenden Wappen und Inschriften siehe in GLA Karlsruhe Hfk Pläne J nr. 7 (schwarz), Grundriß Stiftskirche (1755) nrr. 16f. Die Platte nr. 16 sollte demnach vertikal in zwei Zonen gegliedert werden: Die linke Seite zeigt im oberen Bereich die zwei Eheallianzwappen in einem Schild (vorn Baden, hinten Pfalz-Bayern) mit beiden Helmen; darunter folgt der zeilenweise ausgeführte Sterbevermerk: Mechtildis / Nata Ducissa / Bavariae / Marchion(issa) / Badens(is) / O(biit) MDL/XV. Die rechte Seite weist den badischen Wappenschild unter einem Fürstenhut und den Sterbevermerk für Markgraf Wilhelm I. von Baden (gest. 1677) auf; siehe dazu auch PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Dürrfeld, Aufnahme, o. S. nr. 16; PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Steinhäuser, Gutachten, o. S. nr. 16.
  6. Der Befehl Mgf. August Georgs von Baden-Baden an Kommissar Dürrfeld, den Guß der Metallauflagen mit der Straßburger Stück- und Glockengießerei vertraglich vorzubereiten, datiert vom 20.12.1765, vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Schreiben an Dürrfeld, o. S. Die mißglückte Ausführung in Eisen, die bis 1771 vorgenommen worden sein muß, bezeugt Stiftspropst Ludwig von Harrant am 22.3.1776, vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Harrant, Pro Memoria, o. S.
  7. Die zeilenweise untereinandergesetzten und heute bereits stark abgetretenen Sterbevermerke lauten: 16. / WILHELM(VS) / M(ARCHIO) B(ADENSIS) / O(BIIT) / MDCLXXVII. / MECHTILDIS. / [MARCH(IONIS)] PHILIBERTI. CONJ(UX) / NAT(A) DVCISS(A) BAVARI(AE) / O(BIIT) / MDLXV. Siehe dazu auch GLA Karlsruhe 47/22, Herr, Bericht, o. S. nr. 16; Kdm. Baden-Baden 135 nr. 16; Weis, Stiftskirche 41 nr. 27 (unvollst.). In Joseph Horbers Plan, der ebenfalls nur einen Entwurf darstellt, sind die Inschriftenabschnitte für Mechthild und Wilhelm von Baden auf den zwei Platten nrr. 16 und 17 nur deshalb gesondert eingezeichnet, um die Platten dem Befund nach genau zu identifizieren, vgl. GLA Karlsruhe G Baden-Baden nr. 108, Grundriß Stiftskirche (1801) nrr. 16f. Dies war vor Ort nicht möglich, weil Platte nr. 17 größtenteils vom Gestühl verdeckt wurde, vgl. GLA Karlsruhe 47/22, Herr, Bericht, o. S. nr. 16.
  8. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.1, Taf. 106.
  9. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 268.
  10. Vgl. Kohnle, Markgrafschaften 119f.; Bartmann, Kirchenpolitik (1535–1622) 75–99; Reinking, Vormundschaften 117f.
  11. Vgl. Reinking, Vormundschaften 122.
  12. Vgl. ebd. 124 mit Anm. 11 (Quellenverweise). S. a. nr. 170.
  13. Vgl. nr. 344.
  14. Vgl. Bartmann, Kirchenpolitik (1535–1622) 112–154; Reinking, Vormundschaften 126f.
  15. Vgl. GLA Karlsruhe 46/1884, Personalia etc., fol. 1r; Schaefer, Grabmäler 42. Zu Johann von Trarbach siehe nr. 344 Anm. 36.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe 47/20, Notariatsinstrument (1755), o. S.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 25v.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 327† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0032708.