Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 301† Muggensturm, kath. Friedhofskapelle St. Margareta 1555

Beschreibung

Grabplatte für einen unbekannten Priester. Um 1736 im Rahmen der Baumaßnahmen zur Wiederherstellung der Kapelle erstmals bezeugt.1 Damals wurde die Grabplatte bei der Erneuerung des Fußbodens wiederentdeckt.2 Sie wies den Sterbevermerk eines 1555 begrabenen Frühmessers, das Abbild eines Kelches und die Ziffern von Jahreszahlen auf.3 Seine Oberfläche war bereits stark abgetreten und beschädigt. Deshalb ließ ihn der Muggensturmer Pfarrer Johann Jakob Lorenz4 umwenden und die nun nach oben gekehrte Seite mit einer neuen, metrisch verfaßten Inschrift versehen, die dem nicht überlieferten Wortlaut des Originals äußerst ähnlich gewesen sei: Hic sepulta jacent Mista venerabilis ossa.5 Nach einer späteren Quelle vom Jahre 1776 lautete sie: Hic sepulta jacent / Mista Venerabilis Ossa. / Anno Domini / 1557. / Ter=//=rae / Da=//=ta.6 Die Umstände des bereits vor 1941 eingetretenen Verlustes sind unbekannt.7

Inschrift nach PfA Muggensturm o. Sig., Lechleÿdner.

  1. [– – –] 1555 [– – –]

Kommentar

Die überlieferte Jahreszahl der Inschrift wurde bisher stets mit dem Todesjahr des Priesters Wilhelm Wilhelmi aus Grunbach bei Pforzheim (Gde. Engelsbrand, Enzkreis) in Verbindung gebracht.8 Ihn hatte Markgraf Christoph I. von Baden am 20. April 1513 für die Frühmesse am Georgsaltar der Pfarrkirche zu Muggensturm präsentiert.9 Wilhelmi behielt diese Pfründe allerdings nur vier Jahre. Ihm folgte im Jahre 1517 Sebastian Scheffel von Heimertingen.10 Insofern ist Wilhelmi keineswegs der letzte Muggensturmer Frühmesser11 gewesen, bevor das bereits vor 1384 gestiftete Amt12 im Zuge der Reformationsbestrebungen aufgegeben wurde. Auch ist er sicher nicht unter der betreffenden Grabplatte begraben, denn sein Tod ist bereits für das Jahr 1545 in Ettlingen bezeugt, wo er seit 1530 die Kanonikatspfründe für den Marienaltar in der Stiftskirche St. Martin innehatte.13 Wer nun tatsächlich der letzte Frühmesser in Muggensturm war, der im Jahre 1555 starb und unter der bezeugten Grabplatte bestattet wurde, ist ungewiß. Ebensowenig läßt sich bisher ergründen, warum das um 1736 erneuerte Grabmal mit der Jahreszahl 1557 versehen worden sein soll. Möglicherweise hat man die Gebeine im Zuge der ab 1754 in die Wege geleiteten Wiederaufnahme der Frühmesse14 oder nach der Wiederherstellung der durch Blitzeinschlag am 21. Juli 1756 beschädigten Kapelle15 erneut beerdigt und den inschriftlichen Bestattungsvermerk mit einer falschen Jahreszahl ergänzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. PfA Muggensturm o. Sig., Lechleÿdner, Historia (wie unten; Zitat Lorenz).
  2. Vgl. ebd. (Zitat Lorenz): „(…) notandum hic porro venit, quod in pavimenti quadrangularibus lapidibus adaequandi opere inventus fuerit lapis sepulchralis ossa tegens Sepulti jam anno 1555. Sacerdotis officium primissarum olim inibi obeuntis.“
  3. Vgl. ebd. (Zitat Lorenz): „Verum quia ex lapide Sepulchrali bene at- et contrito inscriptio valde mutilata et nonnisi figura calicis atque ciffrae annorum apparuerunt, Superinverso lapide hanc, quae modo legitur, inscriptionem veteri verisimiliorem insculpi fecimus.“
  4. Zu Johann Jakob Lorenz, Pfarrer in Muggensturm 1735–1752, vgl. Schneider, Muggensturm 251.
  5. Vgl. PfA Muggensturm o. Sig., Lechleÿdner, Historia (wie unten; Zitat Lorenz).
  6. Vgl. GLA Karlsruhe 229/68756, Schreiben Lasollaye, fol. 63r. Humpert überliefert hingegen unter pauschaler Berufung auf die Muggensturmer Ortsakten im GLA Karlsruhe: Hic sepulta jacent primissarii venerabilis ossa. Anno domini 1557. Terrae data, vgl. Humpert, Beiträge 329 Anm. 15; so auch Kdm. Rastatt 258.
  7. Humpert hat das Grabmal offenbar nicht mehr gesehen, vgl. ders., Beiträge 329 Anm. 15.
  8. Vgl. Kdm. Rastatt 258; Lacroix, Margarethenkapelle 147; Schneider, Muggensturm 261 (hier unter Berufung auf GLA Karlsruhe 229/68739, Schreiben Magenbuch, o. S.). Zur Herkunft des Pfarrers vgl. Steigelmann, Präsentationen 529 nr. 412 und 553 nr. 772.
  9. Vgl. Steigelmann, Präsentationen 553 nr. 772.
  10. Vgl. Schneider, Muggensturm 261.
  11. Vgl. zu dieser Ansicht Kdm. Rastatt 258; Schneider, Muggensturm 261 (hier unter Berufung auf GLA Karlsruhe 229/68739, Schreiben Magenbuch, o. S.). Danach sei der letzte Primissarius 1513 präsentiert worden und 1555, nachdem er 41 Jahre von den Einkünften gelebt habe, gestorben.
  12. Vgl. zur Einrichtung der Frühmesse Schneider, Muggensturm 259f.
  13. Vgl. Steigelmann, Präsentationen 532 nrr. 455f.
  14. Vgl. Schneider, Muggensturm 261.
  15. Vgl. ebd. 219f.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe 229/68739, Schreiben Magenbuch, o. S.
  2. PfA Muggensturm o. Sig., Lechleÿdner, Historia sacelli ad St. Margaretham, o. S. (hier zitiert aus einer unbezeichneten Schrift des 1735–1752 amtierenden Muggensturmer Pfarrers Johann Jakob Lorenz).
  3. GLA Karlsruhe 229/68756, Schreiben Lasollaye, fol. 63r (Skizze der erneuerten Inschrift).
  4. Humpert, Beiträge 329 Anm. 15 (nur die erneuerte Inschrift).
  5. Kdm. Rastatt 258 (nur die erneuerte Inschrift).
  6. Schneider, Muggensturm 261 (nur die erneuerte Inschrift).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 301† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0030104.