Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 296 Ottersweier, kath. Pfarrkirche St. Johannes d. Täufer 1553, 1553 oder später

Beschreibung

Epitaph für den Maler Nikolaus Kremer. Ehemals außen an der Südostecke des romanischen Chorturmes, der sich heute über einer den Kriegsopfern gewidmeten Gedächtniskapelle erhebt und dessen östliche Außenwand nunmehr die westliche Innenwand des südlichen Seitenschiffes bildet.1 Ursprünglich in ca. 130 cm Höhe,2 heute knapp über Fußbodenniveau. Rötlicher Sandstein. Auf der querrechteckigen Tafel ein eingeritztes, fast gleichformatiges Feld mit einfacher Zeilenlineatur. Darin der eingemeißelte Sterbevermerk mit Fürbitte und Bitte um Fürbitte. Innerhalb der fünften Zeile unterbricht den Text links der Mitte ein eingeritzter Wappenschild, der auch die sechste, leere sowie deutlich schmalere Zeile überlagert und unten aus dem Binnenfeld herausragt.

Maße: H. 63, B. 86, Bu./Zi. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. Anno · domini · 1 · 5 · 5 3 · in · die · / · S(ancti) · marci · eva(ngelist)ea) · obijt · distret(vs)b) · nico/=lavsc) · Kremer · pictor · Civis · bade(n)=/=sis · hicd) · sepvltvs · Cvivs · a(n)i(m)ae) · req=/=viesatf) · //g) in · pace · orate · p(ro)h) eo

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1553 starb am Tag des hl. Marcus des Evangelisten der vornehme Nikolaus Kremer, Maler und Bürger von Baden. Er ist hier begraben. Dessen Seele ruhe in Frieden. Betet für ihn!

Datum: 25. April 1553.

Wappen:
Kremer.3

Kommentar

Die Ober- und Unterlängen der Gemeinen ragen weit aus dem Mittelband hervor. Die oberen Schaftenden des b und des l sind gespalten. Der obere, linksschräg umgeknickte Abschnitt des d ist unverhältnismäßig lang. Am unteren Bogenabschnitt des h und am unteren Schaftabschnitt des j entspringt jeweils eine Haarlinie, die im Unterlängenbereich in einer Schlinge endet. Das Bogen-s ist vollkommen ausgerundet. Über dem v erscheint stets ein nach unten durchgebogenes Häkchen. Unter den Versalien ist das A in der Grundform des Minuskelbuchstaben wiedergegeben, wobei der obere Bogen fehlt und der obere Abschnitt des unteren gebrochenen Bogens fast kreisförmig nach links umgebogen ist. Der Schaft der 1 ist unten gespalten, wobei der linke Abschnitt wie die freien Bogenenden der 5 und der spitzen 3 eine Schleife ausbildet. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe. Die beschriebenen Buchstabenformen sind nahezu identisch mit jenen auf den Grabplatten für Hans Josef Kirsser und seinen gleichnamigen Sohn.4 Offensichtlich handelt es sich um Arbeiten desselben Steinmetzen.

Die am Ende der Inschrift geäußerte Bitte um Fürbitte deutet darauf hin, daß der Maler und Baldung-Schüler Nikolaus Kremer sich bis zu seinem Lebensende zum katholischen Glauben bekannte.5 Aus diesem Grund hatte er vermutlich auch die Stadt Straßburg, deren Bürger er im Jahre 1521 geworden war, 1547 verlassen, nachdem hier die Reformation eingeführt worden war.6 Dem Wortlaut der Inschrift entsprechend ließ er sich daraufhin in der Stadt Baden nieder. Welche Gründe ihn im Jahre 1553 nach Ottersweier führten, ist nicht überliefert. Mone vermutete, er habe den Auftrag zur Ausführung der Wandmalereien zu den Zehn Geboten erhalten und sei während der Arbeit verstorben, doch scheinen nach anderer Überlieferung beide Zeitpunkte nicht vereinbar.7

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch einen nach oben ausgebuchteten Balken über den Buchstaben va. Das zweite e etwas kleiner ausgeführt und hochgestellt.
  2. So statt discret(vs). Kürzung durch stark gebogenen us-Haken, der in den Unterlängenbereich ragt.
  3. Das etwas kleiner ausgeführte und ansatzweise ausgerundete o offensichtlich nachträglich und zu nah am c eingefügt. Dabei wurden vermutlich die ursprünglichen Trennstriche getilgt.
  4. Das c wie der entsprechende Versal vollkommen ausgerundet.
  5. Kürzung durch einen nach oben ausgebuchteten Balken über sämtlichen drei Buchstaben.
  6. So statt req=/=uiescat.
  7. Unterbrechung durch den von unten in den Text hineinragenden Wappenschild.
  8. pro-Silbenkürzel. Der Kürzungsbogen setzt über dem Ansatzpunkt des p-Bogens an.

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Baugeschichte der Kirche Coenen, Baukunst 155–159; Kirchenführer Ottersweier 2f. Zur Lokalisierung s. a. Baugewerke-Schule Karlsruhe, o. S.
  2. Vgl. Baugewerke-Schule Karlsruhe, o. S.
  3. Marke: Kopfkreuzschaft mit erniedrigter Mittelkreuzsprosse; der Balken des Kopfkreuzes spitz abgewinkelt; vgl. Marke nr. 34.
  4. Vgl. nrr. 292, 293; s. a. Einl. Kap. 5.2, LXXXI.
  5. Vgl. Sauer, Reformation und Kunst 431 Anm. 3; zu Nikolaus Kremer allg. siehe Kölble (wie unten) 30–41; Renaissance, Bd. 2, 938; Paul Wescher, Nicolas Kremer of Strassburg, in: The Art Quarterly 1 (1938) 204–209; Rott, Quellen u. Forschungen, T. 3, Bd. 1, 225f.; ThB (wie unten); Sauer, Kirchliche Denkmalskunde (1907) 286. S. a. nrr. 211, 239, 246, 253.
  6. Vgl. Wescher (wie Anm. 5) 204f.
  7. Vgl. zur Wandmalerei nr. 216; zu Mones Hypothese siehe Sauer, Kunst 395f.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe 65/346, Neveu, Beschreibung, fol. 124r.
  2. GLA Karlsruhe N Mone 143, Mone, Skizzenbuch, fol. 58v.
  3. Mone, Beiträge (1827) 161.
  4. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Baden-Baden, fol. 27r.
  5. Beust, Ritter 11 (erw.).
  6. Reinfried, Pfarrei Ottersweier 57 Anm. 1.
  7. Baugewerke-Schule Karlsruhe, o. S. (Abb.).
  8. Sauer, Kirchliche Denkmalskunde (1907) 286 (erw.).
  9. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nrr. 8519, 8520.
  10. Sauer, Reformation und Kunst 431 (unvollst.).
  11. ThB, Bd. 21, 494 (unvollst.).
  12. Sauer, Kunst 395 (erw.).
  13. Rott, Quellen u. Forschungen, T. 3, Bd. 1, 226, Bd. 3, 100 (Abb.).
  14. Karl Knüttel, Ottersweier. Ein Gang durch die Jahrhunderte, hg. v. d. Gemeinde Ottersweier, Ottersweier 1975, 155 (Abb.).
  15. Maria Kölble, Nikolaus Kremer, in: Bühler Heimatgeschichte 6 (1992) 30–41, hier 30 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 296 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0029607.