Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 292 Ottersweier, kath. Pfarrhof 1552

Beschreibung

Grabplatte für Hans Joseph Kirsser d. Ä. und seine Ehefrau. Ehemals offenbar in der Ottersweierer Pfarrkirche an der Langhausnordwand nahe des Taufsteins im Boden.1 Im Zuge des Neubaus der Kirche2 von 1906/09 gehoben und in die Westseite der Umfassungsmauer des Pfarrhofes versetzt. Hier südlich der Grabplatte für Hans Joseph Kirsser d. J.3 Rötlicher Sandstein. Auf der Randleiste sind zwischen zwei rahmenden Ritzlinien die Sterbevermerke für beide Eheleute umlaufend eingemeißelt. Im unteren Bereich des Binnenfeldes schließt sich die in einfache Lineatur gesetzte Fürbitte zeilenweise an. Darüber sind in einem eingetieften Rundbogenfeld zwei Eheallianzwappen unter gemeinsamem Helm ausgehauen. Die Platte ist stellenweise stark abgetreten; dadurch beträchtlicher Textverlust.

Maße: H. 174, B. 83, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. Anno · domini · 1 · 5 · 5 · 2 · vff · / den · 28 · Jvlij · starb · der · Ernvest · hanns [·] J̣oseph · kÿrsser · / von · waldsteg · vnd · vff · / den · [– – – a]nno · 1 · 5 · 5 · 2 · starb · die · Erntreÿche · //a) [– – – / – – – / – – –]gott · der / · Almechtig · gnedig · / vnd · barmhertzig · seÿ

Wappen:
Kirsser4, [unkenntlich]5.

Kommentar

Die Schriftmerkmale sind mit jenen der Grabmäler für Hans Joseph Kirsser d. J. und Nikolaus Kremer identisch, so daß die Ausführung zweifellos demselben Steinmetz zuzuweisen ist.6 Ergänzend läßt sich hier darauf hinweisen, daß das E sowohl in Kapitalis (Erntreÿche) als auch in Fraktur (Ernvest) ausgeführt wurde.

Hans Joseph Kirsser d. Ä. war ein Sohn des badischen Kanzlers Dr. Jakob Kirsser,7 der im Jahre 1531 das Waldsteger Schlößchen (heute Stadgeschichtliches Institut Bühl-Neusatz) für 400 Gulden erworben hatte.8 Offenbar ging das Anwesen nach dessen Tod an Hans Joseph über, der die Wasserversorgung des Gebäudes einer grundlegenden Erneuerung unterzog.9 Im Jahre 1540 ist er als Schultheiß zu Baden bezeugt.10 1549 beklagte er sich über einige neu errichtete Plauelmühlen am Ottersweierer Laufbach, da sie ihn in seiner Fischgerechtigkeit beeinträchtigten.10 Hans Josephs Ehe ist bisher nur durch diese Grabplatte nachweisbar, auf der jedoch weder der Name noch das Wappen der Frau erkennbar geblieben ist. Aus dieser Verbindung ging offenbar Hans Joseph Kirsser d. J. hervor, der im gleichen Jahr verstarb und in unmittelbarer Nähe bestattet wurde.3

Textkritischer Apparat

  1. Danach Fortsetzung der Inschrift im Binnenfeld.

Anmerkungen

  1. Erschlossen aus PfA Ottersweier B 81, Kircher, Wandmalereien, o. S. Hier ist von einem Photo mit drei freigelegten Grabsteinen die Rede, die sich ehemals zu Füßen einer Wandmalerei mit dem auferstandenen Christus sowie den Aposteln Johannes und Jakobus innen an der Nordwand des Kirchenschiffes (siehe nr. 216/I) befunden hätten. Dieses Photo ist zweifellos mit der Ablichtung identisch, die in RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, o. Neg. (wie unten) vorhanden ist und auf der die hier behandelte Grabplatte und die Grabplatten für Hans Joseph Kirsser d. J. (nr. 293) sowie Margareta von Windeck (nr. 95) abgebildet sind. Das windecksche Grabmal wurde 1573 in der Nähe des Taufsteins bezeugt, vgl. nr. 95.
  2. Vgl. zum Neubau der Kirche um 1906/09 Coenen, Baukunst 155–159.
  3. Vgl. nr. 293.
  4. Vom Schildbild lediglich noch der Sparren schwach erkennbar. Helmzier: Kirsser.
  5. Geteilt: oben anscheinend gerautet (?), unten anscheinend eine anstoßende Spitze (?). Nahezu unkenntlich.
  6. Vgl. nr. 293 (hier auch die Schriftbeschreibung), 296; s. a. Einl. Kap. 5.2, LXXXI.
  7. Vgl. Gartner (wie unten) 418; Wolfgang Leiser, Markgraf Christof I. von Baden, seine Beamten, seine Gesetze, in: ZGO 108 (1960) 244–255, hier 252. Zu Jakob Kirsser und seiner Familie s. a. NDB, Bd. 7, 44; Fritz Wielandt, Dr. Jakob Kirsser der Verfasser der badischen Erbordnung von 1511, in: ZGO 83 NF 44 (1931) 350f.
  8. Vgl. Gartner (wie unten) 414. Zum Schloß Waldsteg vgl. Patrick Götz / Michael Rumpf, Geschichte Schloß Waldsteg, in: Schloß Waldsteg: Geschichte und Bestände, hg. v. Stadtgeschichtlichen Institut Bühl, Bühl 1999, 15–35.
  9. Vgl. Gartner (wie unten) 418.
  10. Vgl. ebd. 420.

Nachweise

  1. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, o. Neg., Bildtitel: Ottersweier, Grabsteine aus der 1906 abgebrochenen katholischen Kirche, die Grabsteine links und in der Mitte bez. 1552, heute an der Kirchhofmauer.
  2. PfA Ottersweier B 81, Kircher, Wandmalereien, o. S. (unvollst.).
  3. Suso Gartner, Schloß Waldsteg im Besitz badischer Kanzler und ihrer Verwandten, in: Die Ortenau 79 (1999) 412–422, hier 419 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 292 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0029205.