Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 284(†) Baden-Baden, kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau (ehem. Stiftskirche) 2. V. 16. Jh.

Beschreibung

Altarkreuz, sog. „kleines Kapitelskreuz“. Silber, teilweise vergoldet, getrieben, gegossen, graviert; Bergkristall, Email. Der querovale, den felsigen Grund des Kalvarienberges imitierenden Fuß mit tiefer seitlicher Kehlung. Am Stehrand das Beschauzeichen der Stadt Baden und eine unkenntliche Meistermarke.1 Nach Franz Josef Herrs Angaben waren noch um 1800 auf der Oberseite des Fußes die Figuren Markgraf Philiberts von Baden-Baden und Mechthilds von Bayern „von Silber gegossen ebenso kniend wie auf dem Monumente abgebildet zu sehen.“2 Bereits 1801 fehlte davon eine Figur, die man zur Versilberung eines Rauchfasses verwendet hatte.3 In den folgenden Jahren muß auch die zweite abhanden gekommen sein.4 Heute zeugen von den ehemaligen Applikationen lediglich einige Bohrungen zu deren Befestigung. Die Vorderseite der in der Mitte des Fußes befindlichen Anhöhe, in die die Verankerung für das Kreuz eingelassen ist, zeigt einen getriebenen und gravierten Wappenschild. Das aufgesteckte, palmettenendige Kreuz besteht aus Bergkristall und ist in einen silbernen Rahmen eingefaßt, der an den Balkenenden mit applizierten Blüten verziert ist. Kreuz und Fassung sind durch sechs Spangen und sechzehn Nieten miteinander verbunden. Im Zentrum der in Silber gegossene Korpus, dessen Dornenkrone verloren ist. Das Kristallkreuz zeigt mehrere figürliche Darstellungen in Hinterglasmalerei:5 Hinter dem Gekreuzigten ein Astkreuz. Unter seinen Füßen Maria Magdalena in dunklem Puffärmelkleid, die das Kreuz mit beiden Armen umfaßt und zum Erlöser aufschaut. In den Kreuzenden – heute kaum mehr wahrnehmbar – die stark beschädigten Symbolwesen der Evangelisten, ehemals umgeben von entrollten weißen Schriftbändern mit den darauf in Schwarz verzeichneten Namen. Links Matthäus (A), oben Markus (B), rechts Lukas (C) und unten Johannes (D). Auf der Rückseite des Metallrahmens gravierte Arabesken.

Inschriften nach RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv.

Maße: H. 50,5, B. 27,5, Bu. ca. 0,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

LDA Karlsruhe [1/1]

  1. A

    [S(ANCTVS)] //a) ṂẠṬẸṾ[S]

  2. B

    [S(ANCTVS) MARCVS]

  3. C

    S(ANCTVS) LVCASb)

  4. D

    S(ANCTVS) IOH[AN(N)ES]c)

Wappen:
Trautenberg (?).6

Kommentar

Die wenigen noch erkennbaren Buchstaben lassen deutliche Linksschrägen- und Bogenverstärkungen erkennen. Sie sind außerdem mit kräftigen Sporen versehen.

Aus den ehemals am Fuß angebrachten Figuren geht hervor, daß dieses Altarkreuz dem Kollegiatstift Baden von Markgraf Philibert von Baden-Baden und seiner Frau Mechthild von Bayern verehrt worden war.7 Allerdings sprechen das damit nicht zu vereinbarende Wappen8 und das ursprünglich von einem anderen Kreuz stammende Kristall9 dafür, daß die Arbeit damals keine einheitliche Neuschöpfung darstellte, sondern lediglich ältere Teilstücke in neuer Form vereinigte. Da sich die Inschriften auf dem Bergkristall befinden, kann der Stiftungsakt, der zumindest noch vor dem Tode Philiberts (1569) stattgefunden haben muß, für ihre zeitliche Einordnung nur als terminus ante quem gewertet werden. Schroth datiert die Entstehung des Kristallkreuzes nach kunstgeschichtlichen Kriterien in das 2. Viertel des 16. Jahrhunderts.9 Diese Zeitstellung läßt sich mit den photographisch dokumentierten Buchstabenformen durchaus vereinbaren, aufgrund des geringfügigen Schriftbefundes aber nicht präzisieren.

Textkritischer Apparat

  1. Unterbrechung durch das Haupt des geflügelten Wesens.
  2. S(ANCTVS) LVCAS] Inschrift gegen den Uhrzeigersinn ausgeführt. Das A ohne Mittelbalken (Beschädigung?).
  3. Kürzung aus dem verbleibenden Raum erschlossen.

Anmerkungen

  1. Zum Beschauzeichen vgl. Rosenberg, Goldschmiedezeichen, Bd. 1, 244 nr. 1068. Das unkenntliche Meisterzeichen intepretierte Mone als Hund und bezog es auf den Baden-Badener Goldschmied Sebastian Hundt, der in einer zeitgenössischen Darstellung des Leichenzuges Markgraf Philipps II. von Baden-Baden (1588) abgebildet ist, vgl. Rosenberg, Goldschmiedezeichen, Bd. 1, 244 nr. 1073; GLA Karlsruhe 46/2342, Leichenzug Philipps II. von Baden, o. S.; Kdm. Baden-Baden 15 (Abb. 10), 103 nr. 6.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 26v. Zum Epitaph siehe nr. 344.
  3. Vgl. ecclesia 32 nr. 7.
  4. In GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 26v (um 1820) bereits als verloren bezeugt.
  5. Beschreibung nach RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nr. 0130 (Aufn. um 1910).
  6. Vgl. Adelslexikon, Bd. 14, 507–509; Siebmacher Bö 40 (Taf. 32). Das gleiche Wappen führten die verwandten Familien Pfreimbd, Wild und Obernburg, vgl. Karl von Kandelsdorfer, Das uradelige Geschlecht Trauttenberg, in: Monatsblatt der heraldisch-genealogischen Gesellschaft „Adler“ 10 (1926–1930) 305–309, hier 306. Dem Schildbild nach kommt ebenfalls das Geschlecht der Hofer in Dinkelsbühl in Betracht, vgl. Alberti, Wappenbuch 329.
  7. Vgl. zu Philibert nr. 344, zu Mechthild nr. 327.
  8. Eine Beziehung des ursprünglich oberpfälzischen Adelsgeschlechtes von Trautenberg zum Kollegiatstift der Stadt Baden oder zur markgräflich badischen Familie läßt sich bislang nicht nachweisen (vgl. Karl von Kandelsdorfer, Die ältere Linie des uradeligen Geschlechts Trauttenberg 1252–1488; ders., Die jüngere Linie des uradeligen Geschlechtes Trauttenberg, in: Monatsblatt der heraldisch-genealogischen Gesellschaft „Adler“ 10 (1926–1930) 413–429 bzw. 518–533). Möglicherweise hatte Mechthild von Bayern das Kreuz oder zumindest den Fuß mit nach Baden gebracht.
  9. Vgl. Schroth (wie unten).

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 26v (erw.).
  2. Herr, Begräbnisse Pfarrkirche 9 (erw.).
  3. Ausstellung Baden-Baden (1902) 130 nr. 166 (erw.; Zuordnung unsicher).
  4. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nr. 0130 (Aufn. um 1910).
  5. Kdm. Baden-Baden 103f. nr. 6 (erw.), 107 (Abb. 89).
  6. Schroth, Mittelalterliche Goldschmiedekunst 63 nr. 96 (erw.).
  7. ecclesia 32f. nr. 7 (erw.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 284(†) (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0028408.