Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 275(†) Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Compton Verney House (Warwickshire, GB), Baden-Baden 1549

Beschreibung

Drei Tafelbilder mit den Porträts des Markgrafen Philibert von Baden-Baden (I), des Pfalzgrafen Ludwig (II) sowie des Grafen Johann III. Heinrich von Ortenburg (III).1 Öl auf Leinwand (I). Im Jahre 1549 von Hans Besser offenbar am Hof zu Baden-Baden erstellt, wo sich die adeligen Knaben zu dieser Zeit gemeinsam aufhielten.2 Zu dieser Bildnisreihe gehört(e) ein viertes Gemälde mit dem Portrait des Markgrafen Christoph II. von Baden-Baden. Ein solches befindet sich derzeit in der Staatsgalerie Bamberg und wird von Löcher als Original behandelt.3 Eine entsprechende Inschrift ist darauf jedoch nicht erkennbar. Ein konkretes Zeugnis über den ursprünglichen Standort aller Bilder in Baden-Baden existiert nicht. Zumindest in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dürften sie noch gemeinsam verwahrt worden sein, da von ihnen zu dieser Zeit im Auftrag Erzherzog Ferdinands II. von Österreich Kopien erstellt wurden.4 Das Ficklersche Inventar der herzoglich bayerischen Kunstkammer nennt 1598 ein Bildnis des Markgrafen Christoph II. von Baden-Baden „seines alters im 12. Jar“, zwei andere des Markgrafen Philibert von Baden-Baden, eins davon aus dessen 13. Lebensjahr, sowie ein weiteres Pfalzgraf Ludwigs „seines alters im 10. Jar, abgemahlt Anno 1549“.5 Dabei handelt es sich zweifellos um drei der ursprünglich vier inschriftlich bezeichneten Originalbildnisse.6 Bereits Ladner wies darauf hin, daß es sich bei der Zuweisung des vierten, ohne Altersangabe aufgeführten Gemäldes an Markgraf Philibert um einen Irrtum handeln dürfte.7 Dieses sei vielmehr mit dem ehemals in Augsburg und heute in Bamberg befindlichen Bild der Bayerischen Staatsgemäldesammlung gleichzusetzen, das aufgrund der erkennbaren Unterschiede in Pose und Kleidung nur Markgraf Christoph, nicht aber Philibert abbilden könne. Da das Originalporträt Christophs jedoch nach den Inventar-Angaben offenbar eine inschriftliche Altersangabe aufwies, muß es sich bei dem noch existierenden Bild um eine Kopie handeln, die zusätzlich zu derjenigen in der Porträtsammlung Erzherzog Ferdinands II. (Kunsthistorisches Museum Wien) existiert.8

Sämtliche Gemälde geben die Knaben als leicht nach rechts gewendete Hüftfiguren wieder. Der damaszierte Hintergrund ist von verschlungenem Ranken- und Bandelwerk geprägt, das verschiedene florale und geometrische Motive ausbildet. Die Köpfe der Jünglinge tragen ein flaches Barett, an dessen Krempe eine Agraffe befestigt ist.9 Ihre dunklen Mäntel überdecken teilweise ein schwarz gesäumtes Wams und ein helles, überwiegend gefälteltes Hemd, das bis zum Kragen geschlossen ist. Um den Hals hängt stets eine lange Gliederkette mit einem quadratischen Kleinod, das mit einem hochovalen Edelstein besetzt ist. An einer gesonderten schwarzen Schnur tragen die vier Knaben außerdem eine Jagdpfeife bei sich, die aus einer unten von Blättern eingefaßten Kugel besteht, an der oben das geschwungene Blasrohr in Form eines Drachenhalses ansetzt.10

I. Porträt Markgraf Philiberts von Baden-Baden. Nach 1598 erst wieder 1754 als Bestandteil der Gemäldesammlung in Schloß Dachau (Inv.-nr. 241) bezeugt.11 Im Jahre 1802 nach München überführt. Bereits 1882 in der Gemäldesammlung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, wo es sich noch heute als Leihgabe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen befindet (Inv.-nr. Gm. 329 / Inv.-nr. 3261/4251). Der Knabe umfaßt mit der rechten Hand die Parierstange seines Schwertes und hat die beringte Linke an die Hüfte gelegt. Links und rechts des Hauptes der in Gelb aufgemalte Bildtitel (A).

Inschrift nach Müller (Abb.).

Maße: H. 70,2, B. 61,3,12 Bu. ca. 1,5–2,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    PHILIBERTVSa) MARC//HIOa)b) BADENSISa) / ANNOa) D(OMI)NI 1549 //b) ANNOa) AETATIS 13

Übersetzung:

Philibert Markgraf von Baden im Jahr des Herrn 1549, im dreizehnten Lebensjahr.

II. Porträt Pfalzgraf Ludwigs. 1935 von Gerhard Ladner unter Berufung auf Karl Steneberg irrtümlich in einem Schloß Blankenburg in Schweden bezeugt.13 Vielmehr handelte es sich um das gleichnamige Welfenschloß im Harz (Lkr. Wernigerode). 2002 für Compton Verney House (Warwickshire, region West Midlands, GB) erworben.

Der Knabe hat die Rechte an seine Hüfte gelegt und umfaßt mit der Linken den Griff seines Schwertes. Zu beiden Seiten seines Kopfes der Bildtitel (B) in hellen Buchstaben.

Inschrift nach Löcher (Abb. 11).

  1. B

    LVDOVICVSa) · COM(ES) //b) PAL(ATINVS) · RHENI · DVX / BAVARIAE AN(N)O · //b) D(OMI)NI · 1 · 5 · 4 · 9 · / AETATIS · 10

Übersetzung:

Ludwig Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern im Jahr des Herrn 1549, im Alter von 10 (Jahren).

III. Porträt Graf Johanns III. Heinrich von Ortenburg. Die in Schloß Ambras bei Innsbruck befindliche Kopie (Kunsthistorisches Museum Wien, Inv.-nr. G 127) des verschollenen Originals bildet die anscheinend in Hüfthöhe nah beieinanderliegenden Hände des Jünglings nicht mit ab, hebt hingegen das Rankenwerk im Hintergrund stärker hervor.14 Über dem Kopf in hellen Buchstaben der von unsicherer Hand offenbar nur unvollständig vom Original übertragene Bildtitel (C). Die Buchstaben sind an zahlreichen Stellen durch Farbverlust nicht mehr vollständig.

Inschrift nach Kopie des Kunsthistorischen Museums Wien (Inv.-nr. G 127), abgebildet in Löcher (Abb. 12).

  1. C†

    IOH(ANNES) · HENRICVS COMES ORTENBVRG/=ENSISc) [– – –]d)

Übersetzung:

Johann Heinrich Graf von Ortenburg (…).

Kommentar

Die Kapitalis in Inschrift (A) ist etwas qualitätvoller als in (B) ausgeführt, jedoch zweifellos von derselben Hand. Sie läßt deutliche Linksschrägen- und Bogenverstärkungen mit linksschräger Schattenachse erkennen. Die Balken, Rechtsschrägen und geraden Schäfte sind hingegen nur sehr schmal. Der untere Bogen des B ist größer als der obere. Alle drei Balken des E haben eine unterschiedliche Länge und tragen schräg geschnittene, überwiegend nur nach innen weisende Sporen. Der Mittelteil des M erreicht die Grundlinie. Die Cauda des R ist in (A) stachelförmig, in (B) hingegen geschwungen. Der Balken des T ist rechtsschräg geschnitten. Als Worttrenner dienen in (B) Quadrangel auf halber Zeilenhöhe. Die Beauftragung Hans Bessers mit der Ausführung der vier Knabenporträts steht sicher im Zusammenhang mit der Abkunft des Pfalzgrafen Ludwig aus dem kurfürstlichen Hause in Heidelberg, das den Maler seit dem Jahre 1546 am Hof beschäftigte.2 Das Motiv für die Anfertigung der Porträts ist nicht überliefert. Ganz offensichtlich waren die Bilder als Bestandteil einer Serie gedacht, wie die nahezu identischen Posen, Kleidungsstücke und Schmuckgegenstände der Figuren verraten.15 Über die späteren Beziehungen der in jungen Jahren gemeinsam erzogenen Kinder ist kaum etwas überliefert. Die Markgrafenbrüder gerieten über die Aufteilung ihres Erbes in Streit und hatten zeitlebens nur wenig Kontakt.16 Als Pfalzgraf Ludwig im Jahre 1576 Kurfürst wurde,17 waren beide bereits nicht mehr am Leben. Graf Johann III. Heinrich von Ortenburg verzichtete 1559 auf die ihm zustehende Regierungsübernahme in der Grafschaft, begnügte sich mit seiner Stellung als Landeshauptmann in Säben (Sabena, Südtirol) und Klausen (Chuisi, Südtirol) und widmete sich vorwiegend der Kunst.18 Ob diese Entscheidung, wodurch sein Vetter Joachim, der spätere Kopf der protestantischen bayerischen Adelsverschwörung von 1563, an die Regierung gelangte, auch konfessionelle Beweggründe hatte, ist nicht bekannt.19 Für die übrigen drei Landesherren ist ihr Engagement für das Luthertum hinreichend belegt.20

Textkritischer Apparat

  1. Der Anfangsbuchstabe vergrößert ausgeführt.
  2. Unterbrechung durch den Kopf des Knaben.
  3. Die Trennzeichen vor dem E nur unsicher erkennbar.
  4. Die Lücke in Analogie zu den Inschriften (A) und (B) erschlossen. Es fehlt offenbar die Jahres- und Altersangabe.

Anmerkungen

  1. Vgl. zu sämtlichen diese Bilder betreffenden Angaben Löcher (wie unten) 83–88.
  2. Vgl. zu Hans Besser AKL, Bd. 10, 208f. Zum vermuteten Ort der Anfertigung siehe Ladner (wie unten) 385; Löcher (wie unten) 85.
  3. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Inv.-nr. 740/4252 (Leihgabe an die Staatsgalerie Bamberg), vgl. Löcher (wie unten) 86f. mit Anm. 50.
  4. Vgl. Löcher (wie unten) 85, 88; siehe dazu Kunsthistorisches Museum Wien, Portraitsammlung des Erzherzogs Ferdinand (wie unten); Ladner (wie unten); allg. zur Porträtsammlung siehe Karl Schütz, Die Porträtsammlung Erzherzog Ferdinands von Tirol und ihr Verhältnis zu Paolo Giovio. Ein Bericht zur Forschungslage, in: Il ritratto antico illustrato 1 (1983)[1984] 54–61.
  5. Fickler, Inventar 211f., nrr. 3060, 3097; 220 nr. 3308; 213 nr. 3124; s. a. Die Münchner Kunstkammer, Bd. 2, 924 nr. 3060; Ladner (wie unten) 387; Reber, Bildnisse 18f.
  6. Da die Inschrift zum Originalporträt Markgraf Christophs nur aus dem Eintrag im Ficklerschen Inventar erschließbar ist und hier lediglich in Paraphrase erwähnt wird, muß auf ihre Edition aufgrund von zu wenigen verläßlichen Angaben verzichtet werden.
  7. Vgl. Ladner (wie unten) 387 nr. G 29.
  8. Diese Vermutung, stützt sich auch auf die Annahme, daß Hans Besser die Bildnisreihe sicher auf einheitlichem Material ausgeführt hat. Indessen ist das Originalbildnis Philiberts auf doublierter Leinwand, das Christophs jedoch auf Pergament gemalt, das erst danach auf Leinwand aufgezogen wurde, vgl. Löcher (wie unten) 85f. mit Anm. 49, 50.
  9. Auf der Kopie des Porträts Graf Johann Heinrichs von Ortenberg fehlt die Agraffe.
  10. Vgl. zur Identifizierung Ladner (wie unten) 385; Löcher (wie unten) 86. Zu hochwertigen Pfeifen als Statussymbol vgl. Yvonne Hackenbroch, Renaissance Jewellery, München 1979, 124–126.
  11. Vgl. zu den Standortnachweisen im Einzelnen Löcher (wie unten) 100 Anm. 49.
  12. Maßangaben nach Löcher (wie unten) 100 Anm. 49.
  13. Vgl. zu den Standortangaben Die Münchner Kunstkammer, Bd. 2, 924 nr. 3060; Löcher (wie unten) 100 Anm. 52; Ladner (wie unten) 385; s. a. Christensen (wie unten) 140 Anm. 2: „Blankenborg Slot, Sverige“.
  14. Vgl. Löcher (wie unten) 87.
  15. Vgl. Löcher (wie unten) 88.
  16. Vgl. Weech, Badische Geschichte 139–149; zu Markgraf Christoph II. vgl. Weber-Krebs, Markgrafen 290–295; Wilfried Dotzauer, Die westlichen Gebiete der Markgrafen von Baden von 1402–1803. Erwerbungen, Projekte, kulturelle und administrative Leistungen, in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter 14 (1968) H. 2, 31–54, hier 40f.; zu Philibert siehe nr. 344.
  17. Vgl. zu Kurfürst Ludwig VI. von der Pfalz Schaab, Geschichte der Kurpfalz, Bd. 2, 50–58; Irene Dingel, Eine Etappe Kurpfälzer Konfessionsgeschichte. Die Vorrede zu Konkordienformel, Konkordienbuch und Kurfürst Ludwig VI., in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 69 (2002) 27–48, hier 30–34; Konrad Ackermann, Testamente als Elemente territorialer Religionspolitik. Die letztwilligen Verfügungen der pfälzischen Kurfürsten Friedrich III. (1559-1576) und Ludwig VI. (1576-1583), in: Bayern – vom Stamm zum Staat. Festschrift für Andreas Kraus zum 80. Geburtstag, hg. v. Konrad Ackermann (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 140), Bd. 1, München 2002, 361–398, hier 361–370; zu Ludwigs Grabmal in Heidelberg siehe DI 12 (Heidelberg) nr. 370.
  18. Vgl. zur Biographie des Grafen Johann III. Heinrich von Ortenburg Löcher (wie unten) 87f.; Friedrich Hausmann, Die Grafen zu Ortenburg und ihre Vorfahren im Mannesstamm, die Spanheimer in Kärnten, Sachsen und Bayern, sowie deren Nebenlinien. Ein genealogischer Überblick, in: Ostbairische Grenzmarken 36 (1994) 9–62, hier 33 nr. XIV; zu Johanns Grabmal in Passau siehe DI 67 (Passau) nr. 603.
  19. Vgl. Christian Wieland, Die bayerische Adelsverschwörung von 1563. Ereignis und Selbstdeutungen, in: Zeitenblicke 4 (2005) H. 2, passim.
  20. Zu Konfession und Kirchenpolitik vgl. Bartmann, Kirchenpolitik (1535–1622) 39–111 (Philibert); Weber-Krebs, Markgrafen 295 (Christoph); Ackermann (wie Anm. 17) 361–370 (Ludwig).

Nachweise

  1. Kunsthistorisches Museum Wien, Portraitsammlung des Erzherzogs Ferdinand, Kopien (2. H. 16. Jh.) zu den Portraits Markgraf Philiberts (Inv.-nr. G 28; A unvollst.), Pfalzgraf Ludwigs (Inv.-nr. G 11; B unvollst.) und Graf Johann Heinrichs III. von Ortenburg (Inv.-nr. G 127; als Leihgabe in Schloß Ambras, Innsbruck).
  2. Brambach, Bildnisse 18 nr. 80 (nur A erw.).
  3. Müller, Badische Fürsten-Bildnisse, o. S. nr. 9 (nur A; Abb.).
  4. Reber, Bildnisse 18 (nur A erw.).
  5. Gerhart Ladner, Zur Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol (Ambraser Porträtsammlung), in: Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung 49 (1935) 367–391, hier 384–287 (zu Inv.-nr. G 11, 28, 29, 128?).
  6. Sigrid Flamand Christensen, Portraetter af den Danske prinsesse Dorothea, Pfalzgräfin bei Rhein, in: Kunstmuseets Aarsskrift 24 (1937) 130–144, hier 140 Anm. 2 (erw.).
  7. Rott, Quellen u. Forschungen, T. 3, Bd. 1, 18–20 (erw.; Abb. 11 zu A) – Aufgang der Neuzeit. Deutsche Kunst und Kultur von Dürers Tod bis zum Dreißigjährigen Kriege 1530–1650. 15. Juli bis 15. Oktober 1952. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg [Ausstellungskatalog], Bielfeld 1952, 119 nr. M 151 (nur A).
  8. Renaissance, Bd. 1, 161 (Abb. C 7 zu Inschrift A).
  9. AKL, Bd. 10, 208f. (erw.).
  10. Kurt Löcher, Hans Besser – Der Meister der Pfalz- und Markgrafen. Mit einem Beitrag von Barbara Schock-Werner, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 3. F. 47 (1996) 73–102 (mit weiterführender Lit.), hier 83–85 (Abb. 9, 11, 12), 85 (A), 87 (B).
  11. Die Münchner Kunstkammer, Bd. 2, 924 nr. 3060 (Abb. zu I/A).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 275(†) (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0027509.