Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 274 Neuweier (Stadt Baden-Baden), Unteres Schloß 1549

Beschreibung

Flachbogenportal. An der nordwestlichen Seite des Treppenturms im heute überdachten Innenhof. Sandstein. Über dem seitlich verkröpften Türsturz, der den Eingang mit einem Flachbogen überspannt, eine querrechteckige, von zwei Balustern flankierte Tafel. Darin zwei erhaben ausgehauene, zueinandergekehrte Vollwappen, die die am oberen Rand eingemeißelte Jahreszahl (B) unterbrechen. Zwischen den Helmzierden das Stz. nr. 24. Auf den Blattkapitellen ruht ein hoher, querrechteckiger Sturz mit einem das gesamte Portal überfangenden Muschelbogen. Auf dessen Rand zwischen zwei Leistenprofilen die zweizeilig eingemeißelte Bauinschrift (A), die mit einer zentriert in das Bogenfeld gesetzten Fürbitte und einem Trostspruch schließt.

Maße: H. 418, B. 171, Bu. 4–5, Zi. 8–10 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit einzelnen Minuskelbuchstaben.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Klaus Schätzle, Neuweier [1/7]

  1. A

    · PHILIPS · KEMERER · VON WORMS · GNANT · VON · DALBERG · HAYS · ICH · IM IAR · 1 · 5 · 4 · 9 · BAVT · ICH · DISa) · DAMIT · MEIN / ZV · GEDENCKEN · LIS · ICH · HAWEN · DISEN · MEIN · VND MEINER · MVttER KATERINA · GEBORN · VON · CRONBERG SCHILT · VND //b) HELM GOtt ICH VNSER BEYDER SELEN BEVELE / ZEYT BRINGTc) ROSENd)1)

  2. B

    15 //e) 49

Wappen:
Kämmerer von Worms gen. von Dalberg2, Kronberg3.

Kommentar

Die verwendete Kapitalis, die sich aufgrund des Steinmetzzeichens Lux Rengolstein zuweisen läßt,4 ist in vielen Formen merkwürdig verfremdet. Zahlreiche Buchstaben weisen noch Zierelemente der Frühhumanistischen Kapitalis auf, so z. B. das retrograd gestellte N, das spitzovale O oder der mit einer Ausbuchtung nach oben versehene Balken des H. Der obere Bogenabschnitt des C ist gebrochen und am Ende wieder nach oben gebogen. Es entspricht somit der Form des Fraktur-c. Ebenso ist das G aus dem Fraktur-Versal abgeleitet und ähnelt stark einem B. Der verkürzte Schaft des offenen D knickt oben nach rechts um. Der Schaft des I ist überwiegend mit einer Ausbuchtung nach rechts und nur oben mit einem langen, rechtwinklig angesetzten Sporn versehen. Der obere Schrägbalken des K ist bogenförmig zum oberen Schaftende zurückgeführt. Der Buchstabe ist dadurch vom R kaum zu unterscheiden. Der Balken des L ist verkürzt und in der Regel linksschräg gestellt. Der Mittelteil des konischen M bleibt auf die obere Zeilenhälfte beschränkt. Der rechte Schrägschaft des asymmetrischen Y ist etwas durchgebogen und mündet oben in eine schmale Schleife. Das zweistöckige Z ist spitz. Als Worttrenner dienen konturierte Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Der inschriftlich genannte Bauherr, Philipp V. Kämmerer von Worms gen. von Dalberg, war der Sohn Philipps II. (gest. 1533) und Katharinas von Kronberg.5 Die Mutter war eine Tochter Katharinas von Bach, einer Schwester Georgs, dem bis zu seinem Tod im Jahre 1538 der Vorgängerbau des Unteren Schlosses Neuweier gehörte.6 Durch Erbschaft gelangte es danach in Dalbergschen Besitz. Wie aus der Inschrift, zwei weiteren Bauzahlen und dem Steinmetzzeichen hervorgeht, hat Philipp V. das Gebäude offenbar in großen Teilen durch den aus Tirol stammenden und in der Stadt Baden ansässigen Baumeister Lux Rengolstein neu errichten lassen.7 Abgesehen von einigen Veränderungen um 1783, 1895 und 1909 ist der damals geschaffene Zustand bis heute erhalten geblieben.8

Textkritischer Apparat

  1. Das offenbar nachträglich geschlagene S überlagert ein irrtümlich eingemeißeltes H.
  2. Übergang von der Randleiste in das Bogenfeld.
  3. Über dem Wort ein konturierter sechsstrahliger Stern.
  4. Die letzten zwei Zeilen zentriert gesetzt.
  5. Unterbrechung der Inschrift durch die Helmzierden beider Vollwappen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Dt. Sprichwörter-Lexikon, Bd. 5, 552; TPMA, Bd. 13, 371f.
  2. Unter einem Spickelschildhaupt sechs Lilien, 3:2:1 gestellt. Helmzier: ein Flug, darauf in der unteren Hälfte das Wappenbild.
  3. Geviert: 1/4. leer, 2/3. Eisenhutfeh. Helmzier: ein offener, mit dem Wappenbild bezeichneter Flug.
  4. Vgl. nr. 266.
  5. Vgl. Europ. Stammtafeln NF, Bd. 11, Taf. 56; Dalberger Urkunden, Bd. 3, Taf. 5. Die ihn betreffenden Urkunden vgl. ebd. 171 (Registereinträge).
  6. Vgl. zu den Besitzverhältnissen Daferner, Das untere Schloß Neuweier (1989) 288; Glaubitz, Das untere Schloß Neuweier 177f. Zu Georg von Bach vgl. Fischer, Die Herren von Bach, T. 2, 88 (nr. VIII.3).
  7. Vgl. zum Baumeister Glaubitz, Das untere Schloß Neuweier 181; s. a. nr. 266.
  8. Vgl. zur Baugeschichte des Schlosses Daferner, Das untere Schloß Neuweier (1989) 286f. (weitgehend unter Berufung auf Glaubitz, Das untere Schloß Neuweier 181f.).

Nachweise

  1. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/8, Fragebögen (1853), Antwortschreiben des Großherzoglichen Bezirksamts Bühl vom 6.11.1853 an den Großherzoglichen Konservator der Kunstdenkmale in Baden, die Erhaltung und Aufzeichnung vaterländischer Altertümer betr. (Verf. Betzinger), o. S. (Abb.).
  2. GLA Karlsruhe 346/Zug. 1919/14/15, Fragebögen (1853), Antwortschreiben des Pfarramts Neuweier an den Großherzoglichen Konservator der Kunstdenkmale in Baden, 1853, o. S.
  3. Naeher, Burgen u. Schlösser, o. S. (Abb.).
  4. Naeher, Ortenau 31, Bl. 7 (Abb.).
  5. Reinfried, Das untere Schloß zu Neuweier 1 (Abb.), 2.
  6. Glaubitz, Das untere Schloß Neuweier 178 (erw.).
  7. Daferner, Das untere Schloß Neuweier (1984) 145 (erw.).
  8. Willi Daferner u. a., Fundamentum zur Geschichte der Stadt Baden-Baden, hg. v. der Stadt Baden-Baden in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Schulamt Baden-Baden, Baden-Baden 1988, 91 (Abb.).
  9. Daferner, Das untere Schloß Neuweier (1989) 284 (Abb.).
  10. Daferner, Wappen 28 (Abb.).
  11. Kieser u. a., Kunst- u. Kulturdenkmale RA/BAD 118 (erw.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 274 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0027402.