Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 244 Baden-Baden, altkath. Pfarrkirche St. Maria u. Vierzehn Nothelfer (ehem. Spitalkirche) 1536

Beschreibung

Epitaph für Hansjakob von Cammern gen. Knebler. Im Jahre 1801 von Franz Josef Herr als zweites Grabmal „links des grosen Eingangs“ bezeugt.1 Im Zuge der Renovierung von 1865 im Kirchenschiff an die Stirnseite des westlichen Südwandstrebepfeilers versetzt.2 Nach der Kürzung des westlichen Langhausjoches im Jahre 1963 an die Westseite des östlichen Strebepfeilers der Langhaussüdwand versetzt.3 Hier in etwa 1,50 m Höhe. Sandstein. Das hochrechteckige Grabmal besteht aus zwei übereinandergesetzten, querrechteckigen Platten. Auf der oberen (ursprünglich unteren?) ist ein mit mehreren Nägeln angeheftetes Pergamentblatt nachgebildet; darauf der zeilenweise eingemeißelte Sterbevermerk mit Fürbitte. Die untere Platte stark eingetieft; im Zentrum des Binnenfeldes ein reliefiertes Vollwappen, in den Ecken die vier Schilde der heraldischen Ahnenprobe.

Maße: H. 88, B. 61, Bu. 3–4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. VFFa) DEN · 9 · TAG · TA=/NVARIIb) · ANNO · 1536c) · / STARB · DER · EDEL · VND · / VEST · HANSIACOB · VON / CAMERN · GENANT · KN=/EBLER · DES SELd) / GOT · GENADe)

Wappen:
Knebler von Cammern4;
Knebler von Cammern5Schlatt6
unbekannt7Ramstein8.

Kommentar

Die Buchstaben sind mit deutlichen Sporen ausgestattet, die an den Balken stets rechtsschräg, sonst aber variabel ausgerichtet sind. Die Schrift ist in den beiden oberen Zeilen deutlich größer ausgeführt. Die Spitze des A ist mit einem schräg nach oben aufragenden Dorn versehen. Alle Balken des E sind von unterschiedlicher Länge, wobei das freie Ende des unteren wie am L nach oben gekrümmt ist. Die stark verkürzte Cauda des G setzt erst oberhalb der Grundlinie am Bogen an. Das I verfügt regelmäßig über einen i-Punkt. Der Mittelteil des konischen M beansprucht nur die obere Zeilenhälfte. Schrägschaft und rechter Schaft des N verschmelzen in einer Spitze, die nach klassischem Vorbild keinen Sporn trägt. Der Bogen und die stachelförmige Cauda des R treffen weit vorn zusammen. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe, die teilweise paragraphzeichenförmig gestaltet sind.

Die Buchstaben lassen sich in nahezu identischer Form nochmals auf einer Wappenscheibe von 1551 auf Schloß Neueberstein beobachten.9 Offenbar stammen beide Inschriften von demselben Steinmetzen.

Die Knebler von Cammer(n), die dem Wappen nach mit dem bayerischen Geschlecht von Cammer verwandt waren,10 sind bisher kaum erforscht.11 Der Verstorbene ist deshalb genealogisch nicht einzuordnen. Feststeht, daß das Obere Schloß zu Neuweier (Stadt Baden-Baden) am 6. Juni 1521 von Konrad Stein von Reichenstein an einen nahen Verwandten des Verstorbenen namens Konrad Knebel von Cammer verpfändet wurde.12 Doch bereits am 14. Dezember 1549 mußten die Vormünder von dessen unmündigen Töchtern Anna und Elisabeth von Cammer das Anwesen wieder einlösen.13 In späterer Zeit läßt sich die Familie in der Markgrafschaft Baden nicht nachweisen. Diese Linie scheint demnach mit den genannten Töchtern erloschen zu sein.14

Textkritischer Apparat

  1. Der erste Buchstabe um ca. 0,5 cm höher.
  2. So statt IA=/NVARII.
  3. Am unteren Schaftende der 1 setzt links ein unter die Grundlinie gezogenes Zierhäkchen an.
  4. DES SEL] In scriptura continua.
  5. Die letzte Zeile links weit eingerückt und mit großem Wortabstand.

Anmerkungen

  1. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 51r–v.
  2. Vgl. Kdm. Baden-Baden 216, 220 nr. 26; zu den Renovierungsmaßnahmen von 1865 s. a. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/281, Spitalkirche, passim.
  3. Vgl. Stadtkreis Baden-Baden 139.
  4. Linksgewendet. Schräggestelltes Beil. Als Helmzier dieselbe Wappenfigur über einem flachen Hut mit schmaler Krempe.
  5. Linksgewendet. Schräggestelltes Beil.
  6. Eber.
  7. Linksgewendet. Drei gekrönte Löwenköpfe, 2:1 gestellt. Möglicherweise ist die Münchner Familie von Wilbrecht gemeint, die allerdings drei ungekrönte Löwenköpfe im Wappen führt, vgl. Siebmacher BayA1 62 (Taf. 63).
  8. Spitze, oben rechts begleitet von einem sechsstrahligen Stern.
  9. Vgl. nr. 290; s. a. Einl. Kap. 5.4, LXXXVII.
  10. Vgl. zum bayerischen Geschlecht von Cammer Deutsches Adels-Lexicon, Bd. 2, 200f.; Bucelinus, Germania, pars 4, 51.
  11. Vgl. hierzu lediglich Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 2, 313.
  12. Vgl. Karl Reinfried, Archivalien des Herrn Gutsbesitzers August Rössler auf Schloss Neuweier, Amt Bühl, in: ZGO 51 NF 12 (1897) m32; Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 2, 313. Die Namensnennung „von Kramer“ in Land Baden-Württemberg, Bd. 5, 19 unzutreffend.
  13. Vgl. Reinfried (wie Anm. 12) m33.
  14. Das bayerische Geschlecht von Cammer starb 1584 mit Christoph von Cammer aus, vgl. Deutsches Adels-Lexicon, Bd. 2, 200.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 419 nr. 2.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 51v nr. II.
  3. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 131v.
  4. Kdm. Baden-Baden 220 nr. 26.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 244 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0024404.