Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 236 Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle 1520–30

Beschreibung

Tafelbild mit der Beweinung Christi und anbetenden Stiftern. Das Gemälde wurde 1805 von Aloys Schreiber im Chor des Kapuzinerklosters der Stadt Baden bezeugt.1 Hierher gelangte es vermutlich erst nach der Zerstörung des Klosters von 16892 aus einer anderen Kirche der Stadt oder aus der Kapelle des Neuen Schlosses.3 Im Zuge der Säkularisierung hat man das Bild 1807 in die Karlsruhe Kunstgalerie überführt.4 Öl auf Eichenholz. Die quadratische Tafel wurde links und rechts beschnitten. Im Zentrum zwischen Maria Kleophas und Maria Salome die Gottesmutter, die den Oberkörper des auf ihren Knien liegenden toten Sohnes umfaßt. Zu ihrer Rechten hält Johannes das Haupt des Leichnams; zu Christi Füßen kniet Maria Magdalena mit dem Salbgefäß und küßt die linke Hand des Toten. Die Figurengruppe flankierten ehemals die betenden Eltern einer Stifterfamilie.5 Von diesen Personen heute lediglich noch zwei Hände im Betgestus (rechts) bzw. Teile der Bekleidung (links) erkennbar. Links unten im Bild ein kleiner wiedergegebenes, auf Knien betendes Kind in pelzbesetztem Mantel. Im Hintergrund die Stadtsilhouette Jerusalems mit der Darstellung des chronologisch vorangegangenen Kreuzweges: Hier trägt Christus sein Kreuz an der Spitze eines langen die Stadt verlassenden Menschenzuges. Rechts davon der Kalvarienberg, auf dem zwischen mehreren Personen drei T-Kreuze aufgerichtet sind. Das größere in der Mitte trägt oben den Kreuztitulus in schwarzen Lettern auf weißem Grund, an den beiden übrigen erkennt man die bereits gekreuzigten Schächer.

Maße: H. 99,5, B. 99,5,6 Bu. 0,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit einem Buchstaben der Gotischen Minuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe [1/3]

  1. · I · N · r · I7)

Kommentar

Die Buchstaben sind mit deutlichen Sporen ausgestattet. Die Schäfte der I haben in der Mitte Nodi, der Schrägschaft des N ist als Haarlinie ausgeführt. Das dem Formeninventar der Gotischen Minuskel entnommene Bogen-r besitzt einen zweifach gebrochenen Bogen und eine auf der Grundlinie nahezu waagerecht gezogene Cauda. Als Worttrenner dienen Punkte auf halber Zeilenhöhe.

Jan Lauts weist das Gemälde einem unbekannten Meister im Einflußbereich des Jacob Cornelisz van Oostsanen (vor 1470–1533) zu und datiert es nach kunstgeschichtlichen Kriterien in das Jahrzehnt zwischen 1520 und 1530.8 Diese relativ enge Zeitstellung läßt sich mit dem Schriftbefund zwar durchaus vereinbaren, aber nicht stützen.9

Anmerkungen

  1. Vgl. Aloys Schreiber, Baaden in der Marggrafschaft mit seinen Bädern und Umgebungen, Karlsruhe 1805, 98f.
  2. Vgl. zur Geschichte des Kapuzinerklosters Kdm. Baden-Baden 155–165, hier 158; Wolfgang Müller, Das Kapuzinerkloster in Baden-Baden, in: Die Klöster der Ortenau 498–500; Franz Xaver Lenz, Das Kapuzinerkloster in Baden-Baden, in: Die Ortenau 18 (1931) 114–127, 26 (1939) 40–50, 27 (1940) 188–190.
  3. Vgl. zu dieser Hypothese Hans Rott, Hans Burgkmairs Beweinung in der Karlsruher Kunsthalle, in: Oberrheinische Kunst 2 (1926/27) 150f. (hier unter irrtümlicher Bezugnahme auf eine erst 1858 mit der Sammlung Hirscher aus Freiburg i. Br. erworbenen „Beweinung Christi“, vgl. Katalog Alte Meister 150 nr. 147); Kdm. Baden-Baden 165.
  4. Inv.-nr. 147. Zu den Einzelheiten vgl. Rott (wie Anm. 3) 149.
  5. Vgl. Katalog Alte Meister 150 nr. 147.
  6. Maße mit Rahmen, das Bild allein 93 x 92 cm, vgl. Katalog Alte Meister 150 nr. 147.
  7. Io 19,19.
  8. Vgl. Katalog Alte Meister 150 nr. 147. Zu Jacob Cornelisz van Oostsanen vgl. AKL, Bd. 21, 235.
  9. Vgl. weitere Kapitalis-Inschriften mit einzelnen Minuskelbuchstaben in nrr. 274, 335, 337; s. a. DI 41 (Göppingen) nr. 267 (1558).

Nachweise

  1. Koelitz, Katalog 56 nr. 147 (erw.).
  2. Katalog Alte Meister 150 nr. 147 (erw., Lit.), 243 (Abb. 147).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 236 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0023602.