Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 224 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Museum 1. V. 16. Jh.

Beschreibung

Flügelaltärchen. Erstmals 1902 im Besitz des Klosters bezeugt.1 Holz mit eingesetzten Durchbrucharbeiten aus Perlmutt. Im hochrechteckigen Schrein die Kreuzigungsszene. Im Zentrum Christus, flankiert von den beiden etwas kleiner ausgeführten Schächern. Über dem nimbierten Haupt des Erlösers ein querrechteckiges Schild mit dem eingeritzten Kreuztitulus. Links des Kreuzstammes sind Johannes und die drei Marien dargestellt, rechts mehrere Soldaten. Unter ihnen verweist der Hauptmann mit der Rechten auf Christus, während er sich mit der Linken auf einen ornamental verzierten Schild stützt. Am Fuß des Kreuzes kniet Maria Magdalena, die ihre Hände an den Stamm gelegt hat und zum Gekreuzigten aufblickt. Die Flügelinnenseiten sind horizontal in zwei kleinere Nischen unterteilt, denen jeweils eine Heiligenfigur eingefügt ist: Links oben die hl. Margareta, darunter die Gottesmutter im Strahlenkranz, rechts oben die hl. Katharina, unten die hl. Barbara. Die Bildnisse werden durch geometrisch verzierte Friese getrennt. Die Außenseiten der Flügel sind schwarz übermalt. Im rundbogigen, von drei Kugeln besetzten Aufsatz die nimbierte Taube des Heiligen Geistes. In der seitlich tief gekehlten Predella die Darstellung des Agnus Dei mit der Kreuzfahne.

Maße: H. 27,5, B. 16,5, Bu. 0,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Baden-Baden [1/2]

  1. INRI2)

Kommentar

Die Buchstaben tragen unauffällige Sporen. Das R ähnelt einem unzialen N, da der Bogen und die kurze, unten eingerollte Cauda weit entfernt vom Schaft ineinander übergehen.

Die Skulpturengalerie der Staatlichen Museen zu Berlin besitzt ein nahezu identisch gestaltetes und mit sehr ähnlichen Perlmuttplättchen versehenes Hausaltärchen, das lediglich etwas kleiner ist.3 Anscheinend stammen beide Retabel und ihre Einsätze jeweils aus derselben Werkstatt.4 Nach kunstgeschichtlichen Kriterien lassen sich die Lichtenthaler Perlmuttschnitzereien in den Beginn des 16. Jahrhunderts datieren,5 die Holzfassung entstand offenbar etwas später. Diese Zeitstellung ist auch mit dem Schriftbefund gut vereinbar, da Initialen häufig die frühesten Belege der Kapitalis bieten, die innerhalb längerer Inschriften erst später verwendet wurde.6

Anmerkungen

  1. Vgl. Ausstellung Baden-Baden (1902) 129 nr. 6.
  2. Io 19,19.
  3. Vgl. Büttner (wie unten) 46–48. S. a. Gustav E. Pazaurek. Perlmutter. Mit einem Geleitwort v. Otto v. Falke, Berlin 1937, 75 (Taf. 26).
  4. Vgl. Büttner (wie unten) 48.
  5. Vgl. ebd.
  6. Vgl. z. B. 174, 184, 187. S. a. DI 22 (Enzkreis) nr. 148 (um 1500). Zum Aufkommen der Kapitalis vgl. Einl. Kap. 5.4, LXXXVI–XCI.

Nachweise

  1. Ausstellung Baden-Baden (1902) 129 nr. 6.
  2. Kdm. Baden-Baden 489, 493 (Abb. 398).
  3. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 8: Plastik, fol. 45r (Abb.).
  4. 750 Jahre Lichtenthal 306f. nr. 155 (Abb. 155).
  5. KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Bd.: Museum, Innerer Raum 8, Agley-Vitrine, o. S.
  6. Andreas Büttner, Perlmutt. Von der Faszination eines göttlichen Materials, Petersberg 2000, S. 48f. (Abb. 18).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 224 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0022402.