Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 188 Steinmauern, kath. Pfarrkirche St. Nikolaus um 1516

Beschreibung

Gewölbeschlußsteine. In der Turmhalle, die die 1837/38 errichtete Kirche1 im Süden begrenzt, hat man über dem Haupteingang zum nordsüdlich ausgerichteten Langhaus in etwa in 3,50 m Höhe vier Spolien des Vorgängerbaus unter bzw. in einem Rundbogen vermauert. Sandstein, rötlich gefaßt. Unter dem Bogengesims sind drei Wappensteine in die Wand eingelassen. Der mittlere zeigt die segnende Hand Gottes vor dem Kreuz. Der westliche steht auf dem Kopf und trägt über dem Wappenbild den eingemeißelten Namen des Wappenführers. Der östliche zeigt nur das Wappenbild. Im Zentrum des Bogenfeldes ein spitz verkröpfter Vierpaß mit dem Kreuz und den Arma Christi. Im oberen Paß dem Bogenverlauf folgend der erhaben ausgeführte Kreuztitulus (B).

Maße: H. 28 (A), ca. 50 (B); B. 31 (A), ca. 40 (B); Bu. 4-4,5 (A), ca. 5 cm (B).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. A

    JÖRG · DVORa)

  2. B

    · I · Nb) · R · I ·2)

Wappen:
Dürr3, unbekannt4.

Kommentar

Die Buchstaben in (A) zeichnen sich durch zahlreiche aufgesetzte Tropfenschwellungen aus, die sich scheinbar von den Schäften bzw. Bögen ablösen. Das unziale D ist offen und mit einem Anstrich versehen. Die Cauda des G ist linksschräg gestellt und ragt am Ende des Bogens, der sich auf halber Zeilenhöhe von einem verkürzten Schwellzug ablöst, nach beiden Seiten über. Der Balken des J ist rechtsschräg gestellt. Der querovale Bogen des R verschmilzt mit der Cauda, ohne den Schaft zu berühren. In (B) sind die Buchstaben nach dem gleichen Prinzip gestaltet, ihre Bestandteile erscheinen jedoch deutlich breiter. Der Schaft des I ist mit einem Nodus versehen. Die weit ausgestellte Cauda des R endet knapp oberhalb der Grundlinie. Als Worttrenner dienen in beiden Inschriften Quadrangel mit vier an den Ecken ansetzenden Zierstrichen.

Angehörige der Familie Dürr lassen sich in Steinmauern schon seit 1490 mehrfach nachweisen, so beispielsweise im „Seelbuoch der Bruderschaft Sannt Leonhardten“.5 Hier dürfte es sich um jenen Georg Dürr handeln, der 1531 als Schultheiß des Ortes genannt wird.6 Die Ausführung seines Namens und Wappens auf einem Werkstein, der offenbar als Schlußstein des ehemaligen Chorgewölbes diente,7 weist ihn als Mitstifter des damaligen Neubaus aus, der nach den Schriftformen und einer nur unsicher überlieferten Inschrift im Jahre 1516 errichtet wurde.8

Textkritischer Apparat

  1. Das O kleiner ausgeführt und über das V gesetzt.
  2. Das N retrograd ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Zur Baugeschichte der heutigen Kirche vgl. Kdm. Rastatt 356f.; Kieser u. a., Kunst- u. Kulturdenkmale RA/BAD 332f.
  2. Io 19,19.
  3. Ein von einer Rundfeile durchstecktes Mühleisen (?).
  4. Senkrecht gestellte Axt, hinterlegt von zwei schräggekreuzten Keilen (?).
  5. Vgl. Bischof, Heimatbuch Steinmauern 90, 218, zum Seelbuch vgl. ebd. 78–82; Kraemer, Steinmauern 117, 130f.
  6. Vgl. Bischof, Heimatbuch Steinmauern 336.
  7. Vgl. Kdm. Rastatt 356f.
  8. Vgl. nr. 187. Vergleichbare Buchstabenformen mit aufgesetzten Tropfenschwellungen siehe in DI 20 (Karlsruhe) nr. 146 (Grabplatte des Heinrich Blijß; 1519); DI 30 (Calw) nr. 137 (Grabplatte des Abtes Wagenleiter; 1486).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 188 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0018801.