Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)
Nr. 176 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Fürstenkapelle 1513?
Beschreibung
Zwei Altarflügel. 1937 vom Kloster Lichtenthal der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe als Leihgabe überlassen, die eine Restaurierung versprach und wohl auch durchführte.1 Rücknahme 1965.2 Heute innen an der Nordwand der Fürstenkapelle; hier in etwa 4 m Höhe nebeneinander über dem Eingang zur Hamilton-Kapelle. Öl auf Holz. Auf der linken Tafel die Heiligen Wolfgang und Nikolaus im Bischofsornat. Links im Bild der hl. Wolfgang mit einem Kirchenmodell in seiner rechten Armbeuge und einem Buch in der Hand. Auf seiner Mantelschließe die Verkündigung an Maria, im Nimbus die Bitte um Fürbitte (A). Rechts der hl. Nikolaus, der vor der Brust ein aufgeschlagenes Buch hält, auf dem drei goldene Kugeln liegen. Auf seiner Mantelschließe die Heimsuchung Mariae, im Nimbus die Bitte um Fürbitte (B). Der vergoldete Bildhintergrund im Granatapfelmuster verziert. Auf der gegenwärtig nicht einsehbaren Flügelrückseite eine Verkündigungsdarstellung, die bereits 1942 stark beschädigt war.3 Im Zentrum Maria zwischen einem Lesepult und einer Vase mit Lilien, auf der zwischen rahmenden Zeilenlinien die gemalte, bereits stark verstümmelte Inschrift (C) erkennbar war. Im Nimbus der Jungfrau die Bitte um Fürbitte (D), darüber die herabschwebende Taube des Hl. Geistes.
Auf dem rechten Flügel die hll. Märtyrerinnen Katharina (links) und Barbara (rechts), beide gekrönt und mit ihren jeweiligen Attributen. In den Nimben die entsprechenden Namen (E) und (F). Der ebenfalls im Granatapfelmotiv gestaltete Hintergrund stark restauriert. Auf der gegenwärtig nicht einsehbaren Rückseite war bereits 1942 nichts mehr erkennbar.4 Sämtliche Nimbeninschriften (A, B, D–F) in Goldgrund gepreßt.
Inschriften (C, D) nach LAD Karlsruhe, Photoarchiv, Neg.-nr. 0446.
Maße: H. 207, B. 91, Bu. ca. 2,5 (A, B), ca. 4 (E, F) cm.5
Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.
- A
Ṣ(ANCT) · WOḶF̣GAN · ḄIT GOT · FIRa) · VNṢ
- B
Ṣ(ANCT) · NICLAS · BIT · GOb)
- C
MARIc) / [– – –] IH(ESV)S
- D
[S(ANCTA) · MARIA · BI]Td) · GOT [· FI]R · VNe)
- E
HELIG · GVNGf) · FRO · S(ANCTA) · KATERỊṆg)
- F
HELIG · G̣VNGf) · FRO · S(ANCTA) · ḄARBEh)
Textkritischer Apparat
- Das F ist mit einem besonders langen Zierbalken am unteren Schaftende ausgestattet und ähnelt dadurch einem E.
- Ergänze zu GOT FIR VNS. Die ergänzten Buchstaben wegen der den Nimbus verdeckenden Krümme nicht ausgeführt.
- Ergänze zu MARIA. Das A der Perspektive entsprechend nicht ausgeführt.
- Ergänzungen analog zu Inschrift (B). Auf dem Photo vollständig abgeblättert.
- Ergänze zu VNS. Das S scheinbar durch Marias Haupt verdeckt.
- So statt IVNG.
- Lies: KATERINA. Der letzte Buchstabe scheinbar durch das Haupt verdeckt.
- Lies: BARBERA. Die letzten zwei Buchstaben scheinbar durch das Haupt verdeckt.
Anmerkungen
- Vgl. KA Lichtenthal o. Sig., Krupp (wie unten). Zur Restaurierung vgl. Stange, Dt. Malerei, Bd. 7, 110: „zwei freilich verfälschend übermalte Flügel“.
- Vgl. KA Lichtenthal o. Sig., Krupp (wie unten).
- Vgl. Kdm. Baden-Baden 470 nr 1. Beschreibung nach RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nr. 0446.
- Vgl. Kdm. Baden-Baden 470 nr. 2.
- Maße nach Stange, Tafelbilder, Bd. 2, 111 nr. 499. Die Buchstabengröße anhand Photo errechnet.
- Vgl. zu dieser Hypothese KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 7 (wie unten). Zur Esslinger Stadtkirche vgl. Hannelore Jooß / Rainer Jooß, Esslingen am Neckar, Evang. Stadtkirche St. Dionys (Schnell Kunstführer 2299), Regensburg 1997.
- Vgl. Kdm. (wie unten). Zur Frühhumanistischen Kapitalis im Bearbeitungsgebiet Einl. Kap. 5.3, LXXXIVf.
- Vgl. DI 41 (Göppingen) nr. 119 mit S. LII (Abb.). Der Altar befindet sich heute im Bode-Museum, Berlin.
- Vgl. Gutgesell, Kloster Lichtenthal 52.
Nachweise
- RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nrr. 08790 (A), 0512 (B), 0446 (C, D), 0516 (F), 08789 (E).
- Kdm. Baden-Baden 470 nrr. 1f. (A–C), 471 (Abb. 375f.).
- KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar Bd. 3: Fürstenkapelle, fol. 113r–115r (Photo Wilhelm Kratt); Bd. 7: Gemälde, fol. 7r (Abb.).
- KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Bd.: Fürstenkapelle 6, Schlüsselmadonna, Sel. Bernhard, Gemälde, Wandrelief, o. S. (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 176 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0017601.
Kommentar
Die Buchstaben beider Tafeln unterscheiden sich zwar deutlich hinsichtlich ihrer Größe, ihre Formen sind aber durchaus vergleichbar. Schaft, Bogen- und Balkenenden sind stets keilförmig verbreitert, die Bögen verstärkt. Das trapezförmige A besitzt einen gebrochenen Mittel- und einen beiderseits überstehenden Deckbalken. Seine Schrägschäfte sind leicht nach innen eingebogen. Das E hat stets eine unziale Form. Das F verfügt über einen Zierbalken am unteren Schaftende. Die Cauda des G ist rechtwinklig nach links umgebrochen und innen bis an den Bogen herangeführt. Der Balken des H wurde mit einer Ausbuchtung nach unten versehen, das O spitzoval gestaltet und das N retrograd wiedergegeben, wobei dessen Schrägschaft nur als Haarstrich erscheint. Als Worttrenner dienen Ringe auf halber Zeilenhöhe.
Die identische Größe der Retabelflügel und die äußerst ähnlichen Buchstabenformen sprechen dafür, daß beide Tafeln einst Bestandteile desselben Altars waren. Möglicherweise stammen sie ursprünglich aus der Esslinger St.-Dionys-Kirche, da das Kirchenmodell im Arm des hl. Wolfgang mit seinen zwei unterschiedlich hohen Türmen diesem Bauwerk nachgebildet scheint.6 Die stilistische Datierung in die Zeit um 1510 ist mit den Schriftformen gut zu vereinbaren.7 Ein F mit einem Zierbalken ist auch auf einem um 1490 gefertigten Altar der katholischen Pfarrkirche St. Michael in Drackenstein-Unterdrackenstein (Lkr. Göppingen) nachweisbar.8 Nach ungesicherten Angaben Gutgesells entstanden die Lichtenthaler Bilder jedoch erst im Jahre 1513.9