Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 169 Baden-Baden, altkath. Pfarrkirche St. Maria u. Vierzehn Nothelfer (ehem. Spitalkirche) 1512

Beschreibung

Grabplatte für Elisabeth Amlung, geb. Merhelt von Wurmlingen. 1801 als sechstes Grabmal „links des grosen Eingangs“ bezeugt.1 1865 im mittleren Langhausjoch als dritte Platte von Westen aufrecht an die Südwand gestellt.2 Im Zuge der 1963 vorgenommenen Verkürzung des Kirchenschiffes3 an dieser Stelle belassen oder nur geringfügig verschoben. Sandstein. Die hochrechteckige Platte ist mit einem umlaufend eingemeißelten Sterbevermerk versehen, der sich im Binnenfeld zeilenweise fortsetzt und in einer Fürbitte endet (A). Darunter zwei Eheallianzwappen in einem Schild, dessen Umriß eingeritzt, dessen Wappenbild hingegen flach reliefiert ist. In der vorderen Hälfte des Schildes die Initiale (B). Die Plattenoberfläche ist vor allem im unteren Bereich durch aufsteigende Nässe stark beschädigt; dadurch erheblicher Schriftverlust.

Maße: H. 185, B. 92, Bu. 10 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A

    Anno Dom(in)i · 1512 · / vff frytag Nach vnser lieben frowen · [tag / irer empfengnis starb]a) / ṣẹḷịgklich · die ersam goczforchtig Elisabeth · /b) merhiltin Nicolaec) / amlungs selige(n) / verlassen Eelichec) / wÿttwe Der / seelen gott gnadc)

  2. B

    A(mlung)

Datum: 10. Dezember 1512.

Wappen:
Amlung/Wurmlingen.4

Kommentar

Die Buchstaben sind schmal proportioniert. Die Oberlängen ragen deutlich aus dem Mittelband hervor und sind vor allem an den Schaftenden von b, h und l gespalten. Der obere Bogen des a ist vollkommen ausgerundet. Der als Deckbalken gestaltete obere Bogenabschnitt des g ragt rechts bisweilen geringfügig über den Schaft hinaus, und der untere Bogen holt stark nach rechts aus. Am unteren Ende des h-Bogens setzt eine lange, hakenförmige und weit unter die Grundlinie gezogene Zierlinie an. Das r ist regelmäßig als schmales Bogen-r ausgeführt, das s von einer Haarlinie rechtsschräg durchstrichen. Der linke bzw. die beiden linken Schrägschäfte von v und w sind leicht eingebogen und vor allem am Wortanfang in den Oberlängenbereich hinein verlängert. Unter den Versalien ist das A stark nach rechts aus der Achse verschoben und mit einem nur links überstehenden, geschwungenen Deckbalken versehen. Das untere Ende des linken Schrägschaftes besitzt einen spitzwinklig angesetzten und asymmetrisch nach innen verschobenen Sporn. Der Schaft des D ist verdoppelt, das obere Bogenende leicht nach oben gezogen und nach links verlängert. Das N ist in der Grundform des Minuskelbuchstaben wiedergegeben. Dessen Schäfte sind nach innen eingebogen, und der auf eine Haarlinie reduzierte Aufstrich setzt bereits am unteren Ende des linken Schafts an. Der anstrichlose Schaft der 1 ist stark nach rechts, der Deckbalken der 5 nach unten durchgebogen, die 2 ist spitz. Als Worttrenner dienen kleine Dreiecke auf halber Zeilenhöhe.

Viele der beschriebenen Schriftmerkmale lassen sich in verwandter Form auf den Grabplatten für Agatha von Wittstatt, Nikolaus von Argenthal, Heinrich von Amlungen und für die Eheleute von Han beobachten, insbesondere das schmale Bogen-r.5 Offenbar stammen alle fünf Grabdenkmäler aus derselben Werkstatt.

Elisabeth Merhelt von Wurmlingen ist in den Veröffentlichungen zur Genealogie des Geschlechts nicht belegt.6 Sie war eine der letzten Angehörigen des um 1519 mit Kleinhans Merhelt (Märheld) ausgestorbenen Familienzweigs, der in Rottenburg am Neckar (Lkr. Tübingen) seinen Wohnsitz hatte und aus dem zahlreiche Amtsträger der Stadt hervorgegangen sind.7 Ihr Ehemann Nikolaus Amlung entstammte einer einflußreichen Bürgerfamilie, deren Angehörige vorwiegend in Straßburg und in der Stadt Baden nachweisbar sind.8 Er wird erstmals 1460 als Besitzer der Badherberge „Baldreit“ urkundlich erwähnt.9 Später war er unter den Markgrafen Karl I. und Christoph I. von Baden Schultheiß, markgräflicher Rat, Anwalt, Münzmeister und schließlich auch Landschreiber.10

Textkritischer Apparat

  1. [tag / irer empfengnis starb]] Oberfläche verwittert; ergänzt nach Kdm. tag ire empfangnis starb Herr.
  2. Wechsel zum Binnenfeld.
  3. Der letzte Buchstabe kleiner ausgeführt und hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 52r.
  2. Vgl. Kdm. Baden-Baden 216, 221 nr. 21; zu den Renovierungsmaßnahmen von 1865 s. a. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/281, Spitalkirche, passim.
  3. Vgl. Stadtkreis Baden-Baden 139.
  4. Gespalten: Vorn ein flachgedecktes A mit beiderseits überstehendem Deck- und gebrochenem Mittelbalken, hinten ein oberhalber Drache über einem Dreiberg.
  5. Vgl. nrr. 194, 219, 221, 222; s. a. Einl. Kap. 5.2, LXXX.
  6. Vgl. 900 Jahre Wurmlingen. Vom Dorf am Fuße der Kapelle. Im Auftrag des Kulturausschusses Wurmlingen und der Stadt Rottenburg am Neckar hg. v. Karlheinz Geppert, Rottenburg am Neckar 2000, 68–72; Land Baden-Württemberg, Bd. 7, 147; Der Landkreis Tübingen. Amtliche Kreisbeschreibung, hg. v. d. Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Tübingen, Bd. 2, Stuttgart 1972, 829f.
  7. Vgl. Der Landkreis Tübingen (wie Anm. 6), Bd. 3, Stuttgart 1974, 307f.
  8. Vgl. zu anderen Familienangehörigen nr. 221; Oberrheinische Geschlechterkunde 72–74; Gauges, „Wir Bekennen (…)“ 62 (Hans Amlung, 1451).
  9. Vgl. RMB, Bd. 4, nr. 8537; Oberrheinische Geschlechterkunde 74 nr. 694; Haebler, Geschichte, Bd. 1, 97; Regesten u. Urkunden 439 nr. 72; Coenen, Aquae 138.
  10. Vgl. Oberrheinische Geschlechterkunde 74 nr. 694; Wielandt, Markgraf Christoph I. 567 Anm. 1.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 420f. nr. 6.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 52r nr. VI.
  3. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 132v.
  4. Kdm. Baden-Baden 221 nr. 21.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 169 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0016903.