Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 149 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Museum A. 16. Jh.

Beschreibung

Schnitzfigur der hl. Katharina. Bis etwa 1954 in der Fürstenkapelle auf dem nördlichen Seitenaltar der hl. Katharina.1 Seither im sog. Fürstenzimmer des Klostermuseums. Lindenholz (?), polychrom gefaßt. Die aufrecht stehende Figur hält beide Arme angewinkelt und umfaßt mit der Linken den Griff des mit der Spitze auf den Boden gestellten Schwertes. Das Haupt der Märtyrerin ist mit einem Schapel bedeckt, das bei der letzten Restaurierung von ca. 1954 abgesägt, gewendet und wieder aufgeleimt wurde. Zu ihren Füßen ein Bruchstück des Rades. Über einem blauen Kleid trägt die Heilige einen außen vergoldeten und innen rot gefütterten Mantel. Dieser ist unter ihrem rechten Arm leicht nach oben gerafft und über den Griff des Schwertes gelegt. Den Mantelsaum verzieren erhaben geschnitzte Buchstabenreihen: Von der rechten Schulter bis zu dem gebauschten Faltenwurf vor dem Leib in Hüfthöhe verläuft Folge (A). Hier bildet die Saumkante die obere Zeilenbegrenzungslinie. In entgegengesetzter Richtung erstreckt sich vom rechten Fuß zum Schwertgriff Abschnitt (B). Hier übernimmt die Saumkante die Funktion der Zeilengrundlinie. Die Buchstabensequenz (C) beginnt am linken Handgelenk und verläuft – durch den Faltenwurf nur halb sichtbar – senkrecht nach unten. Die Ausrichtung der Zeichen hier nicht eindeutig erkennbar. Auf dem waagerecht liegenden Schleppensaum die Buchstaben (D), deren Grundlinie wiederum mit der Saumkante zusammenfällt. Während der von Sr. Mafalda Bauer um 1954 vorgenommenen Restaurierung wurde die Figur von drei Farbschichten befreit und in der Originalfassung wiederhergestellt.1

Maße: H. 69, B. 24, Bu. 1,7 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Baden-Baden [1/5]

  1. A

    N Ea) R O Nb) S R O M Ea) [. . .]c) //d) R O N

  2. B

    [.] I O N P We) L A O Na) M /f) P N O [. .]g)

  3. C

    [. . . . . . . . . . .]h) N O W O Ii) [. .]

  4. D

    M O I O R M N O N I

Kommentar

Das flachgedeckte A hat einen beiderseits überstehenden Deckbalken. Das E ist epsilonförmig, das M mit kurzem Mittelteil konisch, das O spitzoval. Der Schrägschaft des N ist regelmäßig auf einen Haarstrich reduziert. Die Cauda des R erscheint meist gewölbt und weit ausgestellt. Mitunter nehmen die Schrägschäfte keilförmig an Breite zu, während die Bögen – vor allem des O – leichte Schwellungen aufweisen.

Buchstabenfolgen auf Gewandsäumen, wie sie hier vorliegen, haben in der Regel eine reine Zierfunktion und verschlüsseln keinerlei Botschaft.2 Stilistische Beobachtungen,3 aber auch die Verwendung der Frühhumanistischen Kapitalis sprechen für eine Datierung in das einsetzende 16. Jahrhundert.4 Zu dieser Zeit wurde die Fürstenkapelle einer grundlegenden Renovierung unterzogen und erhielt einen neuen Hochaltar.5 Die Tatsache, daß der päpstliche Legat Raymund Peraudi dem Kloster Lichtenthal im Jahre 1502 Reliquien der Zehntausend Märtyrer überbrachte,6 läßt vermuten, daß damals ebenso der nördliche Seitenaltar erneuert wurde, der bereits im Jahre 1332 diesen Heiligen und 1470 auch der hl. Katharina geweiht worden war.7

Textkritischer Apparat

  1. Retrograd ausgeführt.
  2. Schrägschaft mit Ausbuchtung nach unten.
  3. Nur noch vier Schrägschäfte erkennbar.
  4. Unterbrechung durch einen kurzen umgeschlagenen Saumabschnitt.
  5. Auf dem Kopf stehend.
  6. Saumumbruch.
  7. Nur noch drei Schrägschäfte erkennbar.
  8. Nur etwa das untere Viertel der Buchstaben ausgeführt und folglich nicht sicher identifizierbar.
  9. N O W O I] In entgegengesetzter Leserichtung als I O M O N zu lesen.

Anmerkungen

  1. Vgl. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer (wie unten); KA Lichtenthal o. Sig., Krupp (wie unten).
  2. Vgl. Kloos, Einführung 45–48; Werner Arnold, Gemälde-Inschriften, in: Pantheon 34 (1976) 116–120; Hans Backoffen, Säume mit Buchstaben, in: Kunst und das schöne Heim 3 (1966) 242-245.
  3. Vgl. 750 Jahre Lichtenthal (wie unten).
  4. Zum Aufkommen der Frühhumanistischen Kapitalis im Bearbeitungsgebiet vgl. Einl. Kap. 5.3, LXXXIVf.
  5. Vgl. Stober, Denkmalpflege 120. Zum Hauptaltar von 1503 vgl. nr. 153.
  6. Vgl. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 164; Krimm, Markgrafen 79.
  7. Vgl. Kdm. Baden-Baden 449–451.

Nachweise

  1. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nrr. 0413, 0109.
  2. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 8: Plastik, fol. 25r.
  3. 750 Jahre Lichtenthal 248 nr. 77 (Abb. 77).
  4. KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Bd.: Museum, Fürstenzimmer 2, Mittelvitrine, Schrankseite, o. S.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 149 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0014901.