Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 147 Baden-Baden-Balg, kath. Pfarrkirche St. Eucharius A. 16. Jh.

Beschreibung

Schnitzfiguren der hl. Notburga von Hochhausen (I), des hl. Maternus von Köln (?; II) und des hl. Eucharius von Trier (III). Sie gehörten offenbar neben drei weiteren Figuren gleicher Größe zur Ausstattung der beiden verlorenen Altäre in der St.-Marien-Kapelle zu Balg, die um 1880 abgebrochen wurde.1 Nach langjähriger unsachgemäßer Einlagerung2 stellte man sämtliche Altarfiguren 1996 an den Innenwänden der als Nachfolgebau errichteten St.-Eucharius-Kirche wieder auf.2 Hier stehen sie in etwa 2 m Höhe auf neu gefertigten Konsolen. Lindenholz, poychrom gefaßt. Die Rückseiten ausgehöhlt. In der Vergangenheit mehrfach überarbeitet und unterschiedlich gefaßt. Die letzte Restaurierung 1991–96.2

I. Figur der hl. Notburga von Hochhausen. Innen an der Südwand des Langhauses. Das Haupt gekrönt, beide Arme angewinkelt. Deutlich sichtbar der rechte Armstumpf. In der Linken ehemals ein verlorenes Attribut.3 Auf dem Saum des Umhangs die in Blattgold gepreßten Inschriften zwischen zwei begleitenden Stegen. Auf dem Abschnitt, der sich von der rechten Schulter über den rechten Unterarm bis zum rechten Fuß erstreckt, das Gebet (A). Auf dem Saumabschnitt, der von der linken Schulter herabfällt, danach vor dem Leib zum rechten Ellenbogen wieder nach oben gerafft wird und schließlich den linken Fuß erreicht, das Gebet (B).

Maße: H. 95, B. 35, Bu. 2,5–3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/12]

  1. A

    HILF · HEL[GE]a) · IVNCKFROW · DAS · WIR · [. .]Ḷ[.]b) /c) GNVOG · Ḥ[. . . .]d)

  2. B

    ṢANTA · NOBVRG · BIT · //e) · VOR · VNS · /f) AṚMEN · SINDER · //g) A[. . .]h)

II. Figur des hl. Maternus von Köln (?). Innen an der Südwand des Langhauses und östlich von der Figur der hl. Notburga (I). Im Bischofsornat. In der rechten Hand eine Zunge, offenbar als Anspielung an das vom hl. Maternus verwaltete Bistum Tongern (Belgien, Prov. Limburg; ndl. tong = Zunge).4 Auf der Vorderseite der Mitra in zwei dreieckigen Binnenfeldern die Initialen (C). In seiner linken Hand hält der Bischof den Krummstab und preßt mit dem gleichen Arm den vor dem Leib geschürzten Mantel an die Hüfte. Auf dessen Saum zwei von Stegen begleitete Inschriften: Auf dem Abschnitt, der sich von der rechten Schulter über die rechte Armbeuge zur linken Hüfte erstreckt und am rechten Fuß endet, das Gebet (D). Von der linken Schulter zieht sich bis zum linken Fuß die Inschrift (E). Sämtliche Inschriften in Blattgold gepreßt.

Maße: H. 101, B. 35, Bu. 2,5–3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. C

    S(ANCTVS) //i) M(ATERNVS)k)

  2. D

    ·l) GOT // [VOR VNS]m) · ARM[EN]n) //o) · SINDER VND · S[. .] / VND · HIḶF̣ //p) VN[.]DNq)

  3. E

    · HELGER · ḤẸṚ · ṢẠṆṬ · Mr)

III. Figur des hl. Eucharius von Trier. Innen an der Nordwand des Langhauses westlich von der Figur des hl. Valerius. Im Bischofsornat. In der Linken ein aufgeschlagenes Buch, in der Rechten ein erneuerter Krummstab, zu seinen Füßen ein Höllenhund.5 Auf der Vorderseite der Mitra in den beiden dreieckigen Binnenfeldern die Initialen der nomina sacra (F). Mit dem rechten Ellenbogen preßt der Bischof seinen vor dem Leib etwas gerafften Mantel an seine rechte Hüfte. Auf dessen Saum zwei von Stegen begleitete Inschriften: Auf dem Abschnitt, der von einer Inful halb verdeckt auf der rechten Schulter beginnt und am rechten Fuß endet, die Anrufung (G). Inschrift (H) setzt an der linken Schulter ein, erstreckt sich vor dem Leib bis zur linken Hüfte und erreicht danach den linken Knöchel. Sämtliche Inschriften in Blattgold gepreßt.

Maße: H. 100, B. 35, Bu. 2,5-3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. F

    IH(ESV)//Ss) M(ARIA)

  2. G

    EOCH[AR]t) DERu) HELGER //v) HER

  3. H

    bANTw) · EOCHARIV · BIT · //y) GOT · VỊR · VN[S] / ARMEN

Kommentar

Der Hintergrund der breit konturierten Buchstaben ist mit Zickzackpunzen gemustert. Die freien Schaft- bzw. Bogenenden sind teilweise keilförmig verbreitert. Abgesehen von den Inschriften (A) und (B) besitzt das A stets einen nach links oder beiderseits überstehenden Deckbalken. Das D ist offen. Das E hat drei gleich lange Balken. Der Mittelteil des konischen M endet auf halber Zeilenhöhe. Innerhalb der Inschriften (A) und (B) erscheint das N retrograd, sein Schrägschäft ist stets deutlich schmaler ausgeführt. Das O ist spitzoval, der Bogen des R unproportional klein, seine Cauda fast immer gewölbt. Als Worttrenner dienen drei- bis fünfblättrige Blüten.

Die Zickzack-Musterung des Schrifthintergrundes, die Verwendung von Blüten als Worttrenner und einige Buchstabenformen lassen sich ebenso an den Sauminschriften einer Anna-Selbdritt-Figur zu Bischweier beobachten.6 Überdies weist ihr flaches Piedestal starke Ähnlichkeiten mit denen der Balger Figuren auf, so daß durchaus ein Werkstattzusammenhang bestehen könnte. Da die St.-Annen-Kapelle in Bischweier 1504 renoviert wurde7 und die ehemals darin aufgestellte Schnitzfigur auch stilistisch in diese Zeit paßt, wird sie um dieses Jahr geschaffen worden sein. Aufgrund der Gemeinsamkeiten datieren die Balger Altarfiguren offenbar auch aus dem einsetzenden 16. Jahrhundert.

Textkritischer Apparat

  1. Buchstabenverlust durch Oberflächenbeschädigung an der Armbeuge. Ergänzung analog zu Inschrift (E) und (G).
  2. Geringfügiger Buchstabenverlust durch Oberflächenbeschädigung oberhalb des umgeschlagenen und wohl unbeschriebenen Saumabschnitts am rechten Fuß. Nach dem unsicher lesbaren L noch das obere Ende eines Schaftes sichtbar. Ergänze vermutlich zu [AL]L[E].
  3. Saumumbruch an der unteren rechten Ecke des Mantels, Schrift nachher auf dem Kopf stehend fortgesetzt.
  4. Ergänze vermutlich zu H[ABEN].
  5. Unterbrechung durch einen umgeschlagenen, offenbar unbeschriebenen Saumabschnitt vor dem Leib. Ergänze sinngemäß GOT.
  6. Saumumbruch.
  7. Unterbrechung durch einen umgeschlagenen Saumabschnitt oberhalb des linken Fußes.
  8. Buchstabenverlust durch Oberflächenbeschädigung. Lies vermutlich: A[MEN].
  9. Übergang auf das gegenüberliegende Binnenfeld.
  10. Auflösung nach ikonographischem Befund und Inschrift (E).
  11. Vor dem Worttrenner sinngemäß der Imperativ BIT ergänzbar, vgl. Inschrift (B).
  12. Oberfläche über eine Saumlänge von ca. 10 cm beschädigt. Ergänzung analog zu Inschrift (B).
  13. Ergänzung des Buchstabenverlustes analog zu Inschrift (B).
  14. Unterbrechung durch umgeschlagenen Saumabschnitt unterhalb des rechten Armes.
  15. Unterbrechung durch umgeschlagenen Saumabschnitt vor dem rechten Schienbein.
  16. Das auf dem Kopf stehende D ist auch als G lesbar, wenn man zusätzlich eine spiegelverkehrte Darstellung annimmt; zuvor eine kleine Oberflächenbeschädigung.
  17. Die restlichen Buchstaben nicht ausgeführt; die Oberfläche anscheinend unbeschädigt. Ergänze vermutlich zu: MATERNVS.
  18. Kürzung durch waagerechten Strich über dem H. Danach der Übergang auf das rechte Binnenfeld der Mitra.
  19. Die Buchstaben des Namen zur Hälfte von der Infula überdeckt.
  20. Das D retrograd.
  21. Unterbrechung durch einen längeren, unbeschriebenen und teilweise umgeschlagenen Saumabschnitt bis zum rechten Fuß.
  22. So statt SANT. Teilweise von der Infula überdeckt.
  23. Unterbrechung durch einen umgeschlagenen Saumabschnitt vor der linken Hüfte.

Anmerkungen

  1. Bei den übrigen Figuren handelt es sich um eine Anna Selbdritt, eine Muttergottes und einen weiteren Bischof (hl. Valerius). Wie übereinstimmende Werkbankabdrücke belegen, entstammen bis auf die Muttergottes alle Skulpturen einer Werkstatt, vgl. PfA Balg o. Sig., Restaurierungsbericht 5. Die Figur der Muttergottes scheint hingegen etwas älter zu sein und ursprünglich zu einem anderen Altar gehört zu haben, vgl. ebd. Zur um 1880 abgebrochenen Kapelle und ihren Altären vgl. Kdm. Baden-Baden 390f.
  2. Vgl. PfA Balg o. Sig., Restaurierungsbericht 4.
  3. Vgl. zur Ikonographie der hl. Notburga von Hochhausen LCI, Bd. 8, Sp. 72 (Lit.); Campbell Dodgson, Ein oberrheinisches Schrotblatt, in: Oberrheinische Kunst 8 (1939) 84–88, hier 86–88.
  4. Vgl. zur Vita des hl. Maternus LCI, Bd. 7, Sp. 585f. (Lit.); Braun, Tracht, Sp. 520-522 (Lit.). Für die Identifikation der Figur mit dem hl. Maternus von Köln sprechen außerdem die inschriftlichen Namensinitialen in (C) und (E) sowie die Nebenfiguren der Heiligen Eucharius und Valerius. Der Legende nach wurde der hl. Maternus mit diesen beiden Gefährten vom hl. Petrus an den Rhein gesandt, vgl. ebd.
  5. Vgl. zur Ikonographie des hl. Eucharius von Trier LCI, Bd. 6, Sp. 172f. (Abb.); Braun, Tracht, Sp. 236f., 237 (Abb. 115).
  6. Vgl. nr. 160. Zur Gestaltung des A mit einem einseitig überstehenden Deckbalken s. a. nrr. 148, 154, 161.
  7. Vgl. nr. 159.

Nachweise

  1. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nrr. 01867, 01869, 01870.
  2. Kdm. Baden-Baden 391 (Abb. 302, nur I).
  3. Manfred Kienitz / Dieter Müller / Ernst Früh, Balger Heimat. Streiflichter aus alter und neuer Zeit anläßlich der 700-Jahr-Feier 1988, hg. v. Balger Heimat e. V., Baden-Baden-Balg 1988, 81 (Abb., nur I).
  4. PfA Balg o. Sig., Restaurierungsbericht 5 (F, G unvollst.), o. S. (Abb. I–III).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 147 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0014700.