Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 144 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Museum um 1500

Beschreibung

Tafelbild mit den vier Kirchenvätern. Querrechteckige Tafel. Tempera auf Leinwand. Die vier Kirchenväter sind im jeweiligen Ornat ganzfigurig vor einem Wandbehang wiedergegeben: Links Hieronymus in Pontifikalkleidung, rechts neben ihm Augustinus und ganz rechts im Bild Ambrosius im Bischofsornat. Zwischen den beiden letzteren Hieronymus in Kardinalstracht. Über den nimbierten Häuptern die entsprechenden Namen in Rot auf oliveblauem Grund (A–D). Jede Figur hält ein geöffnetes Buch vor sich und verweist mit der freien Hand auf die aufgeschlagenen Textstellen. Die sichtbaren Seiten sind aus Pergament und wurden auf die Leinwand aufgeklebt. Sie enthalten Passagen aus den Werken der abgebildeten Verfasser.1 Die von Bauer bezeugte, jedoch nicht näher lokalisierte Signatur (?) Rubenlandt in „gotischer Schrift“ derzeit nicht mehr erkennbar.2 Offenbar zu unbestimmter Zeit erneuert.

Maße: H. 84, B. 118, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Baden-Baden [1/6]

  1. A

    Gregorius

  2. B

    Augustinus

  3. C

    Jheronim(us)

  4. D

    Ambrosius.

Kommentar

Die Ober- und Unterlängen der Gemeinen ragen nur geringfügig aus dem Mittelband hervor. Der untere Bogen des g holt nach rechts aus, das obere Schaftende hat einen nach rechts überstehenden kurzen Zierbalken. Die Versalien sind besonders hervorgehoben: Ihre Schäfte wurden teilweise doppelt gezogen oder leicht geschwungen ausgeführt. Der obere Bogenabschnitt des G ist rechtwinklig umgebrochen, der Schaft des J in sich mäanderartig verflochten und das A in einer verfremdeten Grundform des Minuskelbuchstaben wiedergegeben.

Die in den Büchern angeführten Zitate aus den Werken der vier Kirchenväter lassen durch ihre Ermahnungen zur Jungfräulichkeit kaum Zweifel daran, daß dieses Bild speziell für die Abtei Lichtenthal angefertigt wurde und seit seiner Entstehung zum Inventar des Klosters gehört. Die zeitliche Einordnung der Malerei beruht auf stilistischen Kriterien3 und läßt sich mit den Schriftformen gut vereinbaren.4

Anmerkungen

  1. Auf den aufgeschlagenen Seiten des Buches Papst Gregors steht: „Uirginitas / angelos facit · / qui eam ser/uat angelus / es[t] · qui eam p(er)/dit · dyabolus / est · Nulla eni(m) // bona sunt / cetera · si occul=/ti iudicis · oc/cul[is] castita/tis testi(m)onio · / n(on) app(ro)ba(ntur) · H(ec) i(lle)”, vgl. Greg. M. moral. 21,31. Übers.: „Die Jungfräulichkeit macht die Engel aus, wer sie bewahrt, ist ein Engel, wer sie verliert, ist ein Teufel. Die übrigen Vorzüge sind nämlich nichtig, wenn sie unter den Augen des verborgenen Richters nicht durch das Zeugnis der Reinheit Billigung finden. Dies sagt jener.“ In Augustinus’ Buch steht: „Uirginalis i(n)teg[ri]/tas · et · p(er) puram / continencia(m) ab o(mn)i / concubitu inmu/nitas · angelica por/cio est · et in carne / corruptibili incor/rupcionis perpe/tue meditacio · Pro/fecto namque · in // carne preter car/nem viuere · non / terrena uita est · sed celestis. Hec i(ll)e”, vgl. Avg. virg. 13,12. Übers.: „Die jungfräuliche Unberührtheit und Unangreifbarkeit durch reine Enthaltsamkeit von jedem Beischlaf ist ein engelsgleicher Zustand, auch das Trachten nach ewiger Unverderbtheit in verführbarem Fleisch. Schließlich ist nämlich im Fleisch gegen das Fleisch zu leben kein irdisches, sondern ein himmlisches Leben. Dies sagt jener.“In Hieronymus’ Buch steht: „Illa virgi/nitas hostia / cristi est · cui(us) / nec mentem / cogitacio · / nec carnem // libido maculauit · / Hec ille ·”, vgl. Hier. adv. Iovin. 1,13. Übers.: „Jene Jungfräulichkeit ist die Hostie Christi. Weder hat dessen Denken den Geist befleckt, noch dessen Verlangen das Fleisch. Dies sagt jener.“In Ambrosius’ Buch steht: „Supergredit[(ur)] / condicionem / hu(m)ane nature / virginitas · per / [qu]am · homines / angelis assimi/la(n)t(ur). Maior ta(men) // est vic[to]ria vir/ginu(m) · qua(m) an/gelorum. Angeli enim sine / carne viuu[nt vir]/gi(n)es vero i(n) carne / triu(m)phant[. Hec i(lle)]“, vgl. dazu Petrus Lombardus, Glossa in epistolas b. Pauli, in: Petri Lombardi magistri sententiarum Parisiensis quondam episcopi collectanea in omnes Domini Pauli Apostoli epistolas ex dominis Augustino, Ambrosio, Hieronymo aliisque nonnullis Sanctae Scripturae primariis interpretibus summa arte diligentiaque contexta, tom. 1, ed. J. P. Migne (PL 191), Parisiis 1879, Sp. 1297–1696, hier Sp. 1596 (zu I Cor 7, 22–28). Übers.: „Die Jungfräulichkeit, durch die die Menschen den Engeln ähnlich werden, geht über die Bedingung der menschlichen Natur hinaus. Dennoch ist der Sieg der Jungfrauen größer als der der Engel. Die Engel nämlich leben außerhalb des Fleisches, die Jungfrauen aber triumphieren im Fleisch. Dies sagt jener.“ Im Umfeld des zitierten Passus beruft sich Petrus Lombardus mehrfach auf Ambrosius, in dessen überlieferten Werken sich der zitierte Text jedoch nicht nachweisen läßt.
  2. Vgl. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer (wie unten).
  3. Vgl. Kdm. Baden-Baden 472 nr. 8.
  4. Vgl. zu den Schaftverdoppelungen z. B. nrr. 155, 169, zum A in der Grundform des Minuskelbuchstaben nrr. 109, 118, 130, 157, 182.

Nachweise

  1. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nr. 0435.
  2. Kdm. Baden-Baden 472 nr. 8, 474 (Abb. 397).
  3. KA Lichtenthal o. Sig, Bauer, Inventar Bd. 7: Gemälde, fol. 17r (Photo Wilhelm Kratt).
  4. KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Bd.: Museum, Innerer Raum 7, Springerle-Vitrine, Wand II, o. S.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 144 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0014409.