Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 140 Niederbühl (Stadt Rastatt), kath. Pfarrkirche St. Laurentius 2. H. 15. Jh.

Beschreibung

Monstranz. Offenbar erst nach 1683 in den Besitz der Niederbühler Kirche gelangt.1 Herkunft unbekannt. Silber, gegossen, getrieben, graviert, teilvergoldet. Von den sechs Pässen des Fußes zwei spitz ausgezogen. Die senkrechte, mehrfach profilierte Zarge umläuft ein schmales Band aus vorgeblendeten, sich schräg überkreuzenden Stäben. Auf der Unterseite des Fußes am äußeren Rand der von späterer Hand eingeritzte Vermerk WJ 83.2 Der flache Nodus ist auf der Ober- und Unterseite mit getriebenen, lanzettförmigen Zungen und an den Seiten mit sechs rautenförmigen Rotuln besetzt, die je einen Buchstaben des Namens der Gottesmutter (B) tragen. Der sechseckige Schaft ist ober- (A) und unterhalb (C) des Knaufes mit dem Namen des Erlösers versehen, dessen Buchstaben in hochrechteckige und schwach eingetiefte Felder eingestellt sind. Alle Inschriften sind in Kontur vor einer schrägliegenden Gitterschraffur eingraviert. Der obere Abschnitt des Schaftes nimmt allmählich an Umfang zu und endet in einer Halbkugel. Daran ist der retabelartige Aufbau befestigt, der in der Mitte das hochovale, von einem Strahlenkranz umschlossene Schaugefäß birgt. Darüber die blüten- und edelsteinbesetzte Kuppel, die als Laterne ein aus Strebe- und Maßwerk gebildetes Figurentabernakel trägt, in dem die Silberfigur des Schmerzensmannes steht. Auf dem hohen, spitzen Türmchen ein Tatzenkreuz. Das Schaugefäß selbst flankieren vier gegossene Silberfigürchen, die jeweils paarweise Rücken an Rücken unter einem Eselsrücken stehen. Auf der Vorderseite die Gottesmutter sowie der hl. Bernhard von Clairvaux. Maria trägt eine Krone, der Abt eine Mitra und hält in der Linken ein Buch. Auf der Rückseite die hl. Katharina mit ihren Attributen und der hl. Dominikus im Ordenshabit. In seiner Linken ein aufgeschlagenes Buch, in der Rechten eine Lilie. An den schmalen Außenseiten auf Konsolen zwei kleinere Engelsfiguren, über deren Köpfen das Gesims des mit Fialen besetzten und zur Kuppel zustrebenden Giebels vorkragt. Der Nodus und das Maßwerk stellenweise beschädigt.

Maße: H. 54, B. 20, Bu. 1 (A, C), 0,8 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A

    c/r/i/s/t/v(s)a)

  2. B

    ·b)//m//a//r//i//ac)

  3. C

    i/h/e/s/v/sd)

Kommentar

Sämtliche Inschriften sind in einer qualitätvollen Bandminuskel ausgeführt. Schaft und Balken des t scheinen ineinandergesteckt. Der Bogen des h ist unter die Grundlinie gezogen, das s rechtsschräg durchstrichen.

Die Bandminuskel wurde im südwestdeutschen Raum überwiegend in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verwendet.3 Für diese zeitliche Einordnung der Monstranz sprechen auch stilistische Kriterien. Zum Vergleich ist hier vor allem auf die von Hans Müller 1470 gefertigte Hostienmonstranz von St. Moritz in Augsburg zu verweisen, die nicht nur in der Gestaltung der Fußpässe und der Zarge, sondern auch hinsichtlich der Standplatte und des Maßwerkes deutliche Ähnlichkeiten aufweist.4

Textkritischer Apparat

  1. Abkürzung durch eine zurückgebogene Haarlinie, die außen am freien Ende des rechten Schrägschaftes ansetzt und über dem Buchstaben in einem kleinen Nodus schließt.
  2. Vierblättrige Blüte.
  3. Das zweite a durch eine Lötstelle leicht beschädigt.
  4. Das Schluß-s als Schaft-s ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu das Speyerer Kirchenvisitationsprotokoll von 1683, abgedr. in Trenkle, Beiträge (1878) 42: „Monstrantia nulla“.
  2. Vermutlich aufzulösen in WJ(CHT) 83 (LOT), das entspräche ca. 1,38 kg.
  3. Vgl. Einl. Kap. 5.2, LXXX und nrr. 61, 102, 139; s. a. DI 20 (Karlsruhe) nr. 59 (1468); DI 47 (Böblingen) nr. 79 (1473); DI 30 (Calw) nr. 162 (1499); DI 41 (Göppingen) nrr. 173 (um 1500), 174 (um 1500), 210 (um 1520).
  4. Vgl. gold und silber. Augsburgs glänzende Exportwaren. Katalog zur Sonderausstellung im Diözesanmuseum St. Afra,, Augsburg, 3. Mai – 27. Juli 2003, hg. v. Melanie Thierbach, Augsburg 2003, 120f. nr. 12 (Abb.); Fritz, Goldschmiedekunst 284f. nr. 718 (Abb. 718); Kohlhaussen, Nürnberger Goldschmiedekunst 205 (Abb. 328).

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe N Mone 106, Mone, Aufzeichnungen östl. Obere Hard, fol. 25r–26r.
  2. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nrr. 680/29, 680/31, 680/33, 680/35.
  3. Kdm. Rastatt 263 (Abb. 152).
  4. Kirche Niederbühl/Baden (Schnell & Steiner Kunstführer 972), München 1972, 11 (Abb.).
  5. Heinz Bischof, Heimatbuch Niederbühl und Förch, Rastatt 1988, 370 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 140 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0014001.