Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 138† Baden-Baden, Stiftskirche Unserer Lieben Frau 3. D. 15. Jh.

Beschreibung

Metallauflage der Grabplatte für Markgräfin Katharina von Baden, geb. Herzogin von Lothringen. Ehemals zwischen dem zweiten und dritten Chorjoch von Westen auf der ersten Grabplatte nördlich der Chorachse im Boden.1 Nördlich daneben die Grabplatte für Herzogin Katharina von Österreich.2 Die vermutlich aus Messing gegossene Auflage wurde offenbar im Zuge der Brandschatzung der Stiftskirche von 1689 zerstört oder entwendet.3 Der eingetretene Verlust ist indes erst um 1754/55 indirekt bezeugt.4 Im Zuge der Wiederherstellung der Grablege sollte die Steinplatte eine neue Metallauflage mit dem badischen Vollwappen erhalten, allerdings keine Inschrift, da man sich über die Identität der Grabstelle nicht mehr sicher war.5 Doch mißlang der zwischen 1765 und 1771 in Straßburg erfolgte Guß und fand deshalb keine Verwendung.6 Im Jahre 1801 wurde die nördlich daneben liegende Steinplatte nr. 13, die 1673 der Herzogin Katharina von Österreich zugewiesen wird,7 ersetzt und aufgrund einer wohl irrtümlichen Überlieferung nach den Vorgaben Franz Josef Herrs mit zwei neuen, zeilenweise eingemeißelten Sterbevermerken versehen, die sowohl Katharina von Lothringen als auch ihrem Gemahl Jakob I. von Baden gewidmet sind.8 Da beide Platten im Jahre 1867 in ihrer Anordnung vertauscht wurden,9 lokalisieren die Inschriften für die Herzoginnen Katharina von Lothringen und Katharina von Österreich zwar seither wieder annähernd deren korrekte Bestattungsplätze, doch gehören die Steinplatten – sofern sie zuvor in situ lagen und die Überlieferung von 16737 stimmt – zur jeweils anderen Grabstelle.

Im Binnenfeld der originalen Metallauflage war das ganzfigurige Abbild der Verstorbenen im Halbrelief ausgegossen.10 Sie trug um das Haupt eine Hulle und hielt in ihren zum Gebet zusammengelegten Händen einen Rosenkranz. In einem abgesetzten Feld über ihrem Haupt ein Vollwappen, flankiert von je zwei spiegelbildlich übereinandergestellten Rundbögen. Die beiden oberen waren mit einer Arkatur aus Rundbogenfenstern gefüllt, deren Binnenfelder eine schrägliegende Gitterschraffur aufwiesen. In der umlaufenden Randleiste der Sterbevermerk, in den vier Ecken unterbrochen von je einem Wappenschild.

Inschrift nach Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1066), Reisebeschreibung.

Maße: H. 289, B. 143 cm.11

Schriftart(en): Kapitalis.12

CNRS Institut de Recherche et de Histoire des Textes; Bibliothèque municipale, Arras [1/1]

  1. ANNOa) · DOM(INI)b) · M · CCCC / XXXIXc) · PRIMA · MENSIS · MART(II)d) · OBIIT · ILL(VSTRIS)d) · PRINCIPISSA · / DOMINA · KATHARINA · DE · / LVTERINGENe) · MARCHIONISSA · BADEN(SIS)b) · REQVIESCAT · IN · PACE ·

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1439 starb am ersten (Tag) des Monats März die durchlauchte Fürstin, Frau Katharina von Lothringen, Markgräfin von Baden. Sie möge in Frieden ruhen.

Wappen:
Baden-Sponheim;
LothringenKurpfalz13
WürttembergZollern14.

Kommentar

Der Kopist war offensichtlich bemüht, die Buchstabenformen originalgetreu abzuzeichnen. Die in Kontur wiedergegebenen Buchstaben sind durch deutliche Bogenverstärkungen geprägt. Einige Schaftenden sind tief gespalten. Die Innenschwellung des D-Bogens in DOM(INI) weist eine runde Einkerbung auf. Die Schrägschäfte des X sind S-förmig geschwungen. Als Worttrenner dienen Dreisporen auf halber Zeilenhöhe. Je zwei ihrer Ecken sind mit gekrümmten Zierlinien ausgestattet.

Bereits die Verwendung der Kapitalis deutet darauf hin, daß die Platte nicht sofort nach dem Tod der Markgräfin, sondern frühestens um die Wende zum 16. Jahrhundert angefertigt worden sein kann.15 Für diesen Zeitansatz spricht auch die formale Gestaltung des Bildhintergrundes, der in ähnlicher Ausführung auf einigen Grabmälern zu beobachten ist, die in der Nürnberger Gießhütte Vischer gegossen wurden. Hier sind insbesondere die Grabplatten für Propst Georg von Haugwitz (nach 1463) und für Kurfürst Ernst von Wettin (nach 1486) zu nennen, die die gleichen Rundbögen und Fensterarkaturen aufweisen.16 In einigen Grabinschriften aus dem Oeuvre Hermann Vischers d. Ä. und Peter Vischers d. Ä. tauchen überdies X-Formen mit stark geschwungenen Schrägschäften auf.17 Da die Markgrafen von Baden mehrere Grabmäler in Nürnberg anfertigen ließen – unter anderem für Katharina von Österreich (gest. 1493) –,18 dürfte unter Berücksichtigung der vorgestellten Indizien auch die Grabplatte Katharinas von Lothringen der Vischer-Werkstatt zuzuweisen und in das letzte Drittel des 15. Jahrhunderts zu datieren sein.

Katharina war die zweite Tochter Herzog Karls II. von Lothringen und Kurfürstin Margaretas von der Pfalz.19 Ihre Ehe mit Markgraf Jakob I. von Baden wird erstmals am 25. Juli 1422 bezeugt.20 Am 1. August 1432 verzichteten beide auf jegliche Ansprüche auf das Herzogtum Lothringen und erhielten dafür die Einkünfte der Vogtei über die Städte Bruyères, St. Dié, Raon l’Etape und Arches (dép. Vosges).21 Die fortwährende Beteiligung an Konflikten im Elsaß und in Lothringen belegt jedoch, daß das politische Interesse Badens an Katharinas Stammlanden nie aufgegeben worden war.

Textkritischer Apparat

  1. Das A ohne Mittelbalken wiedergegeben.
  2. Ohne Kürzungszeichen.
  3. In der Skizze vor dem ersten X ein Zeichen getilgt.
  4. Kürzung durch einen kurzen oberen Haken.
  5. Die Buchstabenfolge VT miteinander verschränkt, so daß der rechte Schrägschaft des V von unten an den linken Balkenabschnitt des T stößt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1055), Reisebeschreibung, fol. 144v: „a la gauche en entrant Contre les formes“ sowie „au Costé droit de Catherine d’austriche“ (nr. 119). Daß mit „au costé droit“ der südliche Richtungssinn gemeint ist, ergibt sich aus den nachfolgenden Angaben zur Lage der Grabplatten für Elisabeth Pfalzgräfin bei Rhein und Gräfin Ottilie von Katzenelnbogen, die auch jeweils rechts (d. h. südlich) neben der zuvor genannten Platte lokalisiert werden und an diesen Plätzen auch anderweitig bezeugt sind, vgl. nrr. 191, 214. Die Metallauflage für Katharina von Lothringen müßte demnach entgegen späterer Überlieferung auf der Grabplatte nr. 12 gelegen haben, vgl. GLA Karlsruhe Hfk Pläne J nr. 7 (schwarz), Grundriß Stiftskirche (1755) nr. 12; GLA Karlsruhe G Baden-Baden nr. 108, Grundriß Stiftskirche (1801) nr. 12 (hier mit nr. 13 verwechselt).
  2. Zur Lokalisierung von 1673 vgl. Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1055), Reisebeschreibung, fol. 144v (zit. in Anm. 1); s. a. nr. 119.
  3. Zum Material vgl. Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1066), Reisebeschreibung, fol. 144v: „en demy relief de Cuivre“. Daß es sich höchstwahrscheinlich um Messing handelte, ergibt sich aus Zahn, Inschriftenträger 68. Zur Zerstörung der Stiftskirche von 1689 vgl. Bartusch, Wiederherstellung 255–258 (im Druck); zum Verlust der Metallauflagen vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 8v.
  4. Der Verlust geht erstmals ex silentio aus Jakob Wilhelm Dürrfelds Zusammenstellung über die 1754/55 geplanten Grabschriften und Wappen hervor, in der er die Existenz der verbliebenen originalen Plattenauflagen sonst regelmäßig erwähnt, vgl. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Dürrfeld, Aufnahme, o. S. nr. 12 bzw. 13.
  5. Zu den Plänen der letzten Markgrafen von Baden-Baden bezüglich der Wiederherstellung der Grablege im Stiftschor vgl. Bartusch, Wiederherstellung 259–278 (im Druck). Den Entwurf mit dem vorgesehenen Wappen siehe in GLA Karlsruhe Hfk Pläne J nr. 7 (schwarz), Grundriß Stiftskirche (1755) nrr. 12 bzw. 13. Der unsichere Wissensstand von 1754/55, der die Bestattungen unter den Platten nrr. 12 und 13 offenbar verwechselt und ungerechtfertigt erweitert, ist überliefert in PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Dürrfeld, Aufnahme, o. S.: „No. 12. Ein simpler Wappen Schildt, soll aber nach der Meinung Herrn Probstes die den 11ten 8bris 1493 verstorbene Gemahlin Herrn Marggrafens Carls seyn nehmlich Catharina austriaca Soror imperatoris Friderici tertij, nebst ihrem Gemahl nach einer alten Schrifft. No. 13. Abermahlen ein simpler Wappenschildt nach Meinung Herrn Propsts aber das Grab der Frauen Marggräfin Catharinae Lotharingiae Gemahlin Jacobs des Fundators, der auch hier liegt, so verstorben den 1ten Martij 1439.“
  6. Der Befehl Mgf. August Georgs von Baden-Baden an Kommissar Dürrfeld, den Guß der neuen Metallauflagen mit der Straßburger Stück- und Glockengießerei vertraglich vorzubereiten, datiert vom 20.12.1765, vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Schreiben an Dürrfeld, o. S. Die mißglückte Ausführung in Eisen, die bis 1771 vorgenommen worden sein muß, bezeugt Stiftspropst Ludwig von Harrant am 22.3.1776, vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Harrant, Pro Memoria, o. S.
  7. Vgl. wie Anm. 1.
  8. Die heute stellenweise abgetretene Inschrift lautet: 13. / IACOB(VS) I. / M(ARCHIO) B(ADENSIS) / FVNDAT(OR) HVJ(VS) INSIGN(I)S / ECCLESIAE . COLLEGIATAE / IN IPSO . MORTIS EIVS AN(N)O / MCCCCLIII / ERECTAE / ET / CATHARINA / CONI(VX) EIVS / NAT(A) DVCISS(A) LOTARING(IAE) / O(BIIT) / MCCCCXXXIX. Siehe dazu GLA Karlsruhe 47/22, Herr, Bericht, o. S. nr. 13; GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 23r–v nr. 13; GLA Karlsruhe G Baden-Baden 108, Grundriß Stiftskirche (1801), nr. 13; Kdm. Baden-Baden 135 nr. 13; Weis, Stiftskirche 34 nr. 2. Herr rechtfertigt die beiden Inschriften mit Dürrfelds Angaben (vgl. Anm. 5) und einem undatierten Schreiben des Stiftspropstes von Rothenberg, der darin nach mündlicher Auskunft seines Amtsvorgängers Vloßdorf die entsprechenden Doppelbestattungen für die Grabplatten nrr. 12 und 13 ebenfalls in vertauschter Anordnung bezeugt, vgl. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Herr, Gegenbericht, o. S. nr. 13 Beilage A und F. Zu Herrs Argumentation s. a. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 23r–24r.
  9. Vgl. Weis, Stiftskirche 34 nr. 2.
  10. Die Beschreibung nach Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1055), Reisebeschreibung, fol. 145 (Abb.).
  11. Maße der Steinplatte nach Kdm. Baden-Baden 135 nr. 12 (unter Annahme der Verwechslung der Grabplatte mit nr. 119).
  12. Benennung der Schriftart nach Skizze (wie Anm. 10). Zur Verläßlichkeit der Abzeichnung vgl. nr. 119 und Einl. Kap. 3.3, XLVII.
  13. Quadriert und mit Mittelschild (Kurwürde) belegt: 1/4. Pfalz, 2/3. Bayern.
  14. Quadriert: 1/4. Zollern, 2/3. Burggrafschaft Nürnberg.
  15. Allg. zur Verwendung der Kapitalis in Inschriften vgl. Kloos, Einführung 158–160.
  16. Vgl. Hauschke, Grabdenkmäler 162f. nr. 1 (Abb. 101), 176f. nr. 10 (Abb. 121); siehe dazu auch DI 52 (Stadt Zeitz) nr. 36 (Abb. 13); Grabmonumente Meißen 357–360 nr. 125 (Abb.).
  17. Vgl. Hauschke, Grabdenkmäler 165f. nr. 3 (Abb. 107; Grabplatte für Graf Georg v. Löwenstein; Werkstatt Hermann Vischer d. Ä., nach 1464), 171 nr. 7 (Abb. 116; Grabplatte für Johann Schenk von Limpurg; Werkstatt Hermann Vischer d. Ä., nach 1475?), 218f. nr. 39 (Abb. 166; Grabplatte für Truchseß Erhard von Wetzhausen; Werkstatt Peter Vischer d. Ä., nach 1491?).
  18. Vgl. nrr. 191, 213, 229; s. a. nrr. 119 und 214.
  19. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 205. Margaretas Eltern waren Kurfürst Ruprecht III. von der Pfalz und Elisabeth von Nürnberg, Tochter Friedrichs V., Burggraf von Nürnberg aus dem Hause Zollern, vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.1, Taf. 91, 93. Zu Herzog Karl II. von Lothringen vgl. Georges Poull, La Maison ducale de Lorraine, devenue la Maison impériale et royale d’Autriche, de Hongrie et de Bohême, Nancy 1991, 118–127.
  20. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 267.
  21. Vgl. wie auch zu den folgenden Angaben Poull (wie Anm. 19) 125.

Nachweise

  1. Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1055), Reisebeschreibung, fol. 145r (Abb.).
  2. GLA Karlsruhe J-C-B/17 (Kopie der Abb. in Reisebeschreibung).
  3. Obser, Aufzeichnungen 111 (nach Reisebeschreibung).
  4. Stierling, Beiträge 26 (erw.).
  5. Kdm. Baden-Baden 138f. nr. 1 (Abb. 108 aus Reisebeschreibung).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 138† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0013801.