Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 137†? Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Museum 4. V. 15. Jh.

Beschreibung

Tafelbild mit der sog. Jungfrauenlegende des hl. Nikolaus. Das hochrechteckige Gemälde noch 1926 im Kloster bezeugt.1 Zwischen 1926 und 1928 an den Photographen Wilhelm Kratt verkauft oder verschenkt.1 Im Januar 2001 bei einer Auktion in New York erfolgreich versteigert; Käufer unbekannt.2 Vermutlich Öl auf Leinwand. Hinter einem von zwei Säulen getragenen Rundbogen ein Zimmer, in dem rechts die drei Jungfrauen in einem Baldachinbett schlafen.3 Über den Köpfen sind auf ihrem gemeinsamen Kissen v. l. n. r. die entsprechenden Namen (A, B, C) zu lesen. Am Fußende des Bettes eine flache Holztruhe, die in ihrer perspektivischen Darstellung aus dem Bild herauszuragen scheint. Links daneben der hl. Nikolaus im Bischofsornat und mit großem Nimbus. Seine Linke umfaßt den Krummstab, mit der Rechten ist er im Begriff, die dritte goldene Kugel auf das Bett zu werfen. Zwischen den ruhenden Mädchen und dem Heiligen steht vor einem Fenster der Familienvater in kostbarer Kleidung. Er hält den Blick auf den Bischof gerichtet, hat die Linke auf einen Stock gestützt und die Rechte ehrerbietig an die Brust gelegt.

Inschrift nach RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

LDA Karlsruhe [1/1]

  1. A

    anbet

  2. B

    wilbet

  3. C

    warbet

Kommentar

Die Oberlängen ragen nur geringfügig aus dem Mittelband hervor. Das obere Schaftende von b ist stets gespalten, der linke Teil einseitig spitz ausgezogen. Die Fahne des r und der Balken des t besitzen einen senkrecht angesetzten Haarstrich, der unten eingerollt ist. Der verlängerte linke Schrägschaft des w ist nach innen eingebogen und mündet oben in eine dünne, hakenförmig gekrümmte Zierlinie.

Der Legende nach bewahrte der hl. Nikolaus die drei Jungfrauen davor, vom Vater in ein Freudenhaus verkauft zu werden, indem er ihnen als Aussteuer für die Heirat drei Goldkugeln durch das Fenster warf.4 Einige stilistische Details, wie beispielsweise die Gestaltung der Zimmerdecke, des gefliesten Fußbodens oder des Baldachinbettes, vor allem aber die Raumperspektive und das Bestreben, durch scheinbar aus dem Bild ragende Gegenstände die Illusion eines realen Vorgangs zu erzeugen, finden auf den Altarflügeln des ehemaligen Lichtenthaler Hochaltars (1489) ihre Entsprechungen.5 Die Frage, ob deshalb von demselben Maler auszugehen ist, wurde bislang noch nicht untersucht. Zumindest lassen sich aufgrund dieser Beobachtung beide Werke in etwa derselben Zeit und Schule zuordnen. Mit einer Datierung in das letzte Viertel des 15. Jahrhunderts sind auch die Schriftformen gut vereinbar.6

Anmerkungen

  1. Vgl. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer (wie unten).
  2. Vgl. ebd. (jüngerer, mit Bleistift ausgeführter Zusatz).
  3. Beschreibung nach RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv (wie unten).
  4. Vgl. die entsprechenden Quellenangaben in LCI, Bd. 8, Sp. 45f. (Lit.); zu einer weiteren inschriftlich bezeichneten Umsetzung des Themas siehe DI 29 (Worms) nr. 222.
  5. Vgl. nr. 114.
  6. Vgl. z. B. die tief gespaltenen Schaftenden auch in nr. 107, 127. Allg. zur Entwicklung der Gotischen Minuskel vgl. Einl. Kap. 5.2, LXXVIII–LXXXIII.

Nachweise

  1. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nr. 0442 (Photo Wilhelm Kratt, 1923).
  2. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 7: Gemälde, fol. 42r (Photo Wilhelm Kratt, 1923).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 137†? (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0013704.