Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 129 Baden-Baden, kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau (ehem. Stiftskirche) 1497

Beschreibung

Metallauflage der Grabplatte für den Stiftskustos Johannes Gessel. Im Jahre 1801 auf einer großen Grabplatte vor dem Pfarraltar der Stiftskirche bezeugt.1 Danach zu unbestimmter Zeit im nördlichen Nebenchorjoch (Marienchörlein) südlich der Apsis in etwa 1,50 m Höhe in der Ostwand eingelassen. Die Grabplatte verloren. Messing. Die querrechteckige Metallplatte hat die Form von vier waagerecht entrollten und untereinander angeordneten Schriftbändern. Die Zeilen sind durch breite Stege voneinander abgesetzt. Der erhaben gegossene Sterbevermerk erscheint vor einem in Kaltarbeit punktpunzierten Hintergrund. Die Anfänge der beiden oberen Zeilen sind leicht beschädigt; dadurch geringfügiger Schriftverlust.

Maße: H. 25. B. 56, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. An(n)o · d(omi)ni · 1497 · p(ri)maa) · maij · O(biit) / [ve]nerabilis · m(a)g(iste)r · Johannes · ges/selb) · de · Augusta · sacre · pagine · / licenciatus · custos · h(uius)c) · C(uius) · A(nima) · R(equiescat) · I(n) · p(ace)d)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1497 starb am ersten Mai der ehrwürdige Magister Johannes Gessel aus Augsburg, Lizentiat der Heiligen Schrift und Kustos dieser (Kirche), dessen Seele in Frieden ruhen möge.

Kommentar

Aus der nahezu identischen Form der gleichen Buchstaben ist zu schließen, daß bei der Herstellung anscheinend Modeln verwendet wurden. Ober- und Unterlängen der Gemeinen ragen nur wenig aus dem Mittelband hervor. Ihre freien Enden sind regelmäßig schräg abgeschnitten, einseitig ausgezogen und münden in knopfartige Verdickungen. Ebenso ist der in den Unterlängenbereich verlängerte Bogen des h gestaltet. Den Schaft des g begleitet eine an den Enden beiderseits eingerollte Zierlinie, die durch einen kurzen Balken mit dem Buchstaben verbunden ist. Die Fahne des r trägt unten einen langen Zierstrich. Das Bogen-s ist rechtsschräg durchstrichen, das Schaft-s vom c kaum zu unterscheiden. An den Versalien sind die freien Schaftenden keilförmig verbreitert. Das spitze A hat einen beiderseits überstehenden Deckbalken und leicht nach innen eingebogene Schrägschäfte. In An(n)o ist das A annähernd pseudounzial. Hier ist der linke Schrägschaft mit einer kräftigen Bogenschwellung versehen und unten eingerollt. In den Bogen des C ist ein senkrechter Zierstrich eingestellt. Der Schaft des I besitzt in der Mitte einen Nodus. Der untere Kreisabschnitt des spitzovalen O ist rechts ein kurzes Stück verdoppelt, die Cauda des R geradlinig. Die 1 hat die Form eines J, dessen Schaft links eine gezackte Bogenschwellung aufweist. Die 4 ist schlingen-, die 7 lambdaförmig ausgeführt. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Johannes Gessel übernahm nach der Resignation seines Amtsvorgängers Johannes Molitor im Jahre 1489 die Funktion des Stiftskustoden und zugleich das Kanonikat für den Heilig-Kreuz-Altar.2 Bis zu seinem inschriftlich bezeugten Tod war er außerdem Pfarrer der Stadtkirchengemeinde.3

Textkritischer Apparat

  1. Abkürzung durch kreisrunden Bogen rechts über dem p.
  2. gre/cel Kdm., Weis.
  3. Ergänze sinngemäß zu h(uius) · ecclesie.
  4. Abkürzung durch einen rechtsschrägen, die Unterlänge des p-Schafts durchschneidenden Kürzungsstrich, der rechts in eine Schlaufe mündet.

Anmerkungen

  1. Vgl. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 368f. Als Standort des Pfarraltars kommt nur der Bereich unter dem Triumphbogen in Betracht; zur älteren Ausstattung der Stiftskirche mit Altären allg. vgl. Kdm. Baden-Baden 91.
  2. Vgl. Steigelmann, Bad. Präsentationen 506 nr. 32.
  3. Vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Materialien 240; Weis, Stiftskirche 35 nr. 7.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 369.
  2. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 64v.
  3. Heffner, Führer 26 (erw.).
  4. Kdm. Baden-Baden 112 nr. 8.
  5. Weis, Stiftskirche 35 nr. 7.
  6. Baden-Baden (Merian 28/7), Hamburg 1975, 27f. (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 129 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0012909.