Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 124 Baden-Baden, kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau (ehem. Stiftskirche) 1495

Beschreibung

Memorienstein für den Stiftspropst Johannes Horn und seine Eltern. Innen an der Ostwand des nördlichen Nebenchorjochs (Marienchörlein) rechts neben dem Apsisbogen in etwa 2 m Höhe. Sandstein. Hochrechteckige, von einer schmalen Profilleiste gerahmte Platte, über der ein jüngerer Gesimsstein in das Mauerwerk eingelassen ist. Im oberen Drittel des Binnenfeldes das nahezu vollplastisch ausgearbeitete Relief des Gnadenstuhls unter einem gotischen Kapellenbaldachin. Zur Rechten Christi eine kleine, kniend betende Stifterfigur in geistlichem Gewand. Über ihrem Haupt ein entrolltes leeres Schriftband, auf dem Franz Joseph Herr offenbar noch das Gebet (A) las.1 Den unteren Bereich der Platte füllt die zeilenweise eingemeißelte Stiftungsinschrift (B). In der rechten unteren Ecke ein reliefierter Wappenschild.

Maße: H. 125, B. 65, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (B).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A†

    Miserere mei Domine

  2. B

    Memoria · Johan(n)is · horna) · p(res)b(yte)rib) / h(uius) · eccl(es)ie · baden(sis)a) · p(re)positi · tercij · q(ui) · ob / sue · p(ar)entu(m) · p(ro)ge(n)itor(um) · et · b(e)n(e)factoru(m) / suor(um) · a(n)i(m)ar(um) · salute(m) · Missa(m) · s(an)ctissi(m)e · / t(ri)nitatis · o(mn)i · feria · s(e)c(un)da · p(er)petuo · so/le(m)niter · p(er) notasc) · ca(n)ta(n)da(m) · / instituit An(n)o · d(omi)ni · M° · cccc · xcv / · orate · pro · eo ·

Übersetzung:

Erbarme dich meiner, Herr. (A) – Erinnerung an den Priester Johannes Horn, den dritten Propst dieser Kirche zu Baden, der wegen des Heils seiner (Seele) und der Seelen seiner Eltern, Vorfahren und Wohltäter festsetzte, daß auf ewig an jedem Montag eine Messe der Heiligsten Dreifaltigkeit feierlich nach Noten gesungen werden solle. Im Jahr des Herrn 1495. Betet für ihn! (B)

Wappen:
Horn.2

Kommentar

Die Buchstaben sind in einem Gitter aus waagerechten und senkrechten Linien äußerst sorgfältig geschlagen und in regelmäßigen Abständen aneinandergefügt. Ober- und Unterlängen ragen deutlich aus dem Mittelband hervor und sind rechtsschräg abgeschnitten. Teilweise enden die linken Schäfte von m, n und u oben stumpf. Der Bogen des überwiegend verwendeten Bogen-r ist ausgerundet. Die Schäfte von h und b sind am Wortanfang von horn und baden(sis) linksseitig gezackt. Der Bogen des h mündet unten in eine einseitig bis unter die Grundlinie gezogenen Zierlinie. Der geschwungene linke Schaft des pseudounzialen A setzt am rechten Schaft oben an, ohne den Deckbalken zu berühren, und ist bis unter die Grundlinie gezogen. Die spitzovalen, symmetrischen Bögen des offenen unzialen M sind – abgesehen vom Zahlbuchstaben – weitgehend ausgerundet. Der Mittelschaft trägt hier in halber Höhe einen waagerechten Zierbalken. Am ersten Wort wird der linke Bogen außen von einer senkrechten dünnen Zierlinie begleitet. In Missa(m) und innerhalb der Jahreszahl ist er – wie der leicht nach links durchgebogene Schaft des J – links gezackt. Als Worttrenner dienen kleine Kreise auf halber Zeilenhöhe. Die letzte Zeile ist zentriert eingemeißelt und wird links und rechts von flach eingeritzten Fadenranken als Zeilenfüller flankiert.

Johannes Horn stammte aus Diedesheim (Stadt Mosbach, Neckar-Odenwald-Kreis) und hatte an der Universität Heidelberg studiert.3 Bereits 1471 ist er als Stiftsherr zu Ettlingen und 1482 unter dem Namen Johannes Burchardus an der St.-Thomas-Kirche zu Straßburg bezeugt.4 Als badischer Hofprediger wurde er nach dem Tod von Kaspar Vogt 1485 zum Propst des Kollegiatstifts zu Baden ernannt.5 Zuvor hatte er hier die Funktion des Dekans ausgeübt.6 Am 28. Juli 1488 erhielt er die Vikarspfründe des St.-Sebastian-Altars und am 13. Dezember 1491 das Kanonikat des Zwölf-Apostel-Altars.7 Als Propst resignierte Horn 1492 und zog sich nach Straßburg zurück.8 Dort ließ er offenbar auch den Memorienstein fertigen, der sich durch die hohe Qualität der Schrift und der Bildwerke von den einheimischen Steinmetzarbeiten dieser Zeit deutlich abhebt. Nahezu identisch sind die Buchstaben- und Zierformen auf dem Epitaph für den Straßburger Vikar Nikolaus Nussbaum (gest. 1501), ebenso die gebogte Umrandung des Wappenschildes.9 Da sich dieses Grabmal dem in Straßburg und Schlettstadt (Sélestat; Elsaß, dép. Bas Rhin) tätigen Bildhauer Conrad Seyfer aus Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis) zuschreiben läßt,10 ist in ihm zweifellos auch der Urheber der Memorientafel zu sehen. Johannes Horn starb im Dezember des Jahres 1500 in Straßburg.11

Textkritischer Apparat

  1. Der Schaft des ersten Buchstabens links gezackt.
  2. Die obere Hälfte des p scheinbar von einem Zipfel des Mantels Gottvaters überdeckt.
  3. p(er) notas] In scriptura continua.

Anmerkungen

  1. Die Lokalisierung der Inschrift erschlossen aus der Formulierung: „(…) darauf ist ausgehauen Jesus nach seiner Abnahme vom Kreuze in den Armen eines seiner Jünger mit der Jnschrift [A].“, vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 41r.
  2. Ein linksgewendetes Jagdhorn.
  3. Vgl. Steigelmann, Bad. Präsentationen 508 nr. 64; Matrikel Heidelberg, Bd. 1, 379.
  4. Vgl. Wielandt, Markgraf Christoph I. 610; Diözese Speier 54f. nr. 321 (Eintrag v. 28.2.1482).
  5. Vgl. Steigelmann, Bad. Präsentationen 505 nr. 20; GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Materialien 221. S. a. nr. 109; Weis, Stiftskirche 35 nr. 6.
  6. Vgl. Steigelmann, Bad. Präsentationen 505 nr. 22; Diözese Speier 54f. nr. 321 (Eintrag v. 28.2.1482); RMB, Bd. 4, nr. 10557 (Urk. v. 19.3.1474).
  7. Vgl. Steigelmann, Bad. Präsentationen 508 nr. 64, 515 nr. 194.
  8. Vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 41r.
  9. Vgl. Recht, Nicolas de Leyde 374 nr. IX.05 (Abb. 246). Auch die kreisförmigen Worttrenner sind für Straßburg typisch, vgl. z. B. nrr. 18, 23, 25, s. a. Reg. 10.a. unter Lemma Trennzeichen / Kreis.
  10. Vgl. Recht, Nicolas de Leyde 251f. Zu Conrat Seyfer allg. vgl. DA, vol. 28, 694 (Lit.); Beaulieu/Beyer, Dictionnaire 132 (Lit.); Eva Zimmermann, Die Syfer – Drei spätgotische Bildhauer am Oberrhein (I), in: Kraichgau 3 (1972) 46–60; Recht, Nicolas de Leyde 248–253; Hauck, Bildhauer Conrad Sifer, passim.
  11. Siehe den Eintrag im Totenbuch des Klosters Fremersberg in Liber Mortuorum 66: „Dezember. (…) Anno 1500. Obiit Argentinae Dominus Joannes Horn, quondam praepositus in Baden, qui multa et magna beneficia fecit nobis, in eleemosynis pro Structura, et in libris pro bibliothecha positis. Et etiam ante obitum suum legavit nobis 4 fl.“

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 362.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 41r–v.
  3. Herr, Begräbnisse Pfarrkirche 15 (erw.).
  4. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 63r (nur B).
  5. Heffner, Führer 26 (erw.).
  6. Kdm. Baden-Baden 109 (nur B), 110 (Abb. 92).
  7. Michael Burkhard-Meier, Das spätmittelalterliche Wanddenkmal in Deutschland und den Niederlanden. Studien zur Typengeschichte des Epitaphs, Diss. Freiburg i. Br. 1955, 128 (erw.), Taf. 48 c (Abb.).
  8. Marie-Luise Hauck, Die Deutung von drei oberrheinischen Epitaphien um 1500, in: Annales Universitatis Saraviensis, Philosophie–Lettres 5 (1956) 306–310, hier 309 mit Anm. 15.
  9. Hauck, Bildhauer Conrad Sifer 203f. (erw.).
  10. Weis, Stiftskirche 35 nr. 6 (nur B).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 124 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0012407.