Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 118 Baden-Baden, Stadtmuseum (Lichtentaler Allee 10) 1492

Beschreibung

Grabplatte für den markgräflichen Leibarzt Hans Ulrich. Noch 1856 an der südlichen Mauer des Alten Friedhofs nahe der Spitalkirche bezeugt.1 Zu unbestimmter Zeit in die Stadtgeschichtlichen Sammlungen der Stadt integriert. Rötlicher Sandstein. Im Zentrum der hochrechteckigen Platte ein flach reliefierter, tartschenförmiger Wappenschild. Auf dem Rand der umlaufend eingemeißelte Sterbevermerk mit Fürbitte. An den Längsseiten der Platte zwei Aussparungen für die früher anliegenden Klammereisen.

Maße: H. 208, B. 81, Bu. 6–7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Stadtmuseum Baden-Baden [1/1]

  1. Anno · d(omi)ni · M°cccc° / · xcija) · vff · den · Sibenden · dag · des · heymonetz · Zwi/schenb) · ix · vn(d) · x · / Obijt · Hans · vlrich · Scheerer · dem · gnad :c)

Datum: 7. Juli 1492.

Wappen:
Ulrich.2

Kommentar

Die Kerben der Buchstaben wurden gleichmäßig schmal geschlagen. Ober- und Unterlängen ragen deutlich aus dem Mittelband heraus. Unter den Gemeinen sind die Bögen an Grund- und Oberlinie in der Regel fast rechtwinklig gebrochen, wodurch sich ein besonders eckiger Schriftduktus ergibt. Der untere Bogen des g schwingt nach rechts aus und ist danach auf einen waagerechten Balken reduziert. Der linke Schrägschaft des v ist nach rechts durchgebogen bzw. gebrochen und weit in den Oberlängenbereich hineingezogen. Das A wurde in der Grundform des Minuskelbuchstaben wiedergegeben, wobei der untere Bogen unten offen ist und der obere nach der Brechung als waagerechter Balken nach links übersteht. Das M ist links geschlossen und annähernd spitzoval, der unverbundene rechte Bogen in den Unterlängenbereich verlängert und hier nach links umgebrochen. Die Bögen des S haben nur je eine Brechung; der untere ist größer und weit vorgeschoben. Das O ist fast oval, jedoch nicht ganz geschlossen. Das H ist unzial gestaltet, wobei der Bogen keine Verbindung zum Schaft hat, der links von einer gekrümmten Zierlinie begleitet wird. Als Worttrenner dienen kleine Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Einige Details der Schriftgestaltung deuten darauf hin, daß die Grabplatte in derselben Steinmetzwerkstatt geschlagen wurde wie die Grabmäler für Kaspar Vogt, Albrecht von Berwangen und seine Frau, Jakob Dieffenbach sowie für einen Unbekannten.3 Dazu zählen neben den gleichbleibend schmalen Kerben und dem relativ schlank proportionierten Gemeinen vor allem das A, das M, das g ohne Zierbalken, das x mit dem tief sitzenden Balken sowie der sich nach links verjüngende und leicht durchgebogene Kürzungsbalken.

Hans Ulrich war einer der einflußreichsten und vermögendsten Bürger der Stadt.4 Kurz vor 1469 hatte er die Ehe mit Katharina, der Witwe Conrad Fincks, geschlossen, aus der mehrere Kinder hervorgingen.5 Als bekannter Chirurg und markgräflicher Leibarzt erhielt Ulrich von Karl I. von Baden für seine Verdienste zwei Freibäder zu Lehen, die ihm ein einträgliches Geschäft ermöglichten.6 In deren Nähe errichtete er 1478 ein komfortables Haus am Markt.5 Einen anderen Teil seiner Einkünfte stiftete er dem Kloster Fremersberg.7 Weitaus bekannter ist indes das von Nikolaus Gerhaerts von Leyden gefertigte Kruzifix, das ehemals auf dem Alten Friedhof der Stadt Baden stand und sich heute im Chor der hiesigen Stiftskirche befindet.8 Wie das darauf wiedergegebene Wappen bezeugt, war es von Hans Ulrich in Auftrag gegeben worden. Sein Tod im Juli 1492 wird durch das Fremersberger Totenbuch bestätigt.9

Textkritischer Apparat

  1. Das umgebrochene untere Ende des i berührt das j. Das Todesjahr anderweitig bezeugt, vgl. Anm. 9.
  2. Der Schaft des c fälschlich bis in den Oberlängenbereich gezogen; der obere Bogen setzt jedoch in normaler Höhe an.
  3. Der Doppelpunkt vermutlich das Kürzungszeichen für (Gott).

Anmerkungen

  1. Vgl. Bader (wie unten) 70.
  2. Schrägliegender gefiederter Pfeil.
  3. Vgl. nrr. 104, 109, 125, 134; s. a. Einl. Kap. 5.2, LXXIX.
  4. Vgl. zu den biographischen Angaben Haebler, Geschichte, Bd. 1, 68–71; Rössler (wie unten) 113–115; Heiligenthal, Geschichte 46–49; StdtA Baden-Baden D 026 Nachlaß Rössler, Oskar Rössler, [Texte und Notizen zu Hans Ulrich dem Scherer], passim.
  5. Vgl. Rott, Baden-Baden 47 Anm. 26. Siehe hier auch zu den Kindern.
  6. Vgl. RMB, Bd. 4, nr. 10103 (8.1.1471). Die Urkunden über die Lehenserneuerung durch Markgraf Christoph I. von Baden vom 7.5.1488 sowie über die Klage der Stadt bezüglich der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten der Bäder siehe in: Krieg von Hochfelden, Schlösser 161–165; vgl. ebenso Gauges, „Wir bekennen“ 60f.; Loeser, Geschichte 153; Heiligenthal, Geschichte 44f.
  7. Vgl. Liber Mortuorum 53: „(…) plura etiam contulit pro structura huius loci (…).“ Davon zeugt sein Wappen über dem Haupteingang; s. a. Haebler, Geschichte, Bd. 1, 71; Kdm. Baden-Baden 403; Rott, Baden-Baden 47; Rössler (wie unten) 113.
  8. Vgl. nr. 84. S. a. den ebenfalls mit dem Wappen Ulrich ausgestatteten Bildstock nr. 117.
  9. Vgl. Liber Mortuorum 53.

Nachweise

  1. Josef Bader, Meine Fahrten und Wanderungen im Heimatlande, 2. Reihe, Freiburg 1856, 70 Anm. 83.
  2. August Richard Maier, Nicolaus Gerhaert von Leiden. Ein niederländischer Plastiker des 15. Jahrhunderts. Seine Werke am Oberrhein und in Österreich (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 131), Strassburg 1910, 31.
  3. Oskar Rössler, Meister Hans Ulrich der Scherer, der Stifter des Kruzifixes auf dem alten Friedhof zu Baden-Baden, in: Mein Heimatland 18 (1931) H. 3/4, 113–115, hier 113.
  4. Kdm. Baden-Baden 187.
  5. Martin Hesselbacher, Das Kruzifix des Nikolaus Gerhaert von Leyden in Baden-Baden, in: Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg 12 (1969) H. 1, 2–19, hier 3 (Abb.).
  6. Karl Jörger, Stadtgeschichtliche Sammlungen Baden-Baden, in: Die Ortenau 50 (1970) 213–225, hier 215.
  7. Coenen, Aquae 137 (Abb. 62).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 118 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0011809.