Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 116†? Oberbruch (Stadt Bühl), kath. Kapelle St. Wendelin 1490

Beschreibung

Schnitzfigur der thronenden Muttergottes (?). Vor dem Umbau der St.-Wendelin-Kapelle zu Oberbruch im Jahre 1956 auf deren Dachboden aufgefunden.1 Danach in das katholische Pfarrhaus zu Vimbuch verbracht, 1967 der Kapelle zu Oberbruch zurückgegeben. Holz, polychrom gefaßt. Die Muttergottes hält in der Rechten einen Apfel (nicht original) und umfaßt mit der Linken den auf ihrem Schoß stehenden nackten Jesusknaben, der beide Arme nach rechts ausstreckt.2 Die Rückseite der Marienfigur ist ausgehöhlt. Im Halsbereich ein eiserner Vierkantbolzen, der offenbar zur Befestigung diente. Knapp darunter die mit schwarzer Farbe aufgemalte Jahreszahl (A), die ca. 30 cm tiefer in etwas größerer Ausführung nochmals erscheint (B). Am unteren Rand der Restaurierungsvermerk: freigelegt und konserviert 1967.3

Inschriften nach Befund.

Maße: H. 70, B. 33, Zi. 2 (A), 4 cm (B).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    · 1490 ·

  2. B

    · 1490 ·

Kommentar

Die Ziffernformen beider Jahreszahlen sind nahezu identisch. Die 1 besteht aus einem breit gezogenen unverzierten Schaft, die 4 ist schlingenförmig. Das untere Bogenende der offenen 9 ist nach rechts umgebogen, die kreisrunde 0 im oberen Zeilenbereich kleiner ausgeführt. Als Trennzeichen dienen Punkte auf halber Zeilenhöhe.

Obwohl die Ziffern – abgesehen von der 1 – durchaus den zum Ende des 15. Jahrhunderts üblichen Formen entsprechen,4 ist doch die doppelte Ausführung der gleichen Jahreszahl auf ein und derselben Figur äußerst merkwürdig. Da außerdem die schwarze Farbe offenbar auch für den Restaurierungsvermerk von 1967 verwendet wurde, ist eine jüngere Ausführung durchaus möglich.5 Vielleicht handelt es sich hierbei um die Überlieferung einer originalen Jahresangabe, die während der Restaurierung entdeckt, aber nicht erhalten werden konnte.

Anmerkungen

  1. Sämtliche Angaben nach Stadtgesch. Inst. Bühl Sg 102, Schuhmacher (wie unten) 25–27.
  2. Sollten die Blickrichtung und die zur Seite ausgestreckten Hände des Jesusknaben dem Originalzustand entsprechen, ist damit zu rechnen, daß es sich ursprünglich um eine Figur der Anna Selbdritt gehandelt hat. In diesem Falle wäre der von Kist vermutete Zusammenhang mit der 1490 in Vimbuch gegründeten Bruderschaft der Heiligen Wendelin, Marzolf und Barbara auszuschließen, vgl. Kist (wie unten).
  3. Damals wurde durch Robert Lipps (Freiburg i. Br.) die Fassung vollständig erneuert. Im gleichen Jahr ersetzte der Bildhauer Josef Schäfer (Opfingen, Stadt Freiburg) die fehlende rechte Hand Marias sowie beide Arme des Jesusknaben, vgl. Stadtgesch. Inst. Bühl Sg 102, Schuhmacher (wie unten) 25f.
  4. Vgl. die frühen nach Nachweise arabischer Ziffern in Reg. 10a unter Lemma „Ziffern“. Allg. zu Aufkommen und Form arabischer Ziffern in Europa vgl. Hill, Development, passim.
  5. Vgl. Stadtgesch. Inst. Bühl Sg 102, Schuhmacher (wie unten) 26: „Das (…) durch den Restaurator in Schwarz nach(?)gemalte Datum (…).“

Nachweise

  1. Othmar Kist, Geschichte der Kapelle in Oberbruch, in: Einweihung der Kapelle in Oberbruch, verbunden mit der Feier des Patroziniums St.-Wendelinus am 19. Oktober 1958, o. O. [1958], 6f., hier 6.
  2. Erika Schappeler-Honnef, Kapellen zwischen Rhein und Schwarzwaldhochstraße. Betrachtungen kulturhistorischen Erbes, Bühl 1987, 60.
  3. Stadtgesch. Inst. Bühl Sg 102, Dagmar Schuhmacher, Skulptureninventar der Stadt Bühl. Die Skulpturen in den städtischen Kapellen, masch. ca. 2003, 26 (erw.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 116†? (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0011605.