Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 112† Baden-Baden, Stiftskirche Unserer Lieben Frau 1488

Fotos vgl. Druckversion, Abb. 74, 75, 76. Für die Onlineversion wurde keine Fotopublikationsgenehmigung erteilt.

Beschreibung

Metallauflagen der Grabplatte für Markgraf Albrecht von Baden. Die zugehörige hochrechteckige Steinplatte nr. 6 noch heute im nordöstlichen Bereich des Chores über dem Grab im Boden.1 Im Binnenfeld befand sich ursprünglich ein gerahmtes und von einem Rundbogen überfangenes Vollwappen.2 Dieses und die am Plattenrand umlaufende Schriftleiste mit dem Sterbevermerk waren angeblich aus Bronze, vermutlich aber aus Messing gefertigt.3 Wegen der Beschädigungen bei der Zerstörung der Stiftskirche im Jahre 16894 wurden beide Metallauflagen 1754 von der Platte getrennt5 und zur Säuberung bzw. Ausbesserung nach Rastatt in die Werkstatt des Hofschlossers Johann Ögg gegeben.6 Nach einer Überführung in die Geheime Kanzlei kamen sie bis auf geringe Schriftreste während der Plünderung des Schlosses durch französische Truppen 1796 abhanden.7 Die verbliebenen Fragmente letztmalig 1802 bezeugt, die späteren Verlustumstände unbekannt.8 Die Steinplatte sollte in der Mitte des 18. Jahrhunderts ersatzweise mit einer neuen Metallauflage versehen werden, die zwischen 1765 und 1771 in Straßburg tatsächlich gegossen wurde, aber mißlang.9 Sie wurde deshalb nie mit der Steinplatte vereinigt und ging verloren. Im Zuge der endgültigen Wiederherstellung der markgräflichen Grablege im Jahre 1801 meißelten Steinmetz Wagner und seine Söhne schließlich die noch heute erkennbare Inschrift nach den Vorgaben Franz Josef Herrs ein.10

Die ursprüngliche, von zwei Stegen gerahmte Schriftleiste war an den Ecken abgerundet und etwas ausgestülpt.2 In den darin vom Schriftband abgesetzten vier Feldern je ein zur Plattenmitte ausgerichteter Wappenschild.

Inschrift nach GLA Karlsruhe 47/57, Beilage z. Bericht v. 9.11.1800; Ergänzungen nach BLB Karlsruhe D 113, Junglerus, Vera et genuina origo.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.11

  1. Annoa) · d(omi)ni · M · CCCC · lxxxviijb) · decima [Kalendas Augusti Illustris Princeps Dominus Albertus Marchio Badensis in expeditione contra Brugenses liberandj Rom]anorum · Regisc)12) · gracia · in · oppugna(ci)oned) o[ppidi Dam, jactu laethiferi telj mortem obijt.]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1488 fiel am zehnten Tag vor den Kalenden des August der durchlauchte Fürst Herr Albrecht Markgraf von Baden im Feldzug gegen die Einwohner von Brügge zur Befreiung des römischen Königs bei der Belagerung der Stadt Damme durch den Schuß eines todbringenden Geschosses.

Datum: 23. Juli 1488.

Wappen:
Baden13;
Baden14Österreich14,
Lothringen14Masowien14.

Kommentar

Die detailgetreue Abzeichnung der Buchstabenformen läßt folgende Schriftbesonderheiten erkennen:15 Am oberen Schaftende des g setzt ein nach rechts überstehender kurzer Zierbalken an. Der untere Bogen holt nach rechts aus und endet unter der Grundlinie als waagerechter Balken. Unter den Versalien sind insbesondere das trapezförmige, nach rechts aus der Achse verschobene und vollständig geschlossene A sowie das links geschlossene M erwähnenswert. Dessen rechter Bogen endet im Unterlängenbereich in einer nach außen eingerollten Zierlinie und ist von einem rechtsschrägen Strich durchzogen. Der mittlere und untere Bogenabschnitt des C ist ausgerundet, der Mittelteil verdoppelt. Der Schaft des R ist oben nach links umgebogen und der Bogen lediglich als Quadrangel wiedergegeben, das durch eine Haarlinie mit der Cauda verbunden ist. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe. Die beschriebenen Buchstabenformen finden ihre nahezu identischen Entsprechungen auf einigen zwischen 1480 und ca. 1510 in der Vischer-Werkstatt gegossenen Grabmälern.16 Da das markgräfliche Haus diese Gießhütte mehrfach mit der Anfertigung von Grabmalen beauftragt hat, darf angenommen werden, daß auch diese verlorene Metallauflage aus Nürnberg stammte und eine Arbeit Peter Vischers d. Ä. war.

Albrecht war der zweitälteste Sohn Markgraf Karls I. von Baden und Katharinas von Österreich.17 Er hatte lange Zeit am Hofe Erzherzog Sigmunds von Österreich in Innsbruck verbracht, bis ihm aus finanziellen Gründen der Abschied gegeben wurde und er sich in seine Herrschaft Hachberg zurückziehen mußte.18 Nach der Auslösung Tirols aus bayerischer Hand berief ihn Sigmund jedoch 1488 erneut in seine Dienste, ernannte ihn zum Österreichischen Rat und Hauptmann der Herrschaft Hohenberg, die er ihm gegen eine Summe von 10.000 fl. als Pfandschaft verlieh. Im gleichen Jahr schloß Albrecht sich gemeinsam mit seinem älteren Bruder Christoph I. dem Feldzug ihres Onkels, Kaiser Friedrichs III., gegen die Stadt Brügge (Belgien, Prov. West-Flandern) an, um dessen Sohn, König Maximilian I., aus flandrischer Gefangenschaft zu befreien.19 Zum Dank erhielt er die Stadt Damme (Belgien, Prov. West-Flandern), bei deren Inbesitznahme er fiel.20 Sein Leichnam wurde zunächst in die Kirche von Grave (Niederlande, Prov. Nord-Brabant) gebracht und später nach Baden überführt.21

Textkritischer Apparat

  1. Vor dem A eine stark geschwungene Zierlinie.
  2. M · CCCC · lxxxviij] Der übrigen Überlieferung entsprechend emendiert aus M · CCCC · lxxxxviij.
  3. Das s retrograd.
  4. Kein Kürzungszeichen überliefert. expugnatione Junglerus, Vera et genuina origo.

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Lokalisierung GLA Karlsruhe Hfk Pläne J nr. 7 (schwarz), Grundriß Stiftskirche (1755) nr. 6; GLA Karlsruhe G Baden-Baden nr. 108, Grundriß Stiftskirche (1801) nr. 6, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 136 (Abb. 107). Es handelt sich hierbei um die originale Steinplatte, deren Oberfläche 1801 nur geglättet wurde, vgl. GLA Karlsruhe 47/22, Herr, Bericht, o. S. nr. 6.
  2. Sämtliche beschreibenden Angaben nach GLA Karlsruhe 47/54, Bidermann, Beilagen, o. S. (Abzeichnung).
  3. Materialangabe „Bronze“ nach PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Herr, Gegenbericht, o. S. nr. 6.
  4. Vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 8v.
  5. Markgraf Ludwig Georg von Baden-Baden erteilte den Befehl zur Erhebung der metallenen Grabplatten im Chor am 10.3.1753 in einem Schreiben an Hofkammerrat Dyhlin und Oberkeller Dürrfeld, vgl. GLA Karlsruhe 195/723, Kirchenbaulichkeiten I, fol. 168r–v. In einem Brief desselben Markgrafen an die Kirchenbaukommission vom 15.9.1757 ist dann ausdrücklich von den „erhobenen“ Epitaphien die Rede, vgl. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Schreiben an Kirchenbaukommission, o. S. Der Hofmechaniker Sebastian Claiß schreibt in seinem Kostenvoranschlag vom 14.4.1777, die Metallauflagen hätten 23 Jahre (demnach ab 1754) in der Werkstatt des Hofschlossers Johann Ögg gestanden, vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Claiß, Kostenvoranschlag, o. S.
  6. Zum Zeitpunkt der Überführung nach Rastatt vgl. Anm. 5. Nach GLA Karlsruhe 47/21, Bidermann, Pro Memoria, o. S., berichtete Hofschlosser Ögg 1774, daß ihm die Platte „vor einigen Jahren zugestellt worden“ sei. Zur Identität von Johann Ögg s. a. Kdm. Baden-Baden 91, 95.
  7. Vgl. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Herr, Gegenbericht, o. S. nr. 6; Herr, Begräbnisse Pfarrkirche 6; GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 10r; PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Geheimratsprotokoll v. 13.11.1800, o. S.; s. a. Kdm. Baden-Baden 138.
  8. Vgl. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Herr, Gegenbericht, o. S. nr. 6 (mit Skizze); s. a. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, o. S. nr. 6. Die Reste in detailgetreuer Abzeichnung abgebildet in GLA Karlsruhe 47/57, Beilage z. Bericht v. 9.11.1800, o. S.
  9. Vgl. den Entwurf der neuen Metallauflage mit Wappen und Inschrift in GLA Karlsruhe Hfk Pläne J nr. 7 (schwarz), Grundriß Stiftskirche (1755) nr. 6 und PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Dürrfeld, Aufnahme, o. S. nr. 6. Dem Grundriß nach sollte die Inschrift unter einem badischen Vollwappen lauten: Albertus M(archio) B(adensis) / o(biit) XVIII Julij / MCCCCLXXXV/III. In der linken oberen Ecke die Nr. 6. Der Befehl Mgf. August Georgs von Baden-Baden an Kommissar Dürrfeld, den Guß der Metallauflagen mit der Straßburger Stück- und Glockengießerei vertraglich vorzubereiten, datiert vom 20.12.1765, vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Schreiben an Dürrfeld, o. S. Die mißglückte Ausführung in Eisen, die bis 1771 vorgenommen worden sein muß, bezeugt Stiftspropst Ludwig von Harrant am 22.3.1776, vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Harrant, Pro Memoria, o. S.
  10. Auf der Grabplatte steht seither: 6. / ALBERT(VS) CAROL(VS) / M(ARCHIO) B(ADENSIS) / M(ARCHIONIS) CAROLI : FILIVS. / IN OPPVG(NATIONE) DAMENSI / OCCVBVIT. / MCCCCLXXXVIII. S. a. GLA Karlsruhe 47/22, Herr, Bericht, o. S. nr. 6; Kdm. Baden-Baden 135 nr. 6; Weis, Stiftskirche 36 nr. 14. Der zweite Vorname CAROL(VS) wurde durch ein Versehen des Steinmetzen hinzugesetzt, vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 17r.
  11. Schriftbestimmung nach Abzeichnung in GLA Karlsruhe 47/57, Beilage z. Bericht v. 9.11.1800, o. S.
  12. Wörtl. übers.: des Königs der Römer. Gemeint ist König Maximilian I., Sohn Kaiser Friedrichs III.
  13. Nach Abzeichnung des Vollwappens in GLA Karlsruhe 47/54, Bidermann, Beilagen, o. S.
  14. Das Wappenbild in der Abzeichnung in GLA Karlsruhe 47/54, Bidermann, Beilagen, o. S. nicht überliefert. Identifiziert nach GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 17r. Vgl. dazu die genealogischen Angaben in Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 267; ders., Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.1, Taf. 42.
  15. Vgl. GLA Karlsruhe 47/57, Beilage z. Bericht v. 9.11.1800, o. S. (Abzeichnung der um 1800 noch vorhandenen Schriftfragmente).
  16. Vgl. Hauschke, Grabdenkmäler 220f. nr. 42 (Abb. 171), 238 nr. 53 (Abb. 201), 243–245 nr. 58 (Abb. 213), 248f. nr. 62 (Abb. 216).
  17. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 267.
  18. Vgl. auch zu den folgenden Angaben Wielandt, Markgraf Christoph I. 534f.
  19. Vgl. Schoepflinus, Historia, tom. 2, 290f.; Sachs, Einleitung, T. 2, 624f. S. a. Johannes Sapidus, Paraclese sive consolatio de morte illustrissimi principis Alberti Marchionis Badensis (…), Argentorati 1543, o. S.
  20. Im Gegensatz zum Todesdatum der Inschrift gibt Schoepflinus, Historia, tom. 2, 291 den 18. Juli 1488 an. Diese Angabe taucht vermutlich deshalb auch als Ergänzungsvorgabe für den Hofschlosser in der Abzeichnung der Grabplatte auf, vgl. GLA Karlsruhe 47/54, Bidermann, Beilagen, o. S. Möglicherweise fällt auf den 18. die Verwundung in der Schlacht, in deren Folge der Tod erst wenige Tage später, also am 23. Juli, eintrat.
  21. Vgl. Wielandt, Markgraf Christoph I. 534f.; BLB Karlsruhe D 162, Junglerus, Stemmatis (…) radix, fol. 32r.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe D 113, Junglerus, Vera et genuina origo, fol. 29r.
  2. BLB Karlsruhe D 162, Junglerus, Stemmatis (…) radix, fol. 32r.
  3. Schoepflinus, Historia, tom. 2, 291 Anm. g.
  4. Sachs, Einleitung, T. 2, 625.
  5. GLA Karlsruhe 47/54, Bidermann, Beilagen, o. S. (Abzeichnung der beschädigten Metallauflagen nach der Zerstörung von 1689).
  6. GLA Karlsruhe 47/57, Beilage z. Bericht v. 9.11.1800, o. S. (Abzeichnung der um 1800 noch vorhandenen Schriftfragmente).
  7. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 317.
  8. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 7r.
  9. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Steinhäuser, Gutachten, o. S. nr. 6.
  10. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Herr, Gegenbericht, o. S. nr. 6.
  11. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 17r.
  12. Herr, Begräbnisse Pfarrkirche 6 (erw.).
  13. Kath. Stiftskirche 19.
  14. Kdm. Baden-Baden 139 nr. 5.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 112† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0011207.