Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 109 Baden-Baden, kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau (ehem. Stiftskirche) 1485?

Beschreibung

Epitaph für den Stiftspropst Kaspar Vogt. Innen an der Ostwand des nördlichen Nebenchorjochs (Salve-Chörlein). Hier in etwa 2 m Höhe rechts neben dem Bogen der eingezogenen Polygonalapsis. Rötlicher Sandstein. Hochrechteckige Platte, die ganzflächig mit dem zeilenweise eingemeißelten Sterbevermerk und der anschließenden Fürbitte versehen ist. In den Kerben der Buchstaben noch Reste einer älteren Fassung. Den oberen Abschluß bildet ein vorkragender und unten gekehlter Profilstein.

Maße: H. 95, B. 57, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. An(n)o · d(omi)ni · M° · cccc°a) · lxxxvb) / xij · die · mensis · Januarij / obijt · venerabilis · et · egre/gius · vir · d(omi)n(u)s · Caspar · vogtc) / de Friburgo · Decretoru(m) . / licenciatus · huius · eccl(es)ie / Prepositus · secundusd) / Cuius · anima · requiescat / jn pace · Amene) ·f)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1485 starb am 12. Tag des Monats Januar der ehrwürdige und vortreffliche Mann, Herr Kaspar Vogt aus Freiburg, Lizenziat des kanonischen Rechts und dieser Kirche zweiter Propst, dessen Seele in Frieden ruhen möge. Amen.

Kommentar

Die Schäfte von b, h und l ragen deutlich in den Oberlängenbereich und sind oben gespalten. Bisweilen tragen sie in Höhe der oberen Mittelbandbegrenzungslinie dornartige Vorsprünge. Der Bogen des h und die Schäfte von p und q enden unten in einseitig ausgezogenen Zierlinien. Der untere Bogen des g holt nach rechts aus; der untere Abschnitt ist als rechtsschräg geschnittener Balken ausgeführt. Das Bogen-r erscheint nur in egregius und besteht hier aus einem oben umgebrochenen Kurzschaft über einem Quadrangel. Die oberen Schaftenden des u enden stets stumpf und sind entweder rechts- oder linksschräg, manchmal auch waagerecht geschnitten. Das v hat am Wortanfang einen schräggestellten und in den Oberlängenbereich hineinragenden linken Schaft. Unter den Versalien ist besonders die verschiedene Ausformung des A hervorzuheben, das in An(n)o in der Grundform des Minuskelbuchstaben gestaltet ist. Der obere Bogen ist gebrochen und sein oberer Abschnitt als waagerechter, links überstehender und leicht nach unten durchgebogener Balken ausgeführt. Sein freies Ende wird oben von einem kurzen Zierstrich begleitet. Der untere Bogen ist rechtwinklig gebrochen und unten offen. In Amen ist die A-Form hingegen annähernd pseudounzial, der Deckbalken linksschräg gestellt und stark verkürzt, der linke Schrägschaft nach innen eingebogen und unter die Grundlinie verlängert. Den oberen Abschnitt begleitet auch hier ein kurzer Zierstrich. Der Bogen des C ist in Höhe der Oberlinie gebrochen. Der obere Abschnitt ist zu einem Quadrangel verkürzt, der untere noch im oberen Zeilenbereich am stärksten gekrümmt. Das unziale D ist offen, der Schaft des F unten spitzwinklig und spiegelbildlich zum oberen Balken nach außen umgebrochen, während der waagerechte kurze Mittelbalken auch nach links übersteht. Der rechte Bogen des unzialen, links geschlossenen M, ist leicht nach außen gekrümmt und unten ebenfalls nach innen umgebrochen. Der spitzovale Bogen des P nimmt den gesamten Mittellängenbereich ein. Der Schaft ist im Unterlängenbereich tief gespalten. Die Kürzungsbalken sind fast immer leicht nach unten durchgebogen und verjüngen sich nach rechts. Als Worttrenner dienen Quadrangel, in der Regel auf halber Zeilenhöhe.

Viele der beschriebenen Schriftmerkmale lassen sich auch auf den Grabplatten für Albrecht von Berwangen und seine Frau, Hans Ulrich, Jakob Dieffenbach und für einen Unbekannten beobachten, vor allem die Formen von A, M, Bogen-r, u und n in Amen, aber auch die Kürzungsbalken.1 Offenbar entstanden alle diese Inschriften in derselben Werkstatt.

Kaspar Vogt wurde nach Bernhard von Baden als zweiter Propst der Stiftskirche eingesetzt.2 Er ist erstmals am 1. Juni 1463 in den Matrikelverzeichnissen der Universität Freiburg nachweisbar.3 Zwei Jahre später war er Bakkalar und erwarb 1467/68 den Magistertitel. Nach seinem Tod trat im Kollegiatstift Johannes Horn an seine Stelle.4

Textkritischer Apparat

  1. Über dem ersten c ein I, darüber ein Kreis. Wohl nicht zur Inschrift gehörig.
  2. Nach dem v am rechten Plattenrand noch eine senkrechte Kerbe erkennbar, vielleicht ein j.
  3. Das t kleiner ausgeführt und hochgestellt.
  4. Der untere Bogen des zweiten Bogen-s gewölbt und stark verbreitert.
  5. Der rechte Schaft und der Verbindungsbogen des n sind zu einem weit ausgestellten Bogen verschmolzen, der unten in einer dünnen, bis unter die Grundlinie gezogenen Haarlinie endet.
  6. Drei waagerecht nebeneinandergesetzte Quadrangel in Zeilenmitte, im linken Bereich oben und unten begleitet von je einem weiteren Quadrangel.

Anmerkungen

  1. Vgl. nrr. 104, 118, 125, 134 und Einl. Kap. 5.2, LXXIX.
  2. Vgl. Steigelmann, Bad. Präsentationen 505 nr. 19; GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Materialien 221. Hier das Ernennungsjahr mit 1470 wohl falsch angegeben, da der Vorgänger Bernhard von Baden entgegen Herrs Angaben (vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 40v) bis 1475 lebte, vgl. nr. 97.
  3. Vgl. auch zu den folgenden Angaben Matrikel Freiburg, Bd. 1, 23 nr. 8 mit Anm. 8. S. a. Wielandt, Markgraf Christoph I. 609.
  4. Vgl. nr. 124.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 361.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 40v.
  3. Herr, Begräbnisse Pfarrkirche 15 (erw.).
  4. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 63v.
  5. Heffner, Führer 26 (erw.).
  6. Kdm. Baden-Baden 112 nr. 6.
  7. Weis, Stiftskirche 34f. nr. 5.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 109 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0010907.