Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 107 Karlsruhe, Badisches Landesmuseum um 1470–1480

Beschreibung

Fensterscheibe.1 Ursprünglicher Standort unbekannt, möglicherweise aus einem Fenster des um 1470 umgebauten Langhauses der Lichtenthaler Klosterkirche.2 Im Zuge der Wiederherstellung der Lichtenthaler Fürstenkapelle um 1829/32 aus den Sammlungsbeständen Großherzog Leopolds von Baden3 in das östliche Nordwandfenster des Langhauses nahe des linken Seitenaltars eingesetzt.4 Seit 1891 im Besitz des Badischen Landesmuseums Karlsruhe.5 Hochrechteckige Glasscheibe aus farbigen Einzelstücken im Bleiverbund. Im Zentrum die Figur des hl. Andreas unter einer Astwerkarkade, der vor dem Leib das Schrägkreuz hält. Zu seiner Rechten eine kleine, kniend betende Stifterfigur mit einem Rosenkranz in den Händen. Hinter ihrem Haupt das sich in vielen Windungen nach oben entrollende Schriftband mit der Anrufung und der Bitte um Fürbitte (A). Eine weitere Banderole umschlingt in der linken unteren Ecke den Arkadenstamm; darauf die Stifterinschrift (B). Beide Inschriften in Schwarz auf weißen Grund zwischen vorgezeichnete Zeilenlinien gemalt und später offensichtlich nachgezogen. Die stellenweise ergänzte Scheibe weist umfangreiche Übermalungen in Ölfarbe auf.6 Verbleiung erneuert.6

Maße: H. 85, B. 52, Bu. 1,5 (A), 2,5 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Badisches Landesmuseum Karlsruhe [1/2]

  1. A

    · o · saṇḳṭa) ·b) endreas · bit ·c) · got · //d) fver · vns ·e)

  2. B

    hermạṇ //f) beịṇg) · vnd //f) seị[n]h) haus[fraw]i)

Kommentar

In Anbetracht der nachgezogenen Schrift bleibt unsicher, inwieweit die Buchstabenformen ursprünglich sind. Die oberen Schaftenden an b und h sind gespalten und einseitig ausgezogen, ebenso der untere Bogenabschnitt des h, wobei der linke Teil in einer dünnen Haarlinie bis unter die Grundlinie geführt ist. Die Balken an f und t, die Fahne des r und der als Deckbalken gestaltete und nach rechts verlängerte obere Teil des gebrochenen oberen g-Bogens besitzen einen unten ansetzenden Zierstrich. Das Bogen-s ist rechtsschräg durchstrichen, der linke Schrägschaft des v in vns stark eingebogen. Als Worttrenner dienen kurze waagerechte Striche, die rechtsschräg geschnitten und mittels oben und unten ansetzender Haarlinien annähernd paragraphzeichenförmig gestaltet sind.

Ein Hermann Bein bzw. Bem (für Böhm oder Beheim) ist in den Quellen zur Geschichte der Abtei Lichtenthal bislang nicht nachweisbar. Aufgrund stilistischer Vergleiche mit ähnlich gestalteten Scheiben in der Heilbronner St.-Kilianskirche wird die Herkunft der Glasmalerei derzeit im Umkreis von Speyer gesucht und eine Datierung in die Jahre um 1470/80 vorgeschlagen.7 Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Scheibe ursprünglich direkt aus Heilbronn stammt, da hier eine Familie Beheim in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mehrfach belegt ist.8

Textkritischer Apparat

  1. Auch die Lesung sanct möglich. Die letzten drei Buchstaben nicht originalgetreu ergänzt.
  2. Der Worttrenner epsilonförmig; vermutlich falsch nachgezogen.
  3. Nach dem Worttrenner eine Schlaufe im Schriftband.
  4. Übergang auf die andere Seite des Schriftbandes.
  5. Nach dem Worttrenner ein kurzer waagerechter Doppelstrich, danach ein einzelner Strich in Zeilenmitte, aus dessen linkem Ende eine zeilenfüllende Fadenranke entspringt.
  6. Das Schriftband wird durch den Scheibenrand unterbrochen.
  7. herman // bein] Der ursprüngliche Befund noch schemenhaft erkennbar. Auch die Lesung herman // bem möglich. Fälschlich übermalt zu hernue // bem. Her Nurbun Mone; Her Narbun Gutgesell.
  8. Hier die Scheibe gebrochen und nachträglich mit einem Flickstück ausgebessert, vgl. CVMA (wie unten). sin Gutgesell.
  9. Der Rest des Schriftbandes auf zwei im 19. Jahrhundert ersetzten Teilstücken leer, vgl. CVMA (wie unten). Ergänzung nach Gutgesell.

Anmerkungen

  1. Inv.-nr. C 6175.
  2. Vgl. CVMA Dtld. II/1 (Baden/Pfalz) 78 Anm. 32. Hier die irrtümliche Herkunftsangabe von Schneiders, die Scheibe stamme aus Durmersheim, widerlegt, vgl. dazu ebd. 12 nr. 1 und Schneider (wie unten). Zum Umbau der Klosterkirche um 1470 vgl. Coester, Klosterkirche 94.
  3. Vgl. Herr, Kloster Lichtenthal 32. Zur Wiederherstellung der Fürstenkapelle um 1829/32 vgl. Stober, Denkmalpflege 116–128; Krimm, Fürstenkapelle 147–158.
  4. Vgl. Gutgesell (wie unten). Zu der als Pendant gestalteten Fensterscheibe mit der Darstellung des hl. Petrus, die sich noch heute in der Fürstenkapelle befindet, vgl. nr. 106.
  5. Vgl. „Ora pro nobis“ (wie unten).
  6. Zur Erhaltung vgl. ebd. 79 nr. 38.
  7. Vgl. CVMA Dtld. II/1 (Baden/Pfalz) 12 nr. 1.
  8. Vgl. Urkundenbuch der Stadt Heilbronn, Bd. 1, bearb. v. Eugen Knupfer (Württembergische Geschichtsquellen 5), Stuttgart 1904, nrr. 391, 468, 480, 493, 519; Bd. 2, bearb. v. Moriz v. Rauch (Württembergische Geschichtsquellen 15), Stuttgart 1913, nrr. 71, 73, 182, 555.

Nachweise

  1. Guise, Kloster Lichtenthal, o. S. (Taf. 14).
  2. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 176v.
  3. Gutgesell, Kloster Lichtenthal 58.
  4. Schneider, Glasgemälde 57 nr. 26 (Taf. 24).
  5. Kdm. Baden-Baden 480 nr. 4 (erw.).
  6. CVMA Dtld. II/1 (Baden/Pfalz) 78f. nr. 38.
  7. „Ora pro nobis“ 46 nr. 34, 65 (Abb.).
  8. Burkhart, Durmersheim 232 (Abb. 30).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 107 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0010706.