Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)
Nr. 61 Baden-Baden, kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau (ehem. Stiftskirche) 1447 oder früher
Beschreibung
Abendmahlskelch. Silber, gegossen, getrieben, graviert, punziert, vergoldet und mit Steinen besetzt. Auf der Unterseite des breiten Stehrandes als Beschauzeichen ein eingepunzter Wappenschild1, außerdem der nachträglich eingravierte und punzierte Buchstabe B. Die relativ hohe Zarge des Sechspaßfußes ist mit dem umlaufenden, in Durchbrucharbeit gefertigten Namen und Titel versehen. Auf einem Paß ein applizierter Kruzifix. Den sechseckigen Schaft verzieren gotische Maßwerkfenster, die in der Mitte von einem flachen Nodus, der an seinen sechs Ecken ebensoviele rautenförmige Rotuli trägt, unterbrochen werden. Ein siebenter Rotul ist auf der dem Kruzifix gegenüberliegenden Seite nachträglich eingefügt. In den Binnenfeldern je ein gravierter und ehemals auch emaillierter Wappenschild in Relief, einmal auch lediglich eine Wappenfigur. Die zwölf durch Grate untergliederten und punzierten Knaufflächen sind mit getriebenen Blüten besetzt, von denen die oberen sechs als Edelsteinfassungen dienen. Ein Stein verloren. Die kegelförmige Kuppa liegt in einer sternförmigen Mulde. Vom Email in den Rotuli sind nur noch Reste vorhanden; das Metall ist an manchen Stellen gebrochen und repariert.
Maße: H. 22, Dm. 14,5, Bu. 1,2 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
· wira) ·b) katheri/na · von ·b) gotes ·b) / gnaden · herczog/in · von · oesterichc) · s/teir ·b) ker(n)te(n) · vn(d) · kro/nd) · grefi(n) · zve) · tirol
Österreich2, Masowien3, [Steiermark]4, Kärnten, Krain5, Tirol6, Baden-Sponheim. |
Textkritischer Apparat
- Der rechte Schaft des w unten versehentlich nach rechts umgebrochen.
- Der Worttrenner ist auf einen senkrechten Steg aufgelötet.
- Das erste e klein über das o graviert.
- So für Krain. Im Bereich des linken Schaftes des n treffen zwei Pässe zusammen, weshalb die Lesung nicht sicher ist; auch kroi möglich, der zu erwartende Nasalstrich über dem i möglicherweise zerstört.
- Über dem v wohl versehentlich ein Kürzungsbalken.
Anmerkungen
- Beschauzeichen Straßburg, vgl. Rosenberg, Merkzeichen, Bd. 4, nr. 6882.
- Im zusätzlichen siebenten Rotulus.
- Adler, die Brust belegt mit Mondsichel; Wappen der Mutter der Stifterin, Zimburgs von Masowien, vgl. nr. 119.
- Hier ein Löwe ohne Schild. Wohl nachträgliche Veränderung anstelle des Panthers im Schild; vgl. Rosenberg (wie unten) 43: „ausgebrochen“.
- Hier lediglich ein Adler.
- Hier lediglich ein Adler.
- Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 267. S. a. nr. 119. Zu den Hochzeitsfeierlichkeiten im Einzelnen vgl. Heinz Krieg, Glanzvolle Krönung der Politik, in: Momente. Beiträge zur Landeskunde in Baden-Württemberg 1 (2002) H. 4, 31–36.
- Vgl. Urkunden und Regesten aus dem K. u. K. Haus-, Hof- und Staats-Archiv in Wien, hg. v. Heinrich Zimerman, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 1 (1883) I–LXXVIII, hier XIV Regest nr. 69.
- Vgl. Haug (wie unten). Hingegen gibt Herr für die Übergabe an das Kollegiatstift das Jahr 1473 an, vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 26v.
Nachweise
- GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 22v.
- GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 206r.
- Kat. d. Bad. Kunst- und Kunstgewerbe-Ausstellung 32 nr. 272.
- Marc Rosenberg, Eine vergessene Goldschmiedestadt, in: Kunstgewerbeblatt. Monatsschrift für Geschichte und Litteratur der Kleinkunst, Organ für die Bestrebungen der Kunstgewerbevereine (Beilage zur Zeitschrift für bildende Kunst) 2 (1886) 41–48, 65–71, hier 42 (Fig. 1).
- Ausstellung Baden-Baden (1902) 134 nr. 1462.
- Heffner, Führer 12 (unvollst.).
- RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nrr. 027, 028, 475/35.
- Kdm. Baden-Baden 102, 106 (Abb. 88).
- Ausstellung mittelalterlicher Goldschmiedekunst, anläßlich des 75. Geburtstages und des Goldenen Priesterjubiläums S. Exc. des Hochw. Erzbischofs Dr. Conrad Gröber, Ausstellungskatalog, bearb. v. Ingeborg Schroth, Freiburg i. Br. 1947, nr. 71.
- Schroth, Mittelalterliche Goldschmiedekunst nr. 71 (Taf. 45).
- Hans Haug, L’art en Alsace, Strasbourg 1962, 109 (Abb. 178).
- SpGORh 230 nr. 180 (Abb. 161).
- BLM Karlsruhe, Photoarchiv, Neg.-nr. R 13076.
- ecclesia 40f. nr. 13 (Abb. 9).
- Fritz, Goldschmiedekunst 343 nr. 67.
- Wolfgang von Stromer, Gespornte Lettern. Leitfossilien des Stempeldrucks (ca. 1370–1490), in: Gutenberg-Jahrbuch 71 (1996) 23–64, hier 54 (Abb. 24).
- 500 Jahre Stadtordnung 50 (Abb. 10), 95f. nr. 27.
Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 61 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0006105.
Kommentar
Die die Zarge nur oben und unten berührenden Buchstaben sind in einer sorgfältigen Bandminuskel ausgeführt, deren Bestandteile von wenigen hinterlegten Stegen gestützt werden. Brechungen und Ecken sind überwiegend durch spitze Dornen hervorgehoben. Die oberen Schaftenden des t und h sind rechtsschräg geschnitten und zu langen, nach rechts gekrümmten Spitzen ausgezogen, die in knopfartige Verdickungen münden. Ähnlich verziert sind die freien Enden der Haarlinien, die der Fahne des r oder dem Balken des t angefügt sind bzw. als reduzierte e-Balken fungieren. Der untere Schrägbalken des k ist senkrecht gestellt, der untere Bogen des g als separater Balken ausgeführt. Den Schaft begleitet rechts eine nach außen gekrümmte Zierlinie, die an einem kleinen Vorsprung am oberen Schaftende ansetzt. Das zweistöckige z besteht aus einem Quadrangel über einem Schaft. Als Worttrenner dienen spitz ausgezogene Quadrangel etwa auf halber Zeilenhöhe.
Katharina von Österreich war am 15. Juli 1447 in Pforzheim mit Markgraf Karl I. von Baden vermählt worden.7 Dieser Zeitpunkt darf für die Entstehung des Kelches als terminus ante quem gelten, da die Inschrift die Markgrafschaft Baden nicht integriert. Überdies hat sich im Heiratsgut der Prinzessin „ain ganze zurichtung zu der mess auf ain altar“ befunden, wozu vermutlich auch dieser Kelch gehörte.8 Der Baden-Sponheim’sche Wappenschild wird durch eine spätere Umarbeitung eingefügt worden sein. Er nimmt wohl die ursprüngliche Stelle des österrreichischen Wappenschildes ein, für den nun eine neue Fassung geschaffen werden mußte. Mit diesen schmiedehandwerklichen Ergänzungen dürfte zugleich die Straßburger Beschau zu erklären sein. Da Katharina den Kelch dem Stiftskapitel im Jahre 1467 verehrte,9 geschah die Umgestaltung vermutlich kurz zuvor.