Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 59 Ottersweier, kath. Pfarrkirche St. Johannes d. Täufer 1436

Beschreibung

Glocke. In der Läutevorrichtung des Nordturmes. Am 3. Juni 1943 beim Wandlungsläuten gesprungen, wodurch ein senkrechter Riß vom Schlag nach oben entstand.1 Danach offenbar durch die Firma Lachenmeyer, Nördlingen (Lkr. Donau-Ries), geschweißt.2 Im Jahre 1961 wurde die Glocke auf Bitten des Abtes Dr. Metzinger von Pfarrer Oswald der Mission in Chile überlassen, wodurch sie nach Santiago de Chile gelangte.3 1982 geschah die Rückführung nach Ottersweier.4 Bronze. Die Haube ist nur am Rand schwach gewölbt, die gerade Deckplatte von einem gratigen Steg (Schweißnaht?) umgeben. An der Schulter zwischen zwei Schnurstegen das umlaufend verzeichnete Gußjahr und die Funktionsbezeichnung. Die Flanke unverziert, lediglich am Wolm ein einzelner Steg.

Maße: H. 49, Dm. 62, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. ·a) ANNO ·a) DOM(IN)I + M°b) ·a) CCCC°b) ·c) XXXVI°b) + + ICH + LVITE + SERE + IN + SANT + IOHANNES + ERE

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Die Buchstaben wurden in Anbetracht ihrer Gleichförmigkeit wohl über Modeln erstellt. Ihre Bögen zeigen deutliche Schwellungen, die wie die kräftigen Sporen spitz ausgezogen sind. An unzialen bzw. runden Formen erscheinen E, H, M, N und T. Das A ist stets flachgedeckt, besitzt einen geraden oder rechtsschräg gestellten Mittelbalken und hat einen geschwungenen Schrägschaft, der bisweilen unterhalb des Deckbalkens mit dem rechten Schrägschaft verbunden ist. C und E sind vollständig geschlossen. Der Schaft des I hat in der Mitte einen Nodus, den Balken des L ersetzt ein Balkensporn. Das M ist beidseitig offen, das O in DOM(IN)I und IOHANNES in der Außenkontur annähernd rautenförmig. Die freien, die Grundlinie berührenden Enden der Bögen und geschwungenen Schäfte einschließlich der R-Cauda münden in hakenförmig umgebogene Haarlinien. Als Worttrenner dienen überwiegend kleine Tatzenkreuze auf halber Zeilenhöhe.

Der Gießer der Glocke, von dem offenbar auch die 1923 umgegossene Glocke zu Sasbach (Ortenaukreis) stammte,5 ließ sich bisher nicht bestimmen. In den Buchstabenformen und den verwendeten Zierelementen besteht allerdings eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu manchen Glocken des Schaffhausener Meisters Heinrich Hafengiesser.6 Die Glockenrede mit der Reimbindung SEREERE ist mehrfach und bereits im 14. Jahrhundert nachweisbar.7

Textkritischer Apparat

  1. Auf halber Zeilenhöhe ein kurzer linksschräg gestellter Doppelstrich. Möglicherweise ein unvollständig ausgegossenes paragraphzeichenförmiges Quadrangel.
  2. Das Ablativ-o des Zahlzeichens oberhalb des oberen Schnurstegs.
  3. Paragraphzeichenförmiges Quadrangel.

Anmerkungen

  1. Vgl. EA Freiburg Na 35 VI, 25, Glockenakten 1939/44, Schreiben des Ottersweierer Pfarrers Möhrle vom 21.6.1943 an den Landeskonservator Josef Sauer, o. S. nr. 131.
  2. So die Empfehlung des Landeskonservators Josef Sauer auf die Anfrage des Ottersweierer Pfarrers Möhrle (wie Anm. 1), vgl. EA Freiburg Na 35 VI, 25, Glockenakten 1939/44, Schreiben Josef Sauers vom 23.6.1943 an Pfarrer Möhrle, o. S. nr. 131.
  3. Auskunft des Pfarramtes Ottersweier; s. a. Dt. Glockenatlas (Baden) 546 nr. 1739.
  4. Auskunft des Pfarramtes Ottersweier.
  5. Vgl. Dt. Glockenatlas (Baden) 527 nr. 1655.
  6. Vgl. zum Gießer Dt. Glockenatlas (Baden) 11, zu seinen Glocken ebd. 356 nr. 932 (Abb. 24; Engen, Lkr. Konstanz, Rathaus; 1469), 352f. nr. 922 (Abb. 25; Ebringen, Gem. Gottmadingen, Lkr. Konstanz, kath. Filialkirche St. Johannes; 1456).
  7. Vgl. z. B. Otte, Glockenkunde 119 (Mutzig, Elsaß, dép. Bas-Rhin; 1349); Dt. Glockenatlas (Baden) 7 nr. Z 13 (Nenzingen, Gem. Orsingen-Nenzingen, Lkr. Konstanz).

Nachweise

  1. Reinfried, Pfarrei Ottersweier 59 (unvollst.).
  2. Kleine badische Chronik, in: Badischer Beobachter, Ausg. v. 8.5.1895, o. S.
  3. Baugewerke-Schule Karlsruhe, o. S.
  4. EA Freiburg Na 35 VI, 18, Glockenakten 1917/18, Listen, Ottersweier, o. S. (erw.).
  5. EA Freiburg Na 35 VI, 9, Glockenakten 1917/18, Aufnahmebögen, Ottersweier, Schreiben des Pfarrers Buttenmüller vom 25.6.1917 an Josef Sauer, o. S.; Schreiben vom 9.7.1917 die Beschlagnahme von Bronceglocken betr., o. S. nr. 492.
  6. Sauer, Glocken Badens 85 (erw.).
  7. EA Freiburg Na 35 VI, 25, Glockenakten 1939/44, Ottersweier, Schreiben des Pfarrers Möhrle vom 5.4.1940 an den Konservator der kirchlichen Denkmäler, o. S. nr. 85; Schreiben des Pfarrers Möhrle vom 21.6.1943 an den Landeskonservator Josef Sauer, o. S. nr. 131.
  8. Dt. Glockenatlas (Baden) 546 nr. 1739.
  9. Fass, Glocken 148.
  10. Kirchenführer Ottersweier, o. S. (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 59 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0005902.