Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 10 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Fürstenkapelle 1311 oder später

Beschreibung

Grabplatte für Markgraf Rudolf II. von Baden. Innen im nordöstlichen Bereich des Kapellenschiffs vor dem Seitenaltar im Boden. Teilweise verdeckt durch das Tischgrabmal Markgraf Rudolfs VI. von Baden1, das mit einem Fuß auf der oberen rechten Ecke steht. Rötlicher Sandstein. Im Zentrum ein großer, eingetieft reliefierter Wappenschild. Unter dessen Spitze im unteren Drittel der Platte die auf dem Kopf stehende römische Zahl III. nach Franz Josef Herrs Numerierungssystem.2 Im oberen Fünftel ein querrechteckiges Schriftfeld mit vier eingeritzten Zeilen. Darin der eingemeißelte Sterbevermerk mit Angabe der Jahrzeit. Die Platte ist etwa in der Mitte in zwei Hälften zerbrochen. An der linken unteren Ecke wurde ein kleiner, hochrechteckiger Quader ausgeschnitten und durch grauen Sandstein paßgerecht ersetzt.

Maße: H. 278,5, B. 140, Bu. 7–9 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Baden-Baden [1/3]

  1. ANNO · D(OMI)NIa) · M° · CC° · XC°b) · V · O(BIIT) · / MARGRAVE · RVDOLF · DE/Sc) · ALTE · AN · SANT · UELENTINSd) / · TAC · IST · SIN · IARCITe)

Datum: 14. Febr. 1295.

Wappen:
Baden.

Kommentar

Die Buchstabenformen sind eng verwandt mit jenen der Grabschriften für die Markgrafen Rudolf I. und Hermann VII. von Baden sowie für Markgräfin Gutha von Baden, geb. von Straßberg.3 Merkwürdige Verschreibungen bzw. Korrekturen innerhalb dieser Gruppe – wie sie hier innerhalb der Jahreszahl und im unmotivierten Genetiv DE/S auffallen – nähren Zweifel an der Originalität der Inschriften. Möglicherweise wurden sie zu unbestimmter Zeit nachgeschlagen oder gänzlich neu ausgeführt. Da sich aber dieser Verdacht mangels urkundlicher Belege bislang nicht erhärten läßt, soll die Auswertung der Schriftformen hier trotzdem erfolgen. Die Buchstaben weisen deutliche Bogenschwellungen und keilförmige Verbreiterungen der freien Schaftenden auf. Für F, N, U, das E mit Abschlußstrich und das links geschlossene M wurden unziale bzw. runde Formen verwendet. Das A ist stets trapezförmig gestaltet und hat einen beiderseits überstehenden Deckbalken. In ANNO ist sein linker Schrägschaft mit einer aufgesetzten Schwellung versehen und der Mittelbalken gebrochen. Der Balken des L ist leicht rechtsschräg gestellt. Der Bogen und die geschwungene Cauda des R verschmelzen miteinander, ohne den Schaft zu berühren. Die freien Bogenenden sind – abgesehen von S und C – regelmäßig nach oben umgebogen. Die Schrägschäfte des X sind beide geschwungen. Als Worttrenner dienen kleine Punkte in der Mitte der Zeile.

Rudolf II. war der zweitälteste Sohn Markgraf Rudolfs I. von Baden und Kunigundes von Eberstein.4 Am 2. Mai 1285 schloß er die Ehe mit Adelheid von Ochsenstein, einer Nichte König Rudolfs I. und der Witwe Graf Berchtolds von Straßberg.5 Aus dem Bildprogramm der noch erhaltenen Fensterscheiben, die ehemals zur Verglasung des um 1300 neu errichteten Chores der Klosterkirche gehörten, läßt sich schlußfolgern, daß Rudolf II., seine Gemahlin und sein Sohn Rudolf III. offenbar zu den Hauptstiftern des Neubaus zählten.6 Im entsprechenden Bildtitel der Fensterscheibe wird Rudolf II. gleichfalls als DER ALTE bezeichnet. Nach dem Eintrag im Nekrolog des Klosters starb er am 13. Februar 1295, also einen Tag vor dem inschriftlich bezeichneten Termin seiner Jahrzeit.7 Das Anniversarium wurde erst am 28. Februar 1311 durch seine Ehefrau gestiftet und auf den Tag des hl. Valentin festgelegt.8 Demnach kann die Inschrift nicht vorher entstanden sein. Diese Schlußfolgerung harmoniert mit der Verwendung der deutschen Sprache, die für Grabschriften des 13. Jahrhunderts noch ungewöhnlich wäre.9 Überdies ist die sog. Fürstenkapelle, die Markgraf Rudolf I. von Baden mit der Einrichtung seines Seelgeräts im Jahre 1288 gestiftet hatte,10 erst um diese Zeit fertiggestellt worden. Im Jahre 1312 nahm der Generalvikar des Bischofs von Speyer, ein Bruder Jakob, die Weihe der Altäre vor.11

Textkritischer Apparat

  1. Der waagerechte Kürzungstrich über dem N oberhalb der Rahmenritzlinie.
  2. Die Ablativendungen weit vorn und oberhalb der Rahmenritzlinie. Statt XC° war zunächst ein C gemeißelt worden, das danach nur unzureichend getilgt und überschrieben wurde.
  3. Lies mit BLB Karlsruhe K 526, Fehnle, Serenissimorum (…) progenitores: DE/R.
  4. Das U spiegelverkehrt.
  5. Die letzten vier Buchstaben nach Kdm. ergänzt, da sie unter dem Fuß des Tischgrabmals für Markgraf Rudolf VI. von Baden (vgl. nr. 40) verborgen sind.

Anmerkungen

  1. Vgl. nr. 40.
  2. Zu F. J. Herrs Numerierung der Lichtenthaler Grabmäler 1803/04 vgl. GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 5.
  3. Vgl. nrr. 8, 9, 11; s. a. Einl. Kap. 5.1, LXXV.
  4. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 266. Hier irrtümlich das Todesdatum Markgraf Hermanns VII. angegeben. Zur Biographie vgl. Schwarzmaier, Baden (2005) 94; Schwarzmaier, Baden 184f.; Sütterlin, Geschichte 256; ADB, Bd. 29, 523f.; Preuschen, Badische Geschichte 494–498; Viton de Saint-Allais, Histoire 155–157; Sachs, Einleitung, T. 2, 41–47; Schoepflinus, Historia, tom. 2, 16–19. S. a. RMB, Bd. 1, 547 (Register, hier die Einträge unter dem Lemma „Rudolf II.“).
  5. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 266. Zu den Herren von Ochsenstein vgl. Europ. Stammtafeln NF, Bd. 11, Taf. 74; zur frühen Genealogie der Habsburger vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.1, Taf. 38. Zu Adelheids Grabmal, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach den Vorgaben Fr. J. Herrs neu angefertigt wurde, vgl. Einl. Kap. 6. nr. *65; Kdm. Baden-Baden 513 nr. X.
  6. Vgl. nr. 7.
  7. Vgl. GLA Karlsruhe 64/47, Nekrolog Lichtenthal III, fol. 3v: „Idus. Obiit Jllustris Marchio Ruodolfus et frater eius Hesse.“, s. a. GLA Karlsruhe 64/19, Nekrolog Lichtenthal I, fol. 113v; Necrologium 165 (hier der Text falsch wiedergegeben).
  8. Vgl. RMB, Bd. 1, nr. 695 bzw. Urkundenarchiv Lichtenthal (1856), 355f.: „(…) conferimus jure perpetue libertatis claustro dominarum de Lucida valle curiam nostram, sitam in Wilre (…), de qua curia dantur vinginta maltra siliginis annuatim, vt de eisdem redditibus anniuersaria domini Ruodolfi marchionis bone memorie quondam mariti nostri, quod erit [!] in die beati Valentini, et nostrum (…) apud ipsum claustrum perpetuo peragantur (…).“ Siehe dazu auch Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 62; die Originalurkunde in GLA Karlsruhe 35/26, abgebildet in 750 Jahre Lichtenthal 222f. nr. 44 (Abb. 44). In den Jahren vor 1311 wurde der Jahrtag Rudolfs II. von Baden offenbar nur im Kloster Herrenalb begangen, vgl. die Stiftungsurkunden (1293) in RMB, Bd. 1, nrr. 609f.
  9. Vgl. zu den frühesten deutschsprachigen Inschriften Neumüllers-Klauser, Frühe deutschsprachige Inschriften 178–198.
  10. Vgl. RMB, Bd. 1, nr. 570, vollst. abgedr. in Urkundenarchiv Lichtenthal (1856) 218, 359–361. S. a. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 60–63.
  11. Vgl. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 61.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 526, Fehnle, Serenissimorum (…) progenitores, fol. 33r.
  2. BLB Karlsruhe D 162, Fehnle, Austriacorum (…) familia, fol. 268v.
  3. GLA Karlsruhe 65/10, Fehnle, Serenissimorum (…) progenitores, fol. 114r.
  4. KA Lichtenthal o. Sig., Glyckher, Chronik 92.
  5. Schoepflinus, Historia, tom. 2, 18 Anm. (s).
  6. Sachs, Einleitung, T. 2, 44.
  7. GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 24 nr. III.
  8. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Lichtenthal, fol. 13v.
  9. GLA Karlsruhe G Lichtenthal nr. 2, Grundriß Fürstenkapelle nr. III, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 515 (Abb. 421).
  10. Herr, Kloster Lichtenthal 43.
  11. Gutgesell, Kloster Lichtenthal 66.
  12. Loeser, Geschichte 134.
  13. Bauer, Frauenkloster Lichtenthal 311f.
  14. RMB, Bd. 1, nr. 621.
  15. Deodata, Frauenkloster Lichtental 202.
  16. Kdm. Baden-Baden 509 nr. III.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 10 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0001008.