Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 8 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Fürstenkapelle um 1311

Beschreibung

Grabplatte für Markgraf Rudolf I. von Baden. Innen an zentraler Stelle vor dem Chor im Boden. Rötlicher Sandstein. In der Mitte der hochrechteckigen Platte ein kleiner, entgegegengesetzt zur Inschrift eingemeißelter badischer Wappenschild, der offenbar erst um 1829/32 auf Veranlassung Fr. Josef Herrs gemeinsam mit der darüber befindlichen und ebenfalls auf dem Kopf stehenden römischen Zahl I. ausgeführt wurde.1 Am Rand zwischen zwei begleitenden Rahmenritzlinien der unten rechts einsetzende und umlaufend eingemeißelte Sterbevermerk. Die Plattenoberfläche im oberen Viertel zu unbestimmter Zeit abgearbeitet, um offenbar eine heute nur noch schemenhaft erkennbare Ritzzeichnung oder Wappendarstellung zu tilgen. Der Beginn der Inschrift bis zur Namensangabe anscheinend nachgemeißelt. Die obere rechte Ecke der Platte geringfügig ausgebrochen.

Maße: H. 275, B. 134,5, Bu. 10 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Baden-Baden [1/3]

  1. +a) ANNOb) · D(OMI)NI · M° · C · C° · / X · I · I · Cc) · O(BIIT) · RVODOLEVSd) ·e) MARCHIO · SENIOR · / DE BADEN · IN DI/E · SANCTE · ELISEBETHf) ·g)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1288 starb Markgraf Rudolf der Ältere von Baden am Tag der heiligen Elisabeth.

Datum: 19. November 1288.

Kommentar

Die Buchstaben besitzen deutliche Sporen und weisen nur mäßige Bogenschwellungen auf. Die freien Bogenenden sind, abgesehen von C und S, stets hakenförmig nach oben umgebogen. Das trapezförmige A hat einen beiderseits überstehenden Deckbalken; der Mittelbalken ist entweder gebrochen oder gerade ausgeführt. Das mit einem Abschlußstrich versehene E, das H, das links geschlossene M sowie das N sind unzial bzw. rund wiedergegeben. Die geschwungene Cauda des R veschmilzt am oberen Ende mit dem Bogen, der den Schaft jedoch nur manchmal berührt. Die Bögen des S haben eine breite, querovale Form. Als Worttrenner dienen Punkte auf halber Zeilenhöhe.

Das entgegengesetzt zur Inschrift eingemeißelte Wappen, die darübergesetzte Nummer, die partielle Glättung der Plattenoberfläche und die nachträglich eingefügte Ordnungszahl hinter dem Namen zeugen von einer Überarbeitung der Platte, die offenbar nach den Vorstellungen Fr. Josef Herrs um 1829/32 geschah.1 Die Originalität des Grabmals selbst hat man jedoch bisher nicht in Frage gestellt. Merkwürdig sind allerdings die ungewöhnliche Zusammensetzung der römischen Jahresangabe, das anstelle eines F geschlagene E sowie das zu weit links sitzende hochgestellte erste O in RVODOLEVS.2 Man wird deshalb auch eine Nacharbeitung der Inschrift in Betracht ziehen müssen.

Rudolf regierte nach dem Tod seines Vaters Hermann V. (gest. 1243) die Markgrafschaft Baden zunächst mit seinem älteren Bruder Hermann VI. gemeinsam und trat erst 1249 die Alleinherrschaft an.3 Während des Interregnums gelang es ihm, zahlreiche Besitztümer im Pfinz- und Ufgau hinzuzuerwerben, die er jedoch in den späteren Auseinandersetzungen mit König Rudolf von Habsburg teilweise wieder verlor.4 Durch seine Ehefrau Kunigunde von Eberstein gewann er im Jahre 1283 die Burg Alt-Eberstein als Residenz. Nach seinem Tod5 zerfiel die einigermaßen arrondierte Markgrafschaft durch Erbteilungen erneut in mehrere Gebiete.

In seiner Seelgerätsstiftung vom 27. Oktober 1288 verfügte Rudolf I. von Baden die Errichtung der sog. Fürstenkapelle,6 wodurch er die Funktion des von seiner Mutter gegründeten Klosters als markgräfliche Grablege auf Dauer absicherte.7 Zusätzlich verlieh er der Abtei unter anderem das Dorf Geroldsau mit allem Zubehör.8 Diese Schenkungen erklären die zentrale Lage seines Grabes vor dem Hauptaltar der Kapelle. Da deren Altäre aber erst im Jahre 1312 geweiht wurden,9 dürfte die Grabplatte nicht viel früher entstanden sein.

Textkritischer Apparat

  1. Das griechische Invokationskreuz schräg gestellt; vgl. dazu nr. 42.
  2. Der rechte Schrägschaft des trapezförmigen A leicht nach rechts durchgebogen und verstärkt.
  3. Die Ablativendungen innerhalb der Jahresangabe über den jeweiligen Zahlzeichen und oberhalb der Rahmenritzlinie.
  4. Sic! Das kleiner ausgeführte O über dem freien Ende des linken V-Schrägschafts und oberhalb der Rahmenritzlinie. Das E offenbar verschlagen. Der obere Balken hat keine Verbindung zum Schaft; es könnte sich deshalb auch um einen Punkt nach einem auf dem Kopf stehenden und spiegelverkehrten F handeln.
  5. Der Worttrenner wurde nachträglich mit der etwas kleineren römischen Ziffer I überschrieben.
  6. Sic!
  7. Der verbleibende, etwa 70 cm lange Abschnitt der Rahmenzeile leer.

Anmerkungen

  1. Zu F. J. Herrs Numerierung der Lichtenthaler Grabmäler 1803/04 vgl. GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 5. Nach Herrs Beschreibung war die Grabplatte noch 1820 ohne Wappen, vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Lichtenthal, fol. 12v. Zur Baugeschichte der Fürstenkapelle vgl. Kdm. Baden-Baden 427f.; Krimm, Fürstenkapelle 147–158; Stober, Denkmalpflege 116–138.
  2. Das kleine hochgestellte O, das merkwürdig schräg über dem V von RVODOLEVS sitzt (vgl. Anm. d), könnte vielleicht eine Ablativendung sein, die zur ursprünglichen Jahreszahl gehörte. Es scheint zumindest so, als ob einem jüngeren Steinmetzen bei der Nacharbeitung bzw. Erneuerung der Inschrift insofern ein Fehler unterlief, als er das L der Jahreszahl M°CC°/LXXXII° zu X verschlug, und danach versuchte, sein Versehen durch die ungewöhnliche Anordnung der Zahlzeichen zu korrigieren. Nimmt man nämlich die reguläre Schreibung der Jahreszahl an, so würde die etwas längere Zeichenfolge etwa unterhalb des hochgestellten O enden.
  3. Zu den biographischen und genealogischen Angaben vgl. Schwarzmaier, Baden (2005) 88–95; Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 266; Schindele, Abtei Lichtenthal (1984), 50–54; Schwarzmaier, Baden 183f.; Merkel, Studien 21–55; Sütterlin, Geschichte 253–255; NDB, Bd. 4, 233; ADB, Bd. 29, 523; RMB, Bd. 1, 547 (Registereinträge zum Lemma Rudolf I.); Weech, Badische Geschichte 23–26; Preuschen, Badische Geschichte 492–494; Viton de Saint-Allais, Histoire 146–152; Sachs, Einleitung, T. 2, 1–29; Schoepflinus, Historia, tom. 2, 1–12.
  4. Vgl. wie auch im folgenden Sütterlin, Geschichte 253–255; Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 53f.
  5. Das inschriftliche Todesdatum wird durch die Nekrologien des Klosters bestätigt, vgl. GLA Karlsruhe 64/47, Nekrolog Lichtenthal III, fol. 22r; GLA Karlsruhe 64/19, Nekrolog Lichtenthal II, fol. 127r; Necrologium 170.
  6. Vgl. RMB, Bd. 1, nr. 570, vollst. abgedr. in Urkundenarchiv Lichtenthal (1856) 218, 359–361. S. a. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 60–63.
  7. Zur Mutter, Pfalzgräfin Irmengard, vgl. nrr. 4, 23; zur Klostergründung vgl. Einl. Kap. 2.1, XXIIIf.
  8. Vgl. RMB, Bd. 1, nr. 569.
  9. Vgl. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 61.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe D 113, Junglerus, Vera et genuina origo, fol. 20v, 21v.
  2. BLB Karlsruhe D 162, Junglerus, Stemmatis (…) radix, fol. 27v.
  3. BLB Karlsruhe K 526, Fehnle, Serenissimorum (…) progenitores, fol. 32v.
  4. BLB Karlsruhe D 162, Fehnle, Austriacorum (…) familia, fol. 263r.
  5. GLA Karlsruhe 65/10, Fehnle, Serenissimorum (…) progenitores, fol. 112r.
  6. GLA Karlsruhe 65/12, Drollinger, Specimen, fol. 44r.
  7. KA Lichtenthal o. Sig., Glyckher, Chronik 92.
  8. Schoepflinus, Historia, tom. 2, 11 Anm. i.
  9. Sachs, Einleitung, T. 2, 26.
  10. GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 22f. nr. I.
  11. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Lichtenthal, fol. 12v.
  12. GLA Karlsruhe G Lichtenthal nr. 2, Grundriß Fürstenkapelle nr. I., abgedr. in Kdm. Baden-Baden 515 (Abb. 421).
  13. Herr, Kloster Lichtenthal 36.
  14. Josef Bader, Das malerische und romantische Baden, Karlsruhe 1843/44, 227.
  15. Josef Bader, Die Stifter des Klosters Lichtenthal sind auch die Gründer der Markgrafschaft Baden, Karlsruhe 1845, 20 Anm. 33.
  16. Gutgesell, Kloster Lichtenthal 60.
  17. Bauer, Frauenkloster Lichtenthal 306.
  18. Stoesser, Grabstätten 54.
  19. Deodata, Frauenkloster Lichtental 197.
  20. Kdm. Baden-Baden 508 nr. I.
  21. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 62 Anm. 204.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 8 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0000808.