Inschriftenkatalog: Aachen (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 32: Stadt Aachen (1993)

Nr. 29 Linzenshäuschen 2. Viertel 15. Jh.

Beschreibung

Inschriftstein, in einer Höhe von 4,50 m in die östliche Mauer des Wachtturmes eingelassen. Basalt. Von profiliertem, steinernem Rahmen umgeben. Inschrift eingehauen. Ein Abguß befindet sich im Besitz des Domkapitels.

Maße: H. 85, B. 88, Bu. 5,5–7,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. Ave maria keiseri(n)a) /Du bis tzo aichen / eyn werdi(n)neDich / besoict so me(n)nich / vre(m)dt Gastu(n)da(n)c mois / he have(n) D(er) aiche(n) hast

Übersetzung:

Sei gegrüßt, Maria, Kaiserin! Du bist zu Aachen eine Wirtin1); dich besucht manch fremder Gast. Mißfallen2) muß derjenige erregen, der sich gegen Aachen feindselig verhält3) [oder: verwünscht muß derjenige sein, der Aachen haßt].

Versmaß: Deutscher Reimvers.

Kommentar

Die Hasten von h, k und t sind am oberen Ende gespalten, der Bogen des h läuft in einem Schnörkel aus. Majuskel-D und G sind herzförmig. Linzenshäuschen war Bestandteil des nach 1423 errichteten Landgrabens südwestlich von Aachen. Die erste Anstellung eines Wächters ist für 1458 belegt, zu diesem Zeitpunkt muß der Turm also fertiggestellt gewesen sein.4) Der Text ist im Zusammenhang mit der Aachener Marienverehrung und speziell mit der Heiligtumsfahrt und den Marienreliquien zu sehen.

Textkritischer Apparat

  1. Teichmann schlägt vor, die Kürzung aus Reimgründen zu keiserinne aufzulösen. Zahlreiche Belege für die Bezeichnung Mariens als Kaiserin bietet Salzer, S. 456f.

Anmerkungen

  1. Mnd. werdinne = ‚Wirtin, (Haus)herrin‘ (vgl. Schiller/Lübben Bd. 5, S. 676). In mehreren mittelalterlichen Mariendichtungen wird Maria als Wirtin bezeichnet, zumeist im Zusammenhang mit Jesus als ihrem Gast (Salzer, S. 94f.). Da auch hier werdinne und Gast einander gegenübergestellt werden, ist die Übersetzung ‚Wirtin‘ der ebenfalls passenden Übertragung ‚Herrin‘ vorzuziehen.
  2. Zur Bedeutung des Wortes Undank i. S. von ‚Mißfallen, Ärger, Verwünschung, Fluch‘ vgl. Grimm, Wörterbuch Bd. 24, Sp. 430.
  3. Zu hassen i. S. von ‚Feindseligkeiten verüben‘ vgl. Schiller/Lübben Bd. 2, S. 215.
  4. Vgl. Teichmann, Linzenshäuschen, S. 19f.

Nachweise

  1. Teichmann, Linzenshäuschen, S. 9–23.
  2. Pick, AAVerg., S. 96.
  3. Thyssen, Heiligtumsfahrt-Ausstellung, S. 293f.

Zitierhinweis:
DI 32, Stadt Aachen, Nr. 29 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di032d002k0002907.