Inschriftenkatalog: Aachen (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 32: Stadt Aachen (1993)

Nr. 9† St. Peter 1262?

Beschreibung

Glocke. 1943 beim Turmbrand zerschmolzen. Einzeilige Schulterinschrift, oben und unten von jeweils drei Stegen eingefaßt. Die Inschrift wurde wahrscheinlich nicht mit Hilfe von Matrizen hergestellt, sondern rückwärts in den Mantel eingraviert. Boeckeler überliefert eine Nachzeichnung der Inschrift. Buchstaben zum Ende hin aus Platzmangel eng zusammengedrängt. Buchstabengröße unregelmäßig. Worttrennung durch Doppelpunkte.

Wortlaut nach Boeckeler.

Maße: H. 104, Dm. 130, Bu. 4,5–5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.1)

Reproduktion nach: H. Boeckeler, Beiträge zur Glockenkunde, Aachen 1882, Tf. III [1/1]

  1. + HORRIDA : SVM :a) STOLIDIS : LATRONIBVS : AC : HOMICIDIS :AD : CV(M)MVNE :b) BONV(M) : SERVIO : DANDO : SONVM :MAGISTER : JACOBVS : DE : CROISILLES :c) NOS : FECIT : ANNO : D(OMI)NI : Mo : CCo : L·X·I : I : K(A)L(ENDAS) : MAR(TII):

Übersetzung:

Furchtbar bin ich den frechen Räubern und Mördern; ich diene dem allgemeinen Wohl mit meinem Klang. Meister Jacob von Croisilles hat uns gemacht im Jahre des Herrn 1261 an den 1. Kalenden des März.

Versmaß: Elegisches Distichon, leoninisch gereimt (horrida – sonum).

Datum: 1. März 1262?2)

Kommentar

Eine eindeutige Lesung des Datums wird dadurch erschwert, daß Jahres- und Tagesangabe nicht klar voneinander getrennt sind. Möglich ist sowohl die Lesung MCCL XII. Kal. Martii als auch MCCLXII Kal. Martii. Die Datierung MCCLX II. Kal. Martii hingegen ist aufgrund der Ziffernanordnung kaum als die richtige anzunehmen, da die erste I in die beiden rechten Arme des X eingeschrieben ist und beide gemeinsam entweder der Jahres- oder der Tagesangabe zugehören. Die mehrfach vorgeschlagene Auflösung zu MCCLXI I. Kal. Martii3) wurde von Loersch zurückgewiesen unter Hinweis darauf, daß eine Datierung auf die 1. Kalenden nicht üblich war.4) Tatsächlich war diese Bezeichnung zwar ungewöhnlich, ist aber durchaus belegt und bezeichnet dann entweder die Kalenden selbst oder den Vortag.5) Die Nachzeichnung läßt erkennen, daß vor der letzten I ein Doppelpunkt angebracht war, der in der Inschrift regelmäßig als Worttrenner verwendet wird und wohl auch an dieser Stelle nur als solcher betrachtet werden kann. Aufgrund des äußeren Befundes muß daher MCCLXI I. Kal. Martii als die wahrscheinlich richtige Datierung angenommen werden.

Die Buchstaben der gotischen Majuskel sind langgestreckt. D, E, N und T werden sowohl kapital als auch unzial verwendet, H unzial, C mehrmals eckig. Auffällig ist das durchgängig kapitale V, in das zweimal ein Kürzungsstrich eingezogen ist.

Die Glocke gehörte zur Gruppe der Sturm- und Bannglocken, die als Eigentum der Bürgerschaft für profane Zwecke genutzt wurden.6)

Die Formulierung nos fecit weist darauf hin, daß Jacob de Croisilles mindestens eine weitere Glocke für St. Peter gegossen hat, die unbeschriftet blieb. Er goß zudem 1266 die Marienglocke für den Osnabrücker Dom.7) Seine Familie stammte vermutlich aus dem gleichnamigen Ort im Arr. Arras nahe der belgisch-französischen Grenze.8)

Textkritischer Apparat

  1. CUM KDM.
  2. COMMUNE Loersch, Renard, van Endert, Biergans, KDM.
  3. CROILLES van Endert.

Anmerkungen

  1. Angaben nach Walter, S. 37.
  2. Bei der Auflösung der Jahreszahl ist die in Aachen übliche Zählung nach dem Osterstil zu berücksichtigen. Da der 1. März vor Ostern lag, gehörte er nach damaliger Zählung noch dem alten Jahr 1261, nach unserer Rechnung bereits dem Jahr 1262 an.
  3. Quix, van Endert, Boeckeler, KDM.
  4. Loersch, Meister und Entstehungszeit, S. 321.
  5. Grotefend, S. 16. Ein Beispiel bietet DI XXIII (Oppenheim) Nr. 29.
  6. Die Stadtrechnungen des Jahres 1376/77 belegen die Ernennung und Besoldung eines Wächters für den Turm von St. Peter durch den Rat der Stadt. Vgl. Laurent, Stadtrechnungen, S. 256.
  7. DI XXVI (Osnabrück) Nr. 10.
  8. Vgl. Otte, Glockenkunde, S. 83.

Nachweise

  1. Quix, St. Peter-Pfarrkirche, S. 4 Anm. 1 u. Lithographie im Umschlag.
  2. van Endert, Organ für christl. Kunst 13, 1863, S. 77.
  3. Renard, Rhein. Glocken, S. 16 u. S. 9 Abb. 9.
  4. Boeckeler, Beiträge, S. 12 u. Tf. III.
  5. Kraus II, Nr. 494.
  6. Walter, Glockenkunde, S. 178.
  7. Biergans, Wohlfahrtspflege, S. 112.

Zitierhinweis:
DI 32, Stadt Aachen, Nr. 9† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di032d002k0000905.