Inschriftenkatalog: Aachen (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 32: Stadt Aachen (1993)

Nr. 2† Burtscheid, St. Johann Baptist um 1000?

Beschreibung

Grabschrift des Abtes Gregor. Sie wurde bei der Erhebung seiner Gebeine (zwischen 1180 und 1190) entdeckt. Eine Vita des Heiligen berichtet, daß bei der Öffnung des Grabes „vas ex plumbeis tabulis compactum est inventum atque membra beati viri composita in eo“.1) Dabei handelte es sich vielleicht um einen Sarg ähnlich den Reliquiensärgen der Hll. Corona und Leopardus im Aachener Dom.2) Der Text war wahrscheinlich in das Blei eingeschnitten. Im Jahre 1611 wurde eine – heute ebenfalls verlorene – Bleiplatte mit dem um mehrere Zeilen ergänzten Text angefertigt (vgl. Nr. 98).

  1. Continet iste taphos peregrini membra sepultinomine Gregorii meritis studioque colendiregis Grecorum natus Gregorius abbasprimus Porcetum coluit templumque locavitcuius in hac fossa requiescunt corporis ossa.

Übersetzung:

Dieser Sarg enthält die Gebeine eines begrabenen Fremden namens Gregor, der aufgrund seiner Verdienste und seines Eifers zu verehren ist. Sohn eines griechischen Königs, bewohnte Abt Gregor als erster Burtscheid und errichtete den Tempel. Die Knochen seines Körpers ruhen in diesem Grabe.

Versmaß: Hexameter.

Kommentar

Gregor, der zum engeren Kreis um Otto III. gehörte, war der Gründer und erste Abt des Klosters Burtscheid. Er starb an einem 4. November vor dem Jahr 1000, vermutlich 999.3)

Während Gregor in der Grabschrift als regis Grecorum natus bezeichnet wird, bezeugt seine zu Beginn des 11. Jh. entstandene ältere Vita lediglich seine Herkunft aus dem kalabrischen Adel.4) Die Änderung des Titels wurde der Verklärung des verehrten Abtes durch die Nachwelt zugeschrieben und hat Anlaß dazu gegeben, die Abfassung der Grabschrift lange nach dem Tode Gregors anzunehmen.5) Es ist jedoch möglich, daß rex hier nicht ‚König‘ im üblichen Sinne meint, sondern als Ersatz für dux oder comes zu verstehen ist6), die beide in der ersten Silbe keine Länge aufweisen und damit für den hexametrischen Versbeginn ungeeignet sind. Man kann also aus der Titulierung Gregors als regis Grecorum natus noch keinen Schluß auf eine späte Entstehung der Inschrift ziehen. Der unregelmäßige Reim, der im zweiten und vierten Vers einsilbig, im letzten zweisilbig ist, könnte vielmehr ein Indiz für eine Abfassung des Textes vor dem 12. Jh. darstellen,7) zumal die Belege für die Verwendung des Wortes taphos nicht über die Mitte des 11. Jh. hinausreichen.8) Der letzte Vers schöpft mit seinem Reim auf fossa – ossa aus dem mittelalterlichen Formelgut.9)

Anmerkungen

  1. MGH SS XV / 2, p. 1198f. Der Text wurde Ende des 12. Jh. abgefaßt und wird zur Unterscheidung von einer älteren, kurz nach dem Tode Gregors entstandenen Lebensbeschreibung als Vita posterior bezeichnet (vgl. Wurzel, S. 11f.).
  2. DI Aachen Dom Nr. 16. Vgl. dazu H. Giersiepen, Zwei Reliquiensärge aus Blei im Dom zu Aachen, ZAGV 97, 1991, S. 335–349 (343–347). Zur Bezeichnung eines Sarges als vas vgl. Du Cange VIII, p. 246; Blaise, Auteurs chrétiens, p. 837; CIFM 7, Nr. 44; CIFM 12, Nr. H 74.
  3. In MGH DO III 348 von Feb. 1000 wird er bereits als tot erwähnt. Vgl. Wurzel, S. 25.
  4. MGH SS XV / 2, p. 1187. Vgl. Bosbach, Gründung, S. 99; Holder-Egger, MGH SS XV / 2, p. 1199 Anm. 1. Anders M. Uhlirz, die sich in der Auffassung bestätigt sieht, Gregor sei ein Bruder Theophanos gewesen (Studien, S. 462–474).
  5. Vgl. MGH SS XV / 2, p. 1199 Anm. 1; Bosbach, Gründung, S. 99.
  6. Vgl. Du Cange VII, p. 179, mit Belegen für eine großzügige Verwendung des Wortes rex.
  7. Vgl. dazu Bayer, Entwicklung des Reimes, S. 120 ff.
  8. Diese Aussage läßt sich allerdings nur auf der Basis der bislang erschienenen Wörterbücher machen. Vgl. Du Cange VIII, Sp. 29; Niermeyer, p. 1011; Blaise, Auteurs Chrétiens, p. 808. Vgl. auch die Grabschrift der Äbtissin Hadwig von Essen († vor 973), MGH Poetae V, S. 303f.
  9. Vgl. die Grabschrift des Beda Venerabilis (Migne, PL XC, col. 54); CIFM 2, Nr. HV 59; 6, Nr. PA 17; 7, Nr. 49; DI II (Mainz), Nr. 25; DI XXVI (Osnabrück), Nr. 19.

Nachweise

  1. Vita Gregorii posterior, MGH SS XV / 2, p. 1199.
  2. AA SS Nov. II, p. 476.
  3. Kraus II, Nr. 498.
  4. Bosbach, Gründung, S. 99.
  5. M. Uhlirz, Studien über Theophano, DA 6, 1943, S. 442–474 (473 Anm. 1).

Zitierhinweis:
DI 32, Stadt Aachen, Nr. 2† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di032d002k0000209.