Inschriftenkatalog: Aachen (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 32: Stadt Aachen (1993)

Nr. 25† St. Paul 1426

Beschreibung

Gemaltes Epitaph für Maria de Froidcour auf dem südöstlichen Pfeiler. Mitte des 19. Jh. nach Entfernen der Tünche aufgefunden, im 2. Weltkrieg zerstört. Tempera auf mennigrotem Untergrund. Vor einem Teppich mit Sternenmuster steht Maria mit dem Kinde, flankiert vom hl. Sebastian und einem Heiligen in einem weiten Mantel, mit Tonsur und Krummstab. Es handelt sich dabei wohl nicht, wie von Kessel angenommen, um den hl. Dominikus, sondern vermutlich um den hl. Gerhard von Brogne, den Gründer der Abtei St. Gérard bei Namur.1) Sebastian empfiehlt die neben ihm kniende Verstorbene, deren Mann und vier Söhne auf der Gegenseite kniend dargestellt sind. Der Toten und ihrer Familie ist jeweils ein Wappenschild beigegeben. Die Wappenbilder sind weitgehend unkenntlich. Nach oben hin verschmälert sich die Malerei perspektivisch. Unter drei Kleeblattbögen halten zwei Engel den an einer Stange befestigten Teppich, während zwischen ihnen ein weiterer Engel mit bloßen Händen das auf einen Stab aufgezogene Kleid Mariens zeigt. Inschrift unter der Darstellung. Worttrennung durch Vierkantpunkte.

Lesung nach Foto2), Ergänzungen nach Bock.

Maße: H. 193, B. 132 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. hic ante iacet · maria · de froidcoura) · uxor · gerardi · de / erclanb) opidani · opidi · namurcen(sis) · que · obiit · anno · d(omi)nic) m/cccc · xxvi · ip(s)o · die · b(ea)te · marie · magdalene · a(n)i(m)a · eius requiescat / in · pace · ame

Übersetzung:

Hier vor liegt Maria de Froidcour, Frau des Gerhard von Erclane3), Bürgers der Stadt Namur, die gestorben ist im Jahre des Herrn 1426 am Tag der heiligen Maria Magdalena. Ihre Seele ruhe in Frieden.

Datum: 22. Juli

Wappen:
Froidcour?4), Erclane?5)

Kommentar

Die Darstellung des hl. Sebastian, eines Patrons gegen Pest und ähnliche Krankheiten, deutet darauf hin, daß Maria de Froidcour während der Heiligtumsfahrt an einer Seuche verstarb, vielleicht an Typhus oder der Ruhr.6) Das Epitaph bietet die älteste bekannte bildliche Darstellung der Zeigung des Marienkleides. Die Aufhängung der Reliquie an einer Stange entspricht den späteren Überlieferungen.7) Mit unverhüllten Händen wurde das Hemd Mariens nur am Tag der hl. Maria Magdalena, dem 22. Juli, gezeigt.

Textkritischer Apparat

  1. froidwine Bock, Kessel, Beissel, KDM.
  2. erclane Bock, Kessel, Beissel, KDM. Der Beginn des Namens ist auf dem Foto nicht sichtbar. Es ist jedoch klar erkennbar, daß der letzte Buchstabe kein e sein kann.
  3. d(o)m(ini) Bock.

Anmerkungen

  1. Vgl. LCI 6, Sp. 395f.
  2. Landschaftsverband Rheinland, Fotoarchiv. Der rechte und der linke Rand der Inschrift ist auf dem Foto nicht lesbar.
  3. Erkelenz? Bock schlägt Erquelines im belgisch-französischen Grenzgebiet vor.
  4. Vom Wappenbild ist nur noch ein Schrägbalken erkennbar.
  5. Vom Wappenbild ist nur noch ein heller Schrägbalken in dunklem Feld zu erkennen. Ein mit drei Kugeln belegter Schrägbalken, von einem Stern im linken Obereck begleitet, ist das Wappen der Familie Erkelenz aus Erkelenz (Müller-Westphal, S. 291).
  6. Schmitz-Cliever, Pest, S. 128. Der mehrfach geäußerten Vermutung, die Verstorbene sei der Pest erlegen, hält Schmitz-Cliever entgegen, daß 1426 keine Pestwelle für Aachen belegt ist. Die klimatischen Bedingungen und die Ansammlung vieler Menschen im Rahmen der Heiligtumsfahrt machen die Verbreitung einer der obengenannten Krankheiten wahrscheinlicher.
  7. Vgl. Nr. 59.

Nachweise

  1. Bock, Domblatt 1858, S. 166.
  2. Briquet, Tombeau d'une dame de Namur à Aix-la-Chapelle, in: Ann. de la société archéol. de Namur IX, 1865, S. 88.
  3. Kessel, Geschichtliche Mittheilungen, S. 194 und Abb. S. 195.
  4. Beissel, Aachenfahrt, S. 105.
  5. KDM 10, 2, S. 190 u. Fig. 87.
  6. Schiffers, Kulturgeschichte, S. 191 Abb. 27.

Zitierhinweis:
DI 32, Stadt Aachen, Nr. 25† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di032d002k0002502.