Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 31: Aachen (Dom) (1992)

Nr. 91 Dom, Schatzkammer nach 1520–25

Beschreibung

Geschnitztes Altarretabel. Schrein Eichenholz, Figuren Pappel- oder Lindenholz. Im Mittelteil die Messe von Bolsena in Hochrelief: im Vordergrund knien ein zelebrierender Priester und zwei Diakone vor einem Altar, auf dem sich zwei Leuchter, ein aufgeschlagenes Buch und der Kelch auf dem Korporale befinden. Hinter dem Altar steigt Christus aus einer Tumba und weist auf seine Seitenwunde.1) Zu beiden Seiten von Altar und Tumba stehen die lateinischen Kirchenväter Gregor, Ambrosius, Hieronymus und Augustinus. Seitlich der szenischen Darstellung in Nischen Maria und Cosmas, Annaselbdritt und Damian als Standfiguren. In den Flügeln die zwölf Apostel. Die Messe von Bolsena und die Apostelfiguren sind Werke des Hildesheimer Benediktmeisters.2) Fassung übermalt.3) Inschrift in Goldbuchstaben auf einer Leiste unterhalb der Messe von Bolsena. Das Retabel wurde für den 1449 geweihten Annenaltar erworben.4) Die beiden letzten Wörter sind in etwa halber Größe über das Ende der zweiten Zeile gesetzt. Einige Stellen sind durch das Abblättern der Farbe verlorengegangen und wurden nach KDM ergänzt. Als Worttrenner werden Vierkantpunkte verwendet.

Maße: H. 129, B. 284 (Mittelteil 142), Bu. 2,5 bzw. 4,2 (mit Oberlängen), 1,0 cm (Text über der Zeile).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. quicu(mque) · devote · septe(m) · or(a)ci(on)es · apostolicas · cora(m) · (Christi)a) · armis · legeri(n)tb) · (et)c) sep/te(m) · preces · et · se[ptem ave] mariad) · s(ub)iunxeri(n)te) · q(u)ociensf) · id feceri(n)t · de indu[lgentia II milia] an(n)or(um)g) · gaudebith)

Übersetzung:

Wer immer fromm sieben ‚apostolische Gebete‘ vor den Leidenswerkzeugen Christi liest und sieben Fürbitten und sieben Ave Maria hinzufügt, dem wird, sooft er das tut, Ablaß für 2000 Jahre zuteil.

Kommentar

Die schmale Form der Buchstaben mit ausgeprägten Oberlängen und starken Brechungen entspricht der späten Entstehungszeit der Minuskel. Restaurierungsarbeiten im Jahr 1978 haben ergeben, daß sich unter der heute sichtbaren eine weitere, übermalte Minuskelinschrift mit kleineren Buchstaben befunden hat, die auf schwarz unterlegtem Azurit ebenfalls in Gold angelegt war.5) Textbestandteile dieser früheren Beschriftung lassen sich nicht mehr identifizieren. Den Zeitpunkt der Übermalung wird man wegen der Verwendung der gotischen Minuskel kaum lange nach der Entstehung des Retabels (um 1520–1525) ansetzen dürfen.

Textkritischer Apparat

  1. XPI.
  2. legerit Stuttmann.
  3. Tachygraphisch.
  4. marie Grimme, KDM, Große Kunst.
  5. dixerint Grimme, KDM.
  6. Kürzung durch hochgestelltes o.
  7. annos Stuttmann.
  8. Sic! gaudebunt KDM.

Anmerkungen

  1. Die Erscheinung des im Sarkophag stehenden Schmerzensmannes während der Meßfeier wurde aus der Gregoriusmesse übernommen. Christus wird in den entsprechenden Darstellungen von den Leidenswerkzeugen begleitet, und Zelebrant der Messe ist der Hl. Gregor, der hier als Assistenzfigur erscheint. Vgl. LCI 2, Sp. 199–202.
  2. Stuttmann, S. 50.
  3. Vgl. Jb. der rhein. Denkmalpflege 32, 1987, S. 73–75.
  4. Grimme, Domschatz.
  5. Freundliche Mitteilung von Herrn Restaurator J. W. Schwanz, Restaurierungswerkstatt I beim Rhein. Amt für Denkmalpflege.

Nachweise

  1. Faymonville, Dom, S. 282–284 u. Fig. 131.
  2. KDM 10, 1, S. 123f.
  3. F. Stuttmann/G. von der Osten, Niedersächsische Bildschnitzer des späten Mittelaters, Berlin 1940, S. 49f. Nr. 32a und Tf. S. 56f.
  4. Grimme, Domschatz, Nr. 130 u. Tf. 162.
  5. Große Kunst, Nr. 189 u. Tf. 222.

Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 91 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0009105.