Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 31: Aachen (Dom) (1992)

Nr. 90 Dom, Chor 1524

Beschreibung

Doppelseitige Skulptur der Madonna im Strahlenkranz, Eichenholz. Die Vorderseite zeigt die gekrönte Gottesmutter mit dem Kind auf einer von der Schlange umwundenen Mondsichel. Zwei Putten hängen an Marias Gewändern. Vor einem Wolkenkranz, der die Madonna umgibt, halten zwei Engel Krone und Zepter für das Kind bereit. Drei weitere Engel tragen zwei originale Schilde sowie einen Ende des 17. Jh. beigefügten mit jüngeren Inschriften.1) Am unteren Ende das Stiftswappen (1685 hinzugefügt).2) Auf der Rückseite eines der spätgotischen Schilde ist der Künstlername eingeschnitten, auf einem anderen das Meisterzeichen (vgl. Anhang Nr. 3) mit der Jahreszahl. Die rückwärtige Figur stellt ebenfalls Maria mit dem Kinde dar.3) Drei Putten hängen in ihrem Gewand, ein Engel hebt dessen Saum. Die Figuren dienten wohl ursprünglich als Marienleuchter.4) Im Stadtbrand 1656 wurden sie stark beschädigt und erhielten 1685 ihre heutige Form.5) Im 19. Jh. wurde die Fassung erneuert und die Strahlenmandorla ergänzt; die letzte Restaurierung erfolgte 1946.

Maße: H. 172 (Figur), 286 (insges.), B. 223 cm.6)

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

  1. A

    IAN·BIELDESNIDERa)

  2. B

    A(NN)O 1524

Wappen:
Marienstift

Kommentar

Die Inschrift zeigt die frühhumanistische Kapitalis noch nicht in ausgebildeter Form. Der Querstrich des A ist zwar gebrochen, das erste D unzial, doch wird das N nicht retrograd verwendet, und E erscheint in kapitaler und unzialer Form, nicht aber zweibauchig. Die Schrift der Signatur wiederholt sich auf anderen Werken des Ian Bieldesnider, auf denen er sich auch als Jan van Weerd oder Ian van Steffeswert bezeichnet.7) Er ist zwischen 1508 und seinem Todesjahr 1539 belegt.8) Sein Meisterzeichen ist ein gleichseitiges, durchstrichenes Dreieck mit einem Stern im unteren Teil und einem Kreuz auf der Spitze (vgl. Anhang Nr. 3).

Textkritischer Apparat

  1. BILDESNIDER KDM, Faymonville.

Anmerkungen

  1. Der Text lautet: Dilecta Deo / Angelis / et hominibus. Die Schrift empfindet eine gotische Minuskel nach. Nach Angaben Buchkremers wurde die Beschriftung bei einer der letzten Wiederherstellungen angebracht (EdG 1922, Nr. 127).
  2. Auf der Rückseite: „Renov(atum) 1685“.
  3. Die in der Literatur verbreitete Datierung dieser Madonna in das Jahr 1488 wurde von Buchkremer abgelehnt. Er verweist darauf, daß diese Datierung nur auf der wohl falschen Lesung einer (heute nicht mehr erkennbaren) Jahreszahl bei einer Restaurierung im Jahre 1825 beruht. Er hält eine gleichzeitige Fertigstellung beider Figuren 1524 für sicher (EdG 1922, Nr. 126). Auch Grimme vermutet aus stilistischen Gründen die gleichzeitige Entstehung beider Madonnen (Domschatz, Nr. 129, S. 134).
  4. Grimme, Domschatz, S. 133.
  5. Buchkremer fand im Zuge von Sicherungsarbeiten an der Madonna 1916/17 folgenden Vermerk von 1685: „Cum ob fatale incendium Aquense hae binae statuae valde destructae iam a triginta annis in loco iacuerint, ita ut ex anima multorum deletae essent, sic Reverendissimus admodum nec non proenobilis dominus Nicolaus Fibus huius insignis ecclesiae canonicus, singulari zelo ductus, erga B. Mariam ad aedificationem omnis populi eas restaurari curavit.“ (EdG 1922, Nr. 126).
  6. Die Buchstabenhöhe konnte nicht gemessen werden, da die Schrift nur nach Abnahme der Engelsfiguren sichtbar ist.
  7. Vgl. Quadflieg, AKB 30, S. 100–130.
  8. Quadflieg, a. a. O., S. 102f.

Nachweise

  1. Faymonville, Dom, S. 202.
  2. KDM 10, 1, S. 119.
  3. Buchkremer, EdG 1922, Nr. 126.
  4. E. Quadflieg, Jan Bieldesnider van Weerd, der Meister der Aachener Strahlenkranz-Madonna, AKB 30, 1965, S. 100–130 (100).
  5. Grimme, Domschatz, Nr. 129, S. 133.

Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 90 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0009007.