Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 31: Aachen (Dom) (1992)
Nr. 63 Dom, Schatzkammer 1453–1457
Beschreibung
Retabel des Wenzelsaltars. Öl auf Eiche. Wahrscheinlich Aachen, Meister aus der Schule Stefan Lochners.1) Auf der Mitteltafel eine Kreuzigung mit Maria und Johannes, am Kreuzfuß der Schädel Adams. Neben Maria steht der Hl. Wenzel, der den knienden Kaiser Karl IV. empfiehlt. Wenzel trägt Rüstung und Umhang, in der Rechten hält er das Reichsbanner. Neben Johannes der Hl. Vitus mit dem ebenfalls knienden König Ladislaus Postumus von Böhmen und Ungarn. Vor den beiden Herrschern ihre Wappen. Auf der Innenseite des linken Flügels die Hll. Sigismund und Ludmilla, rechts Adalbert von Prag und Prokop. Die Flügelaußenseiten zeigen oben eine Verkündigung an Maria. Von der Hand des Engels geht ein Spruchband aus (A), ein weiteres schwebt über dem Kopf der sich dem Engel zuwendenden Maria (B). In der unteren Hälfte stehen unter Korbbögen links der Hl. Stephan und Karl d. Gr. mit dem Münstermodell. Rechts kniet ein betender Geistlicher mit (nicht identifiziertem) Wappenschild vor dem Hl. Wenzel, der sich auf einen Schild mit dem Reichsadler stützt. Über dem Kopf des Stifters windet sich das Spruchband mit der Inschrift (C), die mit einer roten Initiale beginnt. Die Enden der Spruchbänder werden von rankenartigen Ornamenten ausgefüllt. Das Retabel ist besonders in den Goldgründen stark übermalt, ohne daß die Inschriften davon betroffen sind.2) 1978 restauriert.
Maße: H. 163, B. 153 (Geschlossen), Bu. 1,0 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
- A
Ave maria gratia plena dominus tecum3)
- B
Ecce ancilla domini fiat michia) secundum verbum tuum4)
- C
O s(anc)t(e) wencelausb) memento plebis catholice
Übersetzung:
Gegrüßt seist du, Gnadenvolle, der Herr ist mit dir.
Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort.
O Hl. Wenzel, gedenke des katholischen Volkes.
Böhmen – Römisches Reich |
Böhmen – Ungarn |
unbekannt (goldener Eichenzweig mit zwei Blättern und einer Eichel auf blauem Grund) |
Römisches Reich |
Textkritischer Apparat
- mihi KDM, Grimme, Hilger.
- Sic! wenceslae KDM, Grimme.
Anmerkungen
- Hilger, Altar des Hl. Wenzel, S. 215 (nach Květ).
- Freundliche Mitteilung von Herrn Restaurator J. W. Schwanz, Restaurierungswerkstatt I des Rhein. Amtes für Denkmalpflege. Vgl. Jb. der Rhein. Denkmalpflege 32, Köln 1987, S. 75.
- Lc. 1,28.
- Lc. 1,38.
- Grimme, Domschatz; Hilger, a. a. O., S. 220 ff.
- Vgl. Hilger, a. a. O., S. 212. Hilger rezipiert eine 1930 in tschechischer Sprache erschienene Arbeit von Jan Květ mit dem Titel „Archa z oltáře sv. Václava v Münsteru v Cáchách“ (Das Retabel auf dem Altar des Hl. Wenzel im Münster zu Aachen). Vgl. A. Schädler, Der Aachener Wenzelsaltar, in: 1316 Kaiser Karl IV. 1378. Führer durch die Ausstellung des Bayer. Nationalmuseums München auf der Kaiserburg Nürnberg, hrsg. v. Bayer. Nationalmuseum Nürnberg, München 1978, S. 95. Die ältere Auffassung, die dargestellten Herrscher seien Wenzel und Sigismund, stand in Zusammenhang mit einer Datierung des Retabels ins ausgehende 14. Jh. (KDM, S. 167) und wurde dann auch nach einer Umdatierung zunächst beibehalten (Schnitzler, Dom, S. XXXV; Grimme, Domschatz).
- Vgl. dazu Hilger, a. a. O., S. 222 mit Abdruck der Präsentationsurkunde (S. 232).
Nachweise
- KDM 10,1, S. 167.
- Grimme, Domschatz Nr. 103 u. Tf. 115f.
- H. P. Hilger, Der Altar des Hl. Wenzel im Dom zu Aachen, AKB 44, 1973, S. 211–232 (212).
Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 63 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0006307.
Kommentar
Die Datierung ergibt sich nicht nur aus der stilistischen Analyse5), sondern vor allem aus einer Identifizierung der dargestellten Personen. Der von Květ erbrachte Nachweis, daß es sich bei dem vom Hl. Vitus empfohlenen König um Ladislaus Postumus handelt6), schränkt die Entstehungszeit des Retabels auf dessen Regierungszeit als König von Böhmen und Ungarn (1453–1457) ein. In dem knienden Geistlichen – offensichtlich dem Stifter des Retabels – könnte dann Sigismund von Iglau zu sehen sein, der 1455 als Benefiziat des Wenzelsaltars präsentiert wurde.7)