Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 31: Aachen (Dom) (1992)
Nr. 52† Dom, Schatzkammer Ende 14. Jh.?
Beschreibung
Chormantel (sog. Cappa Leonis). Der Legende nach der Mantel des angeblichen Konsekrators der Kirche, Papst Leos III. Braunroter Seidensamt, durchzogen von goldgestickten, mit Blattblüten gefüllten Ranken. Auf dem Rand der Kapuze, der Halsborte und den Vorderstäben Rosen aus vergoldetem Silberblech abwechselnd mit gestickten Wappenschilden.1) Der untere breite Saum zeigt auf zickzackförmig besticktem Tiefgrund biblische Gestalten abwechselnd mit Sternen und gefüllten Blumenvasen. Die 16 dargestellten Personen lassen sich in vier Gruppen unterteilen: die Evangelisten, die vier Hauptpropheten, vier Könige aus dem Alten Testament sowie Moses, Abraham, Isaac und Jakob. Neben den Köpfen war der jeweilige Name eingestickt. Einige der Namenszüge ließen sich 1864 noch lesen, sind aber heute nicht mehr erkennbar. Ob die von der Hand der biblischen Personen ausgehenden Spruchbänder ursprgl. ebenfalls beschriftet waren, läßt sich nicht mehr feststellen.
Inschriften nach Bock, Kleinodien.
Maße: L. 143, Saumbr. 10,5, Figuren H. 8, Bu. ca. 0,8 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
- A
Abraham
- B
Isaac
- C
Jacob
- D
Daniel
- E
David rex
- F
Lucas
- G
Johannes
Heimbach oder Schanternel (Mühleisen) |
Anmerkungen
- Für die Richtigkeit der Vermutung Bocks, jeder Wappenschild sei mit einem Namen in Goldblech oder Perlen bestickt gewesen, gibt es keinen Anhaltspunkt (Bock, Pfalzkapelle I, S. 19).
- Bock, Kleinodien, S. 124; KDM 10, 1, S. 176; A. Schulte, Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen 813–1531 (Rhein. Neujahrsblätter 3), Bonn/Leipzig 1924, S. 28ff. Zur Schenkung vgl. J. F. Böhmer, Die Regesten des Kaiserreiches unter Philipp, Otto IV., Friedrich II., Heinrich (VII.), Conrad IV., Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard. 1198–1272 (Regesta Imperii V, 2, hrsg. u. erg. v. J. Ficker), Innsbruck 1882, Nr. 5400; Quix, Cod. dipl. I, 129.
- Grimme, Domschatz, Nr. 88.
- Müller-Westphal, S. 428ff., bes. Anm. 2.
- Offergeld, S. 914; Müller-Westphal, a. a. O.
- Müller-Westphal, S. 764.
- Offergeld, S. 919.
- Domschatz, Nr. 88; Große Kunst, Nr. 56; vgl. auch Schulte, a. a. O., S. 28.
- Schramm, Herrschaftszeichen I, S. 43.
Nachweise
- Bock, Kleinodien, S. 123–125 u. Fig. C S. 122.
- Ders., Liturgische Gewänder II, Tf. XLIII (A).
- Ders., Reliquienschatz II, S. 20 Fig. IX (A).
Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 52† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0005204.
Kommentar
Der Chormantel wird in der älteren Literatur für eines der dem Münster von Richard von Cornwall geschenkten Gewänder gehalten2), von Grimme jedoch ins 14. oder beginnende 15. Jh. datiert.3) Die Verwendung der gotischen Minuskel für die Beischriften schließt eine Datierung in die Zeit vor Mitte des 14. Jh. aus. Nach Bocks zeichnerischer Wiedergabe der Inschrift (A) zu urteilen, zeigte die Schrift bereits ausgeprägte Oberlängen und Majuskeln am Wortbeginn. Dieser Stand der Schrift deutet sogar eher auf das fortgeschrittene 15. Jh. hin, doch bietet die Nachzeichnung allein aufgrund ihrer mangelnden Überprüfbarkeit am Original kein hinreichendes Argument für eine solche Spätdatierung. Einen Anhaltspunkt für die zeitliche Einordnung könnte das in die Borte eingearbeitete, allerdings schlecht erhaltene Wappen geben. Es wurde von Müller-Westphal, ebenso wie das Wappen an der Chormantelschließe (Nr. 48), als Wappen der Familie Heimbach identifiziert.4) Im Unterschied zu diesem weist es zwar nicht den fünfzackigen Stern als Beizeichen auf, doch ist auch ein Mühleisen ohne Beizeichen mehrfach als Wappen Heimbach belegt. Von der zweiten Hälfte des 14. Jh. bis zum Beginn des 15. Jh. sind drei Mitglieder der Familie als Kanoniker am Marienstift nachgewiesen.5) Sollte es sich bei dem Chormantel tatsächlich um eine Stiftung der Familie Heimbach handeln, kommt dafür also dieser Zeitraum am ehesten in Betracht. Die von der Familie Heimbach gestiftete Schließe (Nr. 48) könnte dann zusammen mit dem Mantel geschenkt worden sein. Ein Mühleisen ohne Beizeichen führt allerdings auch die Familie Schanternel im Wappen.6) Ein Johann Schanternel ist 1454 als Stiftskanoniker belegt.7) Aufgrund des Wappens und des Schriftbefundes könnte auch er als Stifter des Chormantels in Frage kommen.
Grimme vermutet die Verwendung der Cappa Leonis bei den Aachener Königskrönungen spätestens seit 1414.8) Abgesehen von der Datierungsfrage ist aber eine Verwendung des Mantels bei Krönungen quellenmäßig nicht gesichert. Lediglich bei der Krönung Karls V. nahm man statt der zu den Reichsinsignien zählenden Stola ein Gewand aus dem Aachener Münsterschatz, bei dem es sich um die Cappa Leonis gehandelt haben könnte.9)